
Marktmonopole brechen
Bereits im vergangenen Jahr hatte die SPD unter der damaligen Vorsitzenden Andrea Nahles einen Vorschlag zur Datenteilungspflicht präsentiert. Diesen bekräftigte am Mittwoch auch ihre Nachfolgerin Saskia Esken. Sie kritisierte: „Einige wenige marktbeherrschende Player bauen ihre Marktstellung durch Missbrauch von Daten weiter aus.“ Dem solle durch eine Datenteilungspflicht entgegengewirkt werden. Außerdem, so hofft Esken, würden dadurch soziale Innovationen ermöglicht und Marktmacht begrenzt.
Ein Faden, den Olaf Scholz am Donnerstag erneut aufgriff. Um Monopolen auf digitalen Märkten entgegenzuwirken und fairen Wettbewerb zu ermöglichen, forderte der SPD-Kanzlerkandidat neue Gesetze. Es dürfen nicht sein, dass einige wenige „auf den Daten sitzen", so Scholz mit Blick in Richtung amerikanischer Unternehmen. Das sei auch eine Frage der europäischen Souveränität.
Bessere Vereinbarkeit von Familie, Beruf und Ehrenamt
Laura-Kristine Krause, Co-Vorsitzende des netzpolitischen Vereins D64, machte deutlich: „Es gibt ganz viele Chancen, dass wir durch digitale Teilhabe auch Teilhabe insgesamt verbessern können.“ Im Hinblick auf die Vereinbarkeit eines Ehrenamtes mit Berufsleben und Familie könne die Digitalisierung eine Chance sein.
Dem stimmte auch SPD-Generalsekretär Lars Klingbeil in Bezug auf Parteiarbeit zu: „Was Laura sagt, ist alles richtig. Schon heute rennen nicht alle am Donnerstagabend um 20 Uhr in den Dorfkrug, um an der Versammlung der lokalen SPD teilzunehmen.“ Die Frage sei also, wie Beteiligung gerechter gemacht werden könne. Beispielhaft nannte er die digitale Programmwerkstatt der SPD, bei der 420.000 Mitglieder Vorschläge für das kommende Bundestagswahlprogramm machen können. „Auch viele Ältere bringen sich da ein“, hob Klingbeil hervor. Defizite gäbe es allerdings bei der Beteiligung von Frauen und Migrant*innen.
Wertebasierte Digitalisierung
„Die Digitalisierung ist schon da. Sie ist nur noch nicht gerecht verteilt“, sagte Saskia Esken. Deswegen müsse im Zentrum einer europäischen, wertebasierten Digitalisierung stehen, dass sie sozial gerecht und demokratisch geschehe. Dazu gehöre beispielsweise eine Digitalsteuer für Großkonzerne, die damit einen fairen Beitrag leisteten.
Katarina Barley, Vizepräsidentin des Europaparlaments, brachte mit Blick auf die europäische Ebene zum Ausdruck: „Die beste digitale Zukunft wäre, wenn man sich in der digitalen Welt sowohl frei als auch sicher fühlen kann.“ Im Hinblick darauf sei die EU mit ihrer Datenschutzgrundverordnung bereits Vorreiter gewesen. Klingbeil monierte, die Frage von arbeitsrechtlichen Standards müsse auch im Kontext der Digitalisierung stärker in den Fokus gestellt werden: „Es wird als Hype gefeiert, wenn die Beschäftigten umsonst Kaffee und Mittagessen bekommen, aber sie haben kein Recht auf Mitbestimmung.“
Neue Investitionskultur für Startups
Am Donnerstagabend blickte vor allem Verena Hubertz etwas neidisch in Richtung Amerika. Die Gründerin von „Kitchenstories“ und nun SPD-Kandidatin für den Bundestag kann anhand eigener Erfahrungen über die Gründerszene in Deutschland berichten. Neben der komplizierten Anschubfinanzierung sei vor allem die nachfolgende Wachstumsfinanzierung schwierig, es fehle an starken Investor*innen in dem Bereich. Das gelinge in den USA oder Japan wesentlich besser.
Dass in den Bereichen Handlungsbedarf bestehe, bekräftigte auch Scholz: „Wir müssen Strukturen schaffen, aus denen heraus neue Entwicklungen entstehen können.“ Das gelte für die Infrastruktur und Investitionsmöglichkeiten in neue Unternehmen. Der Rahmen dafür sei allerdings vorhanden: „Wir haben fast alle rechtlichen Strukturen, die auch andere Länder haben, die darin erfolgreicher sind.“ Deswegen setzt er große Hoffnungen in erfolgreiche Startups in Deutschland, die in der Folge neue Startups unterstützen, sodass das „Feuer überspringt.“
Gerechte, globale Besteuerung
In einer globalisierten Welt profitieren global agierende Unternehmen davon, dass an manchen Orten kaum Steuern gezahlt werden müssen. Dafür soll es bald eine internationale Vereinbarung geben, erklärte Olaf Scholz optimistisch. Es werde bereits über das Grundgerüst gesprochen. Im Gespräch ist unter anderem eine Mindestbesteuerung von Unternehmen. Mit Blick auf die Steueroasen betonte der Bundesfinanzminister: „Es ist besser geworden, aber noch lange nicht gut."
Wie solche Steuermodelle zu einem echten Wettbewerbsnachteil werden können, erklärte SAP-Finanzvorstand Luka Mucic: „Wir sind in Deutschland in einem Hochsteuerland unterwegs.“ Allein gegenüber Unternehmen in den USA habe der deutsche Software-Riese Unterschiede bei den Steuersätzen von fünf bis acht Prozent zu kompensieren – ein Wettbewerbsnachteil.
Hass und Hetze im Netz verfolgen
Cybermobbing, Fake News, Hass und Hetze beschäftigen inzwischen alle sozialen Medien und deren Betreiber*innen. Dass die Unternehmen hinter den Netzwerken inzwischen in die Verantwortung genommen werden, lobt Olaf Scholz: „Das konnte man nicht mehr hinnehmen.“ Doch am Ende sei der Prozess damit noch nicht: „Das wird uns noch lange begleiten, denn es geht dabei auch um Meinungsfreiheit.“ Auch Verena Hubertz merkte kritisch an: „Ich bin kein Fan davon, dass Facebook und Co. als Polizei im Netz agieren.“ Außerdem müsse man auch auf die Schulen oder den politischen Bereich schauen, wie dort bereits gehetzt werde.
Der digitalen Hetze haben auch Unternehmen etwas entgegenzusetzen, ergänzte Mucic von SAP mit Verweis auf die Kampagne „Stop Hate for Profit“: Unternehmen boykottierten dabei Werbeanzeigen auf Plattformen, solange dort nichts gegen Hass und Hetzte unternommen wird. Das habe Wirkung gezeigt, so Mucic. Er persönlich habe aber auch „kein Patentrezept“.