GroKo

Olaf Scholz: „Nur gut regieren allein wird nicht reichen“

Karin NinkLars Haferkamp17. Juli 2019
Olaf Scholz: „Wer jetzt Steuersenkungen für Spitzenverdiener verlangt, hat die Zeichen der Zeit nicht erkannt.“
Olaf Scholz: „Wer jetzt Steuersenkungen für Spitzenverdiener verlangt, hat die Zeichen der Zeit nicht erkannt.“
Im Interview spricht Bundesfinanzminister und Vizekanzler Olaf Scholz über die große Koalition, die Erneuerung der SPD und darüber welche sozialdemokratische Handschrift sein Haushalt trägt.

Olaf Scholz, Sie sagen: „Es ist gut, wenn die SPD regiert“. Warum?

Dafür treten wir ja bei Wahlen an. Wir wollen das Leben der Bürgerinnen und Bürger besser machen. Und trotzdem ist Regieren für uns kein Selbstzweck. Nach der Niederlage bei den Bundestagswahlen 2017 wollten wir deshalb in die Opposition. Doch CDU, CSU, FDP und Grüne haben keine Koalition hingekriegt. Wir haben dann aus Verantwortung für unser Land entschieden, uns doch nochmal an der Regierung zu beteiligen. Fast 66 Prozent der Mitglieder haben dem Koalitionsvertrag zugestimmt und uns beauftragt, ihn in der Regierung umsetzen. Genau das tun wir und haben schon gar nicht wenige Vorhaben durchgesetzt.

Zum Beispiel?

Geringverdiener werden bei den Sozialversicherungsbeiträgen entlastet; sie und alle die normal verdienen, profitieren von Steuerentlastungen. Wir haben das Kindergeld erhöht, der Kinderzuschlag für berufstätige Eltern mit kleinen Einkommen wird erhöht. Bei der Krankenversicherung gilt wieder das Halbe-Halbe-Prinzip. Das Rentenniveau bleibt bis 2025 stabil. Endlich gibt es einen Rechtsanspruch auf Qualifizierung im Job. Wir verbessern die Arbeitsbedingungen und Löhne in der Pflege. Wir bauen Krippen- und Kitas aus, Gebühren können gesenkt werden. Die Mindestausbildungsvergütung kommt, BAföG wird erhöht. Wir fördern die Hochschulen und Forschung und Entwicklung, den sozialen Wohnungsbau und schaffen mehr Mieterschutz. Wir beenden bis 2038 die Kohleverstromung und sorgen dafür, das die Beschäftigten in den Revieren  eine Perspektive haben. Wir organisieren den Wandel in eine emissionsarme Mobilität und sorgen so dafür, dass die Autoindustrie weltweit führend bleibt, ökologisch modern. Gar nicht wenig.

Warum werden die Erfolge der ­Koalition so wenig wahrgenommen?

Weil die Koalition gerade im vorigen  Jahr zu oft ein schlechtes Bild abgegeben hat. Der Bürgerkrieg zwischen Frau Merkel und Seehofer im vergangenen Sommer hat vieles überlagert. Im Herbst kam die Causa Maaßen hinzu, die das Bild richtig verhagelt hat.

Viele Bürger wissen nicht mehr, wofür die SPD steht.

Stimmt. Und das darf nicht so bleiben. Bloß mit ordentlicher Arbeit in der Regierung ist es nicht getan. Von uns wird erwartet, dass wir sagen können, wie Deutschland im Jahre 2030 aussehen soll. Und wir müssen als SPD erkennbar sein. Deshalb ist es wichtig, dass wir über das aktuelle Regierungshandeln hinaus denken, wie das am Anfang des Jahres mit dem Sozialstaatspapier oder mit unserem Vorschlag zur Grundrente geschehen ist. Oder, wenn wir einen höheren Mindestlohn von 12 Euro pro Stunde fordern, auf der dauerhaften Absicherung des Rentenniveaus bestehen oder zeigen, wie die pflegebedürftigen Bürgerinnen und Bürger bei den hohen Gebühren entlastet werden können. ­Große global tätige Unternehmen, gerade die der Digitalwirtschaft, dürfen sich nicht davor drücken, Steuern zu zahlen. Deshalb brauchen wir eine globale Mindestbesteuerung. Genauso wie wir aus Verantwortung gegenüber der Zukunft eine wirkungsvolle Klimapolitik brauchen.

Wofür steht für Sie die SPD?

Wir stehen dafür, dass es auf jede und jeden Einzelnen ankommt, dass jede und jeder das Gefühl hat, es geht uns um sie oder ihn. Wir stehen dafür, dass es eine bessere Zukunft geben kann. Wir sind eine zuversichtliche Partei, die an Fortschritt glaubt. Das macht uns aus.

Wo zeigt sich die sozialdemokratische Handschrift in Ihrem Haushalt?

Noch nie hat eine Regierung so viel investiert. Wir stellen große Summen bereit, um unsere Infrastruktur, also Straßen, Schienen und den Nahverkehr in Schuss zu bringen und leistungsfähige Breitbandanschlüsse zu schaffen. Wir geben mehr Geld aus für Kindererziehung, für Krippen, Kitas, für Schulen. Ebenso für die Renten. Wir werden für 90 Prozent der Steuerzahler den Soli abschaffen; nur wer sehr viel verdient, muss ihn dann noch zahlen. All das passt zur SPD.

Die SPD hat nach der Bundestagswahl eine Erneuerung der Partei begonnen. Wie lautet Ihr Fazit?

Erneuerung darf nicht zur Floskel werden, sondern muss konkret sein. Wir müssen klar sein, nicht taktisch handeln und nicht andauernd den Kurs wechseln. Und wir müssen, wie schon gesagt, Perspektiven entwickeln für die Zeit nach dieser Legislaturperiode.

Trotz der niedrigen ­Umfrage-­ werte ­sagen Sie, die SPD könne wieder ­stärkste Kraft werden.

Unsere Umfragewerte sind schlecht. So hoch wie früher werden sie so schnell ­sicher nicht wieder werden. Wenn wir auf unsere Schwesterparteien in Europa blicken, sehen wir, dass deren Wahl­ergebnisse um die 20 Prozent schwanken. Das mag daran liegen, dass die Bürger in unseren Ländern unsicher in die Zukunft blicken. So lässt sich auch die Wahl von Trump, der Brexit, oder manch Erfolg der Rechtspopulisten erklären. Wir sehen aber gleichzeitig, dass einige unserer Schwesterparteien jüngst trotzdem Wahlen gewonnen haben. Die Zeiten sind sehr bewegt, die Zustimmung zu den Parteien wechselt in Umfragen schnell. Das ist eine große Herausforderung, aber eben auch eine Chance. Wir sollten aufrecht gehen.

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Kommentare

Erneuerung der SPD

ist aber eine Floskel geworden.
und mit "gut Regieren", d.h. die Koalitionsvereinbarungen im sozialdemokratischen Sinn umsetzen, könnte man ja mal langsam anfangen.
Seit über einem Jahr (und schon vorher) werden die Marotten von Dobrint/Scheuer, Klöckner/Schmidt, vdLeyen ...... ohne Widerspruch hingenommen.
Und ein Minister der aus Angst vor Trump die Steuergerechtigkeit für kalifornische Konzerne durchzusetzen ist meiner Meinung gar nicht fähig sozialdemokratische Politik zu machen,

Was ist eigentlich "gut regieren"?

Den warmen Worten vom Genossen Olaf Scholz können wir leider nicht entnehmen was er unter "gut regieren" oder "ordentlicher Regierungsarbeit" versteht ! Wir können es nur vermuten: Es ist ein Weiterführen einer Politik der Tippelschritte unter Verherrlichung der "schwarze Null" bei gleichzeitigen Verfehlen wenig ehrgeiziger Klimaziele, gleichzeitiger Korrosion der Infrasatruktur und stetig steiler wachsenden Wohlstand der Überprivilegierten ! Eine Politik die vor allem dazu dienen soll den neoliberalen Status Quo zu zementieren. Etwas mehr Mindestlohn versprechen und die "Gelbwesten" werden sich schon beruhigen. Wenn diese Interview die inoffizielle Bewerbungsrede von Olaf Scholz zum Parteivorsitz oder gar zu einer fernen Kanzlerkandidatur sein sollte, dann: "Herzlichen Glückwunsch!"

Eine "Groko" wird nicht nur

Eine "Groko" wird nicht nur am Beitrag der SPD gemessen, sondern am Gesamtbild. Und dazu gehört das Scheuer-csu-bmw-Amigo-Maut Ministerium und das Karlizceck -Batterie-Ministerium und das Maas-usa-Ministerium und das Seehofer-afd-heimat-ministerium und das GorchFock-Ministerium und das Altmeier-Konzern ministerium.
Aber dafür können wir Gerd Müller bei den SPD Minstern verbuchen.
Wenn dann bloss noch der Aussenminister das sozialdemokratische Rückgrad hätte, den USA diplomatisch an zu deuten , dass er bei der Nato einen Ausschlussantrag gehe die USA stellen wird, wenn diese wie gegen den Irak jetzt gegen den Iran einen völkerrechtswidrigen Krieg anzetteln würden...
Das würde Millionen Flüchtlinge n die Katastrophe ersparen.
Und der Finanzminister sollte die Banken besser Kontrolieren. Dann könnten milliardenschwere Strafzahlungen wegen Geldwäsche gespart werden. Und sollten nicht Leerverkäufe, Hedgefonds und default Swaps besser wieder verboten werden, wegen Explosionsgefahr ?

Ich habe bei meinem vorigen

Ich habe bei meinem vorigen Kommentar unten noch eins vergessen: Wenn die Punkte, die ich unten genannt habe berücksichtigt werden, also die unfähigen und verfilzten Minister ausgetauscht werden, dann könnten wir in der "Groko" bleiben, um schlimmeres zu verhüten.

Warum eigentich so umständlich ?

Da ist doch der Weg "Groko beenden", den eigene Laden inhaltlich/personell erneuern und Neuwahlen mit klarem Richtungskonzept und glaubhaften neuen Bündnis, wesentlich einfacher, wirklichkeitsnäher und zielführender !
Insofern kann ich den ähnlichen Worten des aktuellen (Mit-)Kandidaten Dr. Karl Lauterbach klar folgen, der einst Hoffnung in die Groko setzte, von dem Ergebnis aber jetzt ernüchtert, für Erneuerung und Groko-Aufkündigung steht !

Lauterbach

Auch wenn dieser Herr mittlerweile als Vorsitzendengeeignet diskutiert wird, also mir ist der zu nahe an der Pharmaindustrie (und die entwickelt Medikamente nicht etwa weil sie kranken Menschen helfen will, sondern weil damit Profit zu machen ist). Lauterbachs Kochsalz-Esotherik kann ich auch nicht teilen.
Seine Positionen zu Frieden und Abrüstung, sowie zum sozialen Ausgleich ........ mir wird der in den Medien immer nur als "Experte" vorgestellt.

andere-

ich teile deren Auffassung in dieser Ausprägung nicht- behaupten, Scholz sei nicht der Mann, der sich über "gutes regieren" äußern sollte -es sei bekannt, dass er von dieser Angelegenheit nun gar nichts verstehen würde.

Und was ist, wenn

noch nicht einmal gut regiert wird?

Diese Frage stellt sich nicht

Die Antwort auf Ihre Frage dürfen wir aktuell beobachten und erleben.

Und was ist, wenn

Wenn Scholz meint, gut regieren würde nicht reichen, mag das sein. Aber er versucht ja nicht einmal überhaupt, gut zu regieren, sondern er will seinen Vorgänger im Schlecht-Regieren noch übertreffen.

Dann ist kein Hund mehr hinter dem Ofen hervor zu locken.

Ich mag diese Fragen

Allerdings sieht aus meinem Umfeld betrachtet der Inhalt der Antworten dezent anders aus als vom Elfenbeinturm aus gesehen.

->Sie sagen: „Es ist gut, wenn die SPD regiert“. Warum?
Nein, das sage ich nicht und dazu besteht aus Sicht eines Arbeitnehmers auch keinerlei Veranlassung.

->Warum werden die Erfolge der ­Koalition so wenig wahrgenommen?
Die "Erfolge" werden wahrgenommen, nur logischerweise von den Geschädigten nicht bejubelt.

->Wofür steht für Sie die SPD?
"Neoliberalismus", asoziale Arbeitnehmer- und Familienfeindliche Politik, bedingungslose Hörigkeit gegenüber der CD/SU und der USA, Konzeptlosigkeit, Rückgratlosigkeit, Lug und Trug.

->Wo zeigt sich die sozialdemokratische Handschrift in Ihrem Haushalt?
In den funktionslosen "Umweltabgaben" und stetig steigender finanzieller Belastung bei stetig sinkender Gegenleistung, sei es nun Krankenkasse oder die kümmerlichen Reste des ehemaligen Sozialsystems.

Die SPD hat nach der Bundestagswahl eine Erneuerung der Partei begonnen. Wie lautet Ihr Fazit?
LOL

Trotz der niedrigen ­Umfrage-­ werte ­sagen Sie, die SPD könne wieder ­stärkste Kraft werden.
Nein, ich erwarte "weiter so" bis unter 0,5%.

Nur gut regieren allein wird nicht reichen

"Wir sehen aber gleichzeitig, dass einige unserer Schwesterparteien jüngst trotzdem Wahlen gewonnen haben", sagt Scholz, aber die machen auch eine andere Politik als er.