Bundeskanzler zu Besuch

Olaf Scholz in Kiew: „Die Ukraine gehört zur europäischen Familie.“

Jonas Jordan16. Juni 2022
Gemeinsam Solidarität zeigen: Unter anderem mit dem französischen Präsidenten Emmanuel Macron hat Bundeskanzler Olaf Scholz die Ukraine besucht und sich dabei im Kiewer Vorort Irpin auch ein Bild von den Zerstörungen gemacht.
Gemeinsam Solidarität zeigen: Unter anderem mit dem französischen Präsidenten Emmanuel Macron hat Bundeskanzler Olaf Scholz die Ukraine besucht und sich dabei im Kiewer Vorort Irpin auch ein Bild von den Zerstörungen gemacht.
Am Donnerstag hat Bundeskanzler Olaf Scholz gemeinsam mit Frankreichs Präsident Macron, Italiens Regierungschef Draghi und Rumäniens Präsident Johannis die Ukraine besucht. Sie machten Präsident Selenskyj Hoffnung auf den EU-Kandidatenstatus.

Lange war darüber spekuliert worden. Doch spätestens, als in den sozialen Medien am Donnerstagmorgen Bilder aus dem Sonderzug auftauchten, war klar: Bundeskanzler Olaf Scholz ist gemeinsam mit Frankreichs Präsident Emmanuel Macron, dem italienischen Premier Mario Draghi auf dem Weg in die Ukraine. Dort trafen sie noch den rumänischen Staatspräsidenten Klaus Johannis Auf einer Pressekonferenz der vier gemeinsam mit dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj am Nachmittag in Kiew machte Scholz klar: „Die Ukraine gehört zur europäischen Familie. Deutschland will eine positive Entscheidung zugunsten der Ukraine als EU-Beitrittskandidat.“

Scholz: Werden weiter Waffen liefern

Die Ukraine befinde sich seit 113 Tagen in einem „heldenhaften Abwehrkampf“, sagte der deutsche Bundeskanzler und fügte an: „Es ist bewunderswert, wie sich die Ukrainerinnen und Ukrainern zur Wehr setzen.“ Deutschland habe das Land vom ersten Tag an unterstützt, finanziell, humanitär und militärisch. Scholz verwies auf die Lieferung von Waffen und bekräftigte: „Wir werden das weiterhin tun, solange die Ukraine unsere Unterstützung benötigt.“ Sein Statement beendete Scholz mit den Worten: „Die Ukraine soll leben – slava Ukraini!“

Zuvor hatte der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj den möglichen EU-Beitrittskandidatenstatus für sein Land als als großen historischen Erfolg bezeichnet. Er versprach: „Wir sind bereit, so zu arbeiten, dass die Ukraine gleichberechtigter Mitgliedsstaat der EU werden kann.“ Er zeigte sich denkbar für die gemeinsamen Schritte auf den Weg dorthin und sagte: „Das einzige Hindernis für den Frieden ist Russland. Russland möchte keinen Frieden, Russland möchte nur den Krieg.“ Das Ziel der russischen Aggression sei, die Ukraine zu brechen und auch Europa insgesamt zu brechen. „Russland möchte zeigen, dass die europäischen Werte nicht für die Verteidigung der Freiheit genutzt werden. Wir können dieses Szenario zerstören und beweisen, dass Europa auch in der Zukunft frei, demokratisch und geschlossen bleibt“, sagte Selenskyj.

Mützenich: Aussage von historischer Bedeutung

Der Vorsitzende der SPD-Bundestagsfraktion Rolf Mützenich bewertete Scholz' Besuch in der Ukraine positiv: „Der gemeinsame Besuch von Emmanuel Macron, Mario Draghi und Olaf Scholz in Kiew erschöpft sich nicht in einer flüchtigen Symbolik. Vielmehr repräsentieren die Regierungschefs wichtige Gründungsstaaten der Europäischen Union, die es sich von Anfang an zur Aufgabe gemacht hatten, unseren Kontinent in eine dauerhafte friedliche, soziale und wirtschaftliche Zukunft zu führen.“ Olaf Scholz habe die Ukraine als Teil der europäischen Familie charakterisiert, die ebenso wie die westlichen Balkanstaaten und die Republik Moldau eine Perspektive in der EU haben solle. „Bei allen voraussetzungsvollen Erfordernissen für eine gemeinsame Zukunft ist diese Aussage in ihrer historischen Bedeutung nicht zu unterschätzen“, bekräftigte Mützenich.

Zudem sei die Zusage von Olaf Scholz, sich bei den anderen EU-Mitgliedsstaaten für eine europäische Perspektive der Ukraine einzusetzen, ein klares positives Signal für das Land. Die besondere Verantwortung Deutschlands bestehe jetzt darin, die Einigkeit der EU in den weiteren Gesprächen herzustellen und zu erhalten. „Der Besuch der drei europäischen Regierungschefs kam zum richtigen Zeitpunkt und hat kraftvoll unterstrichen, dass Europa zusammensteht gegen Putins Aggression“, machte Mützenich klar.

Außenpolitischer Sprecher: Besuch zum richtigen Zeitpunkt

Auch für den außenpolitischer Spreher der SPD-Bundestagsfraktion Nils Schmid kam Scholz' Besuch genau zum richtigen Zeitpunkt. Das klare Votum der vier Staats- und Regierungschefs für die Erteilung des EU-Beitrittskandidatenstatus zugunsten der Ukraine sei ein klares Bekenntnis, dass das Land zur europäischen Familie gehöre und künftig noch enger an die EU herangeführt werden solle. „Zugleich ging von diesem Besuch auch ein starkes Signal der europäischen Entschlossenheit aus, indem unmissverständlich bekräftigt wurde, dass die Ukraine bei ihrem Kampf um nationale Souveränität gegen die russische Aggression so lange wie erforderlich weiter unterstützt und nicht im Stich gelassen wird. Auch beim notwendigen wirtschaftlichen Wiederaufbau werden wir der Ukraine massiv helfen“, betonte Schmid.

Ähnlich äußerte sich Achim Post, stellvertretender Vorsitzender der SPD-Fraktion und SPE-Generalsekretär, gegenüber dem „vorwärts“: „Der Besuch von Olaf Scholz, Emmanuel Macron, Mario Draghi und Klaus Johannis kam genau zur richtigen Zeit. Er hat klare und konkrete Ergebnisse gebracht.“ Auf Twitter kommentierte der SPD-Bundestagsabgeordnete und Beauftragte der Bundesregierung für weltweite Religions- und Weltanschauungsfreiheit, Frank Schwabe: „Der EU-Beitrittsstatus wäre ein klares Signal der europäischen Geschlossenheit gegen ein aggressives Russland. Olaf Scholz hat es richtig gemacht. Sein Besuch ist substanziell.“

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Kommentare

„Die Ukraine gehört zur europäischen Familie" –

wie Polen und Ungarn, gegen deren illiberalen Politiken die EU klagt? Wie, wenn es nach dem EU-Programm Östliche Partnerschaft ginge, bald auch Georgien und Aserbeidschan, die bekanntlich besonders zentrale europäische Staaten sind? Immerhin, so das vorherrschende Narrativ, verteidigt das neue Familienmitglied Europas Freiheit und Werte in einem von Putin angezettelten blutigen Krieg, in dem „sich die Ukrainerinnen und Ukrainer (bewundernswert) zur Wehr setzen“, angefeuert von der Außenlinie durch unsere Wortgewaltigen, die sich selbst und unsere Regierung nicht genug unter öffentlichen Druck setzen können, um die materiellen Voraussetzungen bereitzustellen, damit die Ukraine den Krieg siegreich beenden kann.
Scholz versuchte mit seinem Besuch, dem öffentlichen und politischen Druck zu begegnen. Ob ihm das gelungen, sein „Besuch genau zum richtigen Zeitpunkt“ erfolgt und „substanziell ist“ – immerhin wurde er in Presse und Fernsehen nicht völlig zerrissen; Selenskyj hat ihm sogar die Hand gegeben und nicht gemaßregelt.

Europäer

Ja das ist eine Definitionssache wer sowas ist und für mich sind Russländische Menschen auch Europäer, auch die Kalmüken ! Die Berichterstattung über den Besuch von Scholz, Macron und Draghi entspricht dem westlichen Narrativ, aber trotzdem hoffe ich, daß "hinter den Kulissen" Gespräche zur Deeskalation, Waffenruhe, Frieden etc. verabredet wurden. Die Gewaltspirale darf nicht weitergedreht werden im Interesse von uns Allen und vor allem im Interesse der Ukrainer und Russen, die direkt im Kugelhagel stehen.

„Werden weiter Waffen liefern.“

Bestünde die Möglichkeit, eine atomare Weltmacht militärisch zu besiegen, rechtfertigte der Putin-Krieg einen solchen Versuch – die Möglichkeit besteht aber nicht, was immer unsere Wortgewaltigen in Wissenschaft, Politik und Presse auch behaupten.
Gäbe es die Aussicht, die konventionelle Armee der Russischen Föderation durch die ukrainische besiegen zu können, sollten wir der Ukraine dabei helfen - bekanntlich kämpft sie ja für unsere Sicherheit und Freiheit (?). (Militärische Experten sind sich nicht einig, ob eine solche Möglichkeit besteht, was immer auch unsere Röttgens und Strack-Zimmermanns behaupten.) Zentrale Voraussetzung für Waffenlieferungen muss aber sein, dass sie nicht das Eskalationspotential der russischen Armee ausreizen: Noch verlangen unsere Wortgewaltigen nicht, was Radoslaw Sikorski, ehemaliger polnischer Außenminister, - von unserer Presse kaum wahrgenommen - will, nämlich der Ukraine Atomwaffen zur Selbstverteidigung liefern (Varwick bei Maischberger).

Zu unser aller Glück scheint Olaf Scholz diese Skrupel zu haben - und er wäre an der falschen Stelle, wenn nicht. Ich hoffe, er hat Selenskyj auf die Grenze für Waffenlieferungen hingewiesen!

Ukraine-Krieg

"Die ukraine gehört zu Europa"---Russland aber auch !
Wenn man die Bevölkerung befragen würde, gäbe es den Krieg nicht !

Ich glaube Putin hat Paralyse.

Kriegswahnsinn

Jeder spielt seine Moeglichkeiten aus. Putin sein Militaer, die Westmaechte ihre Investment-Broker. Obwohl lange bekannt ist welche Zerstoerung der Finanzmarkt "ungestraft" hervorruft, sind die Politiker nicht bereit diese Verbrecher einzusperren. Enorme Schulden werden einfach in eine "Bad bank" verschoben. Der Wahnsinn könnte nicht groeßer sein.
WARUM SOLLTE PUTIN NICHT SEINE SPIELCHEN TREIBEN.
Jeder nach seinen Moeglichkeiten.
Der Chinese hat vor längerer Zeit seine aus dem Ruder gelaufene Finanzbranche reihenweise gekoepft.
Eine besonders wirksame Moeglichkeit die Finanzbranche in den Griff zu bekommen.
Wenn man nicht so radikal vorgehen moechte, dann sollte man jede Finanztransaktion mit einer Steuer belegen. Das waere das Wenigste. ( Wie es Richard David Precht bereits vorgeschlagen hat)
Uebrigens hat die Ukraine es seit ca. 28 Jahren versaeumt sich mit dem Russen ins Benehmen zu setzen. Das Einzige was mir in dieser Zeit aufgefallen ist, waren Forderungen nach immer billigerem Gas und Oel. Zusammen mit Russland haetten sie wie die Made im Speck leben koennen. Stattdessen haben sie bei jeder Gelegenheit an ihrer Hassschraube gegen Russland gedreht.

„... genau zur richtigen Zeit -1

kam das klare Votum der vier Staats- und Regierungschefs für die Erteilung des EU-Beitrittskandidatenstatus“ zugunsten der Ukraine. Mützenich nennt es „Aussage (mit) historischer Bedeutung“, dass ein Prozess (vielleicht) in Gang gesetzt wurde, der möglicherweise in 5, 10, 20 oder mehr Jahren in einer EU-Mitgliedschaft endet, vorausgesetzt, es gelingt der Ukraine „zum Beispiel institutionelle Stabilität, funktionierende Marktwirtschaft und Rechtsstaatlichkeit“ (Barley) vorzuweisen und der EU, sich so zu reformieren, dass sie die Ukraine verkraften kann. Berücksichtigt man die Vorgeschichte der russischen Aggression, scheint die Aufnahme der Ukraine in die EU keine sehr weise Entscheidung zu sein, vielmehr „eine Ansage an Putin“. Eine Perspektive auf Frieden haben Scholz und seine Begleiter nicht mitgebracht. (Soweit bekannt.)

Unsere Wortgewaltigen, die Röttgens und Strack-Zimmermanns, gehen in jede Talkshow mit der beredten Gewissheit (und in vielen Variationen), „mit Putin ... kann man nicht verhandeln. Man muss seine Macht eindämmen. So schnell, so weit es nur geht“ (Stöcker/Spiegel.de).

„... genau zur richtigen Zeit“-2

„Putin versteht nur die Sprache der Macht“, darum schaffen wir Frieden mit ungebremsten Waffenlieferungen an die Ukraine zuzüglich einigen damit verbundenen aber hinzunehmenden Einschränkungen, weil die nichts sind im Vergleich zu dem, was uns in Europa droht, wenn Putin in der Ukraine gewinnt (Frau Dunz/Presseclub). Basta! Dass unsere Sanktionen inzwischen „Züge eines indirekt geführten Welt(wirtschafts)kriegs“ (W. Zellner/Blätter 6´22) angenommen haben – Kollateralschäden.

Frau Baerbock will „diesen historischen Moment nutzen und der Ukraine deutlich machen: Ihr gehört mitten in die Europäische Union“. Obwohl das Bild etwas an „Stolperdraht-Logik“ erinnert, weist es doch auf den Kern der russischen Aggression, „den Wunsch, die globale Vormachtstellung der USA zu brechen“ (Zellner), aber „kein Mittel gegen diese Machtprojektion (Nato-Osterweiterung, EU-Osterweiterung) zu finden und wie ein Spielball des Westens dazustehen“ (B. Greiner/Blätter 6´22).

„... genau zur richtigen Zeit“-3

So verstanden, führt Putin „einen Krieg gegen den Westen auf ukrainischem Gebiet“ und wird ihn „so lange weiter eskalieren, bis ... Washington die russischen geopolitischen Belange, (die die USA) 30 Jahre lang ignoriert haben“, ernst nimmt (T. Stanovaya/Spiegel).
Für diese Sichtweise spricht der russische Entwurf einer europäischen Friedensordnung vom 17.12.21, übergeben den USA und der Nato. Er enthielt „Forderungen, die nicht akzeptabel“ (Zellner/ Blätter 4´22) waren; USA und Nato haben nicht einmal darüber verhandeln wollen.

Es ist zu befürchten, dass nur Verhandlungen zwischen den USA und der Russischen Föderation das Morden in der Ukraine beenden können. Die kämen jetzt „genau zur richtigen Zeit“.