US-Kongresswahlen

Niels Annen: „Ein Rückschlag für Trump, keine Niederlage"

Johanna Schmeller07. November 2018
Niels Annen ist außenpolitischer Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion.
Niels Annen ist außenpolitischer Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion. Den Prozess gegen Peter Steudtner nennt er „politisch motiviert“.
„Mid-Terms“, so heißen die Kongresswahlen in der Mitte der Amtszeit des US-Staatspräsidenten. Dabei stellt sich heraus, ob der Präsident der Vereinigten Staaten mit dem Rückenwind seiner eigenen Partei regieren kann. Niels Annen, Staatsminister im Auswärtigen Amt, wertet das Ergebnis als Teilerfolg der Demokraten.

Staatsminister Annen, wie würden Sie das außenpolitische Verhältnis zwischen den USA und der Bundesrepublik beschreiben, und welchen Anteil daran hat Donald Trump als Person?

Niels Annen: Das Verhältnis ist derzeit strapaziert. Der Politikstil von Donald Trump ist persönlich, sehr konfrontativ und disruptiv. Es werden bestimmte Parameter der Partnerschaft offen infrage gestellt.

Die größte Herausforderung besteht für uns darin, dass wir diese Partnerschaft aus eigenem Interesse erhalten wollen, gleichzeitig aber sehen, dass sich die Vereinigten Staaten erstmals auch gegen deutsche Interessen stellen – etwa wenn es um die Frage von Strafzöllen geht, oder beim Iran-Abkommen, das unsere Sicherheitsinteressen betrifft. Die Situation ist angespannt, aber wir können damit umgehen.

In den Midterms haben die Demokraten das Repräsentantenhaus erobert. Was bedeutet das politisch?

Das ist – mit einigen Abstrichen – ein großer Erfolg für die Demokraten. Die Hoffnungen auf eine Mehrheit im Senat haben sich nicht erfüllt. Auch bei einigen Gouverneursposten sind die Bäume nicht in den Himmel gewachsen. Trotzdem verändert es das politische Leben in Washington. Es gibt keine Möglichkeit mehr für den Präsidenten, durchzuregieren. Die klassischen Kontrollmechanismen, die Checks-and-Balances – eine Stärke des amerikanischen Systems, der US-Demokratie – werden deutlicher zutage treten.

Ich wäre aber zurückhaltend, ob sich das auf die Außenpolitik auswirkt. Das Repräsentantenhaus, das jetzt von Demokraten geführt wird, ist in innenpolitischen Fragen bedeutsamer. Der Senat ist außenpolitisch wichtiger. Es könnte sein, dass sich der Präsident, nachdem er durch dieses Wahlergebnis innenpolitisch zu mehr Rücksichtnahme gezwungen wird, sogar noch mehr auf den außenpolitischen Bereich konzentrieren könnte.

Warum ist es den Demokraten gelungen, 23 Sitze im Repräsentantenhaus zu holen, aber nicht im Senat?

Im US-Wahlsystem wird alle zwei Jahre ein Drittel des Senats gewählt. Bei dieser Wahl mussten sich vor allem demokratische Amtsinhaber verteidigen, die zum Teil mit der großen Obama-Welle auch in eher konservativen Staaten Senatssitze gewinnen konnten. Das ist nicht überall gelungen. Im Repräsentantenhaus ist es etwas anders. Doch auch dort bevorzugt das Wahlsystem – durch den Zuschnitt der Wahlkreise – eindeutig die Republikaner. Deshalb war bis zum Schluss nicht klar, ob das Ergebnis ausreichen würde, um die tatsächlichen Mehrheitsverhältnisse zu verändern. Das ist den Demokraten gelungen.

Wurde Donald Trump durch diesen Erfolg abgestraft?

Ich werte das als Rückschlag für die republikanische Partei und für den Präsidenten, aber nicht als krachende Niederlage. Die US-Demokratie hat sich insoweit bewährt, als sie nun mit einer oppositionellen Kontrolle des Repräsentantenhauses eine wichtige Veränderung vorgenommen hat. Aber das Land ist auch hochgradig polarisiert. Es ist Donald Trump durch eine weitere Zuspitzung der Auseinandersetzung gelungen, den Kern seiner Basis erneut zu mobilisieren. Das hat in einigen Bundesstaaten dazu geführt, dass er seine Position verteidigen konnte. Insgesamt ist also heute ein guter Tag für die Demokraten – aber keine eindeutige Niederlage für den Präsidenten.

Ist mit einer Neuausrichtung der US-Außenpolitik zu rechnen?

Ich rechne damit, dass sich die neuen Mehrheitsverhältnisse im Repräsentantenhaus vor allem auf die Innenpolitik auswirken. Die Russlandfrage, die sehr stark in die Innenpolitik hineinspielt, wird vermutlich eine gößere Rolle spielen.

Möglicherweise kann man auch bei internationalen Verträgen auf mäßigende Stimmen hoffen. Aber im Kern war die Wahl innenpolitisch – insofern können wir in Hinblick auf eine außenpolitische Neuorientierung nicht zu viel erwarten.

Kommentare

Der ständige bange Blick nach Amerika

Es wird Zeit, dass Deutschland bzw. die EU erwachsen werden und sich emanzipieren. Deutschland und die EU liegen in Eurasien. Es wird daher Zeit für eine neue eurasische Bündnispolitik. Die USA hat ihr gutes Recht, ihre eigenen Interessen zu verfolgen. Das gleiche Recht gilt aber auch für Deutschland und Europa. Eine ausgewogene Sicherheits- und Wirtschaftspolitik mit Russland, China, Indien und Iran ist für uns unabdingbar. Nur wenn in Eurasien Frieden herrscht, sich die verschiedenen Wirtschaftsmächte gegenseitig mit Respekt begegnen, kann der Wohlstand in Eurasien für alle gesichert und gemehrt werden. Lasst uns daher mutig neue Bündnisse eingehen. Was geschieht, wenn wir das Gegenteil verfolgen, haben die beiden Weltkriege im letzten Jahrhundert hinreichend bewiesen. Die Sanktionen gegen Russland und den Iran sind hierbei ein erheblicher Rückschritt. Sanktionen führen zur Spaltung. Wir benötigen aber ein kooperierendes Eurasien. Lasst uns daher die Chancen Eurasiens nutzen, ohne dabei die USA völlig vor den Kopf zu stoßen. Lasst uns die Chance eines friedlichen prosperierenden Eurasiens nutzen. Lasst uns aus der Geschichte lernen.

Richtig !

Die deutsche internationale Wirtschaftpolitik muss vielfältig sein um einseitige Abhängigkeiten zu mindern. Deutschland darf sich seine Wirtschaftspolitik nicht von den USA vorschreiben lassen (das wusste schon Helmut Schmidt 1975 bei Erdgasröhrengeschäft). Die Anmaßungen und Sanktionsdrohnugen der USAdministration sind aufs Schärfste zurückzuweisen. Nun wissen wir ja alle, daß Niels Annen ein Transatlantiker ist, ob von ihm und seinesgleichen eine solche Politik umgesetzt wird ? Das Problem ist nicht "Trump", das Problem sind von jeher der Exceptionalismus (eine Form des Chauvinismus) der USA - auch wenn da Obama, Clinton o.ä. die Regierung stellen. Trump ist nur rumpelfüßiger als die anderen, in der Sache sind sie sich gleich. Trotz alledem dürfen wir die Solidarität mit der Mehrheit der Menschen in den USA nicht vergessen. Also, bei aller berechtigten Kritik, Rußland hat nicht so ein dubioses Wahlsystem wie die USA.