Italienische Sozialdemokraten

Neuer PD-Vorsitz: „Wir brauchen jetzt eine profilierte und anerkannte Führungsfigur.“

Kai Doering12. März 2021
Vor der Rückkehr? Enrico Letta (hier im Dezember 2013) könnte neuer Vorsitzender der Partito Democratico werden.
Vor der Rückkehr? Enrico Letta (hier im Dezember 2013) könnte neuer Vorsitzender der Partito Democratico werden.
Nach dem überraschenden Rücktritt von Nicola Zingaretti wählt die Partito Democratico am Wochenende einen neuen Vorsitzenden. Als Favorit gilt der frühere italienische Ministerpräsident Enrico Letta. Was von ihm zu erwarten ist, sagt der Vorsitzende der PD Berlin und Brandenburg, Federico Quadrelli.

In der vergangenen Woche ist der Vorsitzende der „Partito Democratico“, Nicola Zingaretti, zurückgetreten. Auf Facebook schrieb er, er „schäme“ sich für seine Partei. Was ist da passiert?

Der Schock nach Zingarettis Rücktritt sitzt tief. Er hat seine Entscheidung mit niemandem vorher besprochen. Sie kam also für alle sehr überraschend. Um die Hintergründe zu verstehen, muss man sich ein bisschen mit dem Wesen der PD auseinandersetzen. Sie ist ja keine Partei wie etwa die SPD, sondern ein eher schwammiger Zusammenschluss aus ganz unterschiedlichen Gruppen und Strömungen. Nicola Zingaretti hat versucht, diese zusammenzuhalten und auch Reformen anzustoßen, um der Partei eine einheitlichere Struktur zu geben. Im Vorstand der PD wurde in den vergangenen Monaten jede Abstimmung einstimmig angenommen – auch die zur Bildung der neuen Regierung von Mario Draghi. Allerdings haben sich die Vertreter der verschiedenen Gruppen direkt danach hingestellt und sich von den Beschlüssen distanziert. Diese Situation konnte Nicola Zingaretti nicht länger ertragen und hat deshalb die Konsequenzen gezogen.

Erst vor kurzem hat die neue Regierung unter Mario Draghi ihre Arbeit aufgenommen, was auch ein Verdient von Nicola Zingaretti war, der die PD an die Fünf-Sterne-Bewegung herangeführt hat. Was bedeutet sein Rücktritt für das Bündnis?

Das muss sich zeigen. Das Auseinanderbrechen der Regierung nach dem Rückzug der Partei „Italia viva“ von Matteo Renzi war sicher eine Bürde. Nicola Zingaretti hat alles versucht, die PD und die Fünf-Sterne-Bewegung gemeinsam in einer Regierung zu halten. Unter seiner Führung lag die PD in den Umfragen auch konstant bei 20 Prozent der Stimmen. Nach seinem Rücktritt ist sie abgestürzt. Unabhängig von Zingarettis Rücktritt glaube ich aber kaum, dass die neue Regierung länger als ein Jahr halten wird.

Fürchten Sie eine weitere Spaltung der PD, nachdem ja Matteo Renzi bereits 2019 eine eigene Partei gegründet hat?

Ich glaube nicht, dass es zu einer weiteren Abspaltung kommen wird. Die PD braucht aber eine Klärung, wofür sie eigentlich stehen will. Die Gruppe um Zingaretti repräsentiert eine progressive, linke, sozialdemokratisch orientierte Linie. Zu ihr zählt auch Peppe Provenzano. Er ist ehemaliger Minister, 38 Jahre alt und repräsentiert eine genuin linke Position in der PD. Ich denke, er kann eine wichtige Rolle in der Zukunft der Partei spielen.

Der frühere Ministerpräsident Enrico Letta scheint Favorit für den PD-Vorsitz zu sein. Meinen Sie, ihm wird es gelingen, die Partei zu einen?

Ich bin recht optimistisch. Enrico Letta hat ein tolles Profil und ich habe ihn immer respektiert. Er bringt sehr viel Erfahrung mit, sowohl in der Partei als auch in Regierungsverantwortung. Allerdings war er nun einige Jahre im Ausland und ist vielleicht nicht ganz auf dem aktuellen Stand über die Diskussionen innerhalb der PD, aber das ist eher ein Detail. Er hat auch eine hohe Sensibilität für soziale Themen, was die PD sehr gut gebrauchen kann. Wenn Enrico Letta sagt, dass er bereit ist, Vorsitzender zu werden, werde ich ihn unterstützen.

Wäre Letta ein Vorsitzender für den Übergang oder doch eine dauerhafte Lösung?

Wir können Enrico Letta jetzt für zwei Jahre wählen, also bis Anfang 2023. Das ist aus meiner Sicht auch das Mindeste. Manche in der Partei wollen ihn nur für ein paar Monate wählen, um dann einen richtigen Parteitag abhalten zu können. Das halte ich für einen Fehler. Wir brauchen jetzt eine profilierte und anerkannte Führungsfigur – auch mit Blick auf die Parlamentswahlen, die schneller stattfinden könnten als wir heute erwarten.

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PD

Der traurige Überrest der einst großen PCI und ihrer Bündnispartner. Viel ist nicht geblieben von den linken Inhalten und der linken Programmatik nach 20 Jahren in der neoliberalen Spirale. Ein Irrweg, den die SPD leider auch noch nicht verlassen hat.