
Wie geht es der SPD in Hessen?
Die SPD in Hessen ist sehr stabil aufgestellt. Wir haben einen sehr solidarischen Umgang miteinander, was ich als eine echte Stärke sehe. Auf dem Landesparteitag Anfang November haben wir so auch wichtige Entscheidungen für unsere zukünftige Arbeit treffen und neue Schwerpunkte setzen können.
Welche sind das?
Im Vordergrund steht natürlich die soziale Sicherheit. Wir wollen einen hessischen Mindestlohn in Höhe von 13 Euro. Wir wollen, dass das Land viel stärker als bisher in Erneuerbare Energien investiert und ein Plastikverbot durchsetzt. Und wir wollen gemeinsam mit der Zivilgesellschaft eine Stiftung gründen, um die politische Bildung zu verbessern und damit wirksam gegen Rechtsextremismus vorzugehen und Opfern von Übergriffen schnell und unbürokratisch zu helfen.
Sie haben den Landesverband von Thorsten Schäfer-Gümbel übernommen, der die hessische SPD zehn Jahre geführt hat. Was wollen Sie anders machen als ihr Vorgänger?
Ich möchte, dass wir uns noch stärker als bisher an den Alltagsthemen und Alltagserfahrungen der Menschen orientieren. Mir persönlich hilft dabei sicherlich, dass ich in der Kommunalpolitik groß geworden bin. Seit 1993 bin ich Mitglied des Kreistages im Main-Taunus-Kreis, seit 1996 Vorsitzende meines Ortsvereins. In den nächsten Wochen, Monaten und Jahren will ich viel raus ins Land, um mit den Menschen über unsere neuen Ideen zu reden und um zu hören, was sie beschäftigt. Sie sollen wieder wissen, dass sie bei der SPD sozial sicher sind. Dabei geht es um Fragen bezahlbarer Wohnungen oder auskömmlicher Renten. Aber es gibt auch eine Sehnsucht danach, dass der Staat innere Sicherheit gewährleistet.
Thorsten Schäfer-Gümbel bezeichnet Sie als „Menschensammlerin“. Sehen Sie sich selbst auch so?
Ich glaube an den unmittelbaren Kontakt. Wenn wir als SPD Glaubwürdigkeit zurückgewinnen wollen, ist es wichtig, dass die Menschen sehen, dass da jemand ist, der sich ihre Sorgen und Probleme anhört, sie aufnimmt und konkrete politische Lösungen erarbeitet. Gerade vor dem Hintergrund des sich ausbreitentenden Rechtspopulismus und Rechtsextremismus müssen wir neue Formen der Solidarität in der Gesellschaft schaffen.
Die Energie- und die Verkehrswende hat auf dem Landesparteitag eine große Rolle gespielt. Nicht umsonst stand er unter dem Motto „Mutig. Sozial. Ökologisch. Gerecht.“ Soll das das neue Profil der hessischen SPD werden?
Im Landtagswahlkampf im vergangenen Jahr haben wir uns auf die Themen Bildungsgerechtigkeit, Mobilität in Stadt und Land und die Schaffung von bezahlbarem Wohnraum konzentriert. Das war auch richtig! Ich möchte unser Profil um soziale Themen weiten. Wir fordern deshalb 13 Euro Mindestlohn, weil man von der aktuellen Summe in der Rente nicht gut leben kann. Ich mache mir aber auch sehr große Sorgen um unsere Umwelt. Mein Sohn ist jetzt vier Jahre alt und ich denke oft darüber nach, in was für einer Welt er einmal leben wird. Wir Sozialdemokraten sind die einzigen, die den Kampf gegen den Klimawandel sozial gerecht gestalten können – davon bin ich fest überzeugt.
Von dem Satz, die SPD dürfe „nicht grüner als die Grünen“ sein, halten Sie also nichts?
Nein. Das ist völliger Unsinn. Es geht darum, die Umwelt- und Klimapolitik gerecht und solidarisch zu gestalten und das kann keine andere Partei als die SPD.
Sie sind profilierte Innenpolitikerin und waren Obfrau der SPD-Fraktion im hessischen NSU-Untersuchungsausschuss. Das Bundesland war zuletzt immer wieder im Fadenkreuz des Rechtsterrorismus. Warum gerade Hessen?
Die Bedrohung von rechts ist leider in ganz Deutschland ein zunehmendes Problem. In Hessen hat uns das sehr betroffen, als der Regierungspräsident von Kassel, Walter Lübcke, erschossen wurde. Auch der NSU hat in Kassel gemordet. Diese beiden Ereignisse haben Hessen aufgerüttelt und sind eine besondere Verpflichtung für einen ganz entschiedenen Kampf gegen den Rechtsextremismus. Dazu zählt für mich auch Prävention, die mit politischer Bildung und Demokratieerziehung bereits in der Kita beginnen muss.
War das auch der Grund für Sie, eine Stiftung ins Leben zu rufen, die ja auch an die Opfer des NSU erinnern soll?
Ja, natürlich. Ich war, wie schon gesagt, viereinhalb Jahre lang Obfrau der SPD im NSU-Untersuchungsausschuss. Für uns war immer die Frage, wie es nach der Ausschussarbeit weitergeht, denn wir konnten ja bei weitem nicht alles aufklären. Also: Was können wir tun, um den Familien der Opfer wirklich gerecht zu werden? Wie kann weiter aufgeklärt werden, was noch im Dunkeln liegt? Und wie können wir dafür sorgen, dass sich so etwas nicht wiederholt? Für diese Fragen hat die hessische SPD schon vor einiger Zeit einen „Runden Tisch NSU“ ins Leben gerufen, an dem Beteiligte der Zivilgesellschaft sitzen, aber auch einige Journalisten, die die Aufklärung des NSU mit betrieben haben. Meine Idee einer Stiftung zur weiteren Aufklärung, aber vor allem für politische Bildung und unbürokratischen Opferschutz wurde dort sehr positiv aufgenommen. Deshalb wollen wir sie nun mit einem Antrag im Landtag auf den Weg bringen.