Zeichen für Toleranz

Nancy Faeser gegen die große Angst vor der Regenbogenflagge

Benedikt Dittrich14. April 2022
In Berlin längst Normalität: Die Regenbogenflagge vor dem Roten Rathaus.
In Berlin längst Normalität: Die Regenbogenflagge vor dem Roten Rathaus.
Künftig darf auch die Regenbogenflagge vor Bundesministerien wehen – zu Anlässen wie dem „Christopher Street Day“. So hat es Bundesinnenministerin Nancy Faeser entschieden. Die konservative Empörung darüber ist bezeichnend – und peinlich.

Es ist schon bemerkenswert, wie sehr sich Konservative und Rechtsextreme seit Amtsantritt an Bundesinnenministerin Nancy Faeser abarbeiten. Der neueste Aufreger: Ihr Erlass, dass vor Bundesgebäuden künftig, zu bestimmten Anlässen, auch die Regenbogenflagge wehen darf.

Da ist vom Neutralitäts-Gebot des Staates die Rede, von „Deutschlandfeindlichkeit“ bis hin zur „Regenbogendiktatur“ – kurz: Mit einem Regenbogen vor der Tür droht der Untergang des Abendlandes. Die Flagge als Speerspitze einer vermeintlich linksradikalen Ideologie, vermischt mit Kritik am Selbstbestimmungsgesetz und instrumentalisiert für eine Debatte, die von gespielter Empörung bis zu reaktionären Gesellschaftsbildern reicht. Es ist schon peinlich dass sich einige an einer solchen Verordnung, die zu nichts verpflichtet, aber ein wichtiges Zeichen ist, so abarbeiten. Schlimmer ist, dass die Empörung mit der Realität auch nicht viel zu tun hat.

Denn im Grunde hat die SPD-Innenministerin mit diesem Erlass lediglich etwas schwarz auf weiß festgehalten, was längst Normalität ist: dass der Staat sich mit Bewegungen, die sich für die Freiheit und Demokratie, gegen Gewalt und Diskriminierung einsetzen, symbolisch solidarisieren kann. Für Werte einsetzen darf, die im Grundgesetz verankert sind.

Vielfalt und Toleranz – eine Selbstverständlichkeit

Denn für nichts anderes steht die Regenbogenflagge: für die Freiheit und Toleranz gegenüber allen Menschen, gegen Diskriminierung von Menschen aufgrund ihres Geschlechts, ihrer sexuellen Orientierung oder anderer Aspekte der eigenen Identität. Der Regenbogen ist Symbol einer gelebten Vielfalt, die in einer demokratischen Gesellschaft selbstverständlich sein sollte, es aber leider noch lange nicht ist.

Der Regenbogen war zunächst die Flagge des Friedens, später machten sich Schwule, Lesben und bisexuelle Menschen das Symbol zu eigen, inzwischen versammeln sich darunter Menschen jeglicher sexueller Orientierung und Identität, von Queer- über Trans- bis hin zu Intersexualität. Hinter diesen Begriffen stehen Menschen, die immer noch unter Verfolgung und Diskriminierung leiden, deren Rechte marginalisiert werden, deren Lebensweise als „falsch“ bewertet wird. Es gibt weiterhin Länder auf der Welt, in denen Homosexualität als Krankheit gilt, wo Menschen eingesperrt werden, weil sie sich nicht vorschreiben lassen wollen, wen und wie sie lieben dürfen. Auch in Deutschland gehören Gewalt, verbale Attacken und Übegriffe für diese Menschen zum Alltag.

Über den veralteten Flaggenerlass haben sich in der Vergangenheit übrigens schon viele Minister*innen und Ministerien hinweggesetzt und den Regenbogen aller konservativer Empörung zum Trotz an der Fahnenstange in den Himmel gezogen. Dass dadurch nicht über Nacht Diskriminierung, Intoleranz und Hass verschwunden sind, versteht sich von selbst. Aber Aufmerksamkeit wurde damit immerhin immer wieder erzeugt.

Der Regenbogen verdrängt Schwarz-Rot-Gold nicht

Dass in diesen Wochen die Flagge der Ukraine vor den Rathäusern wehte, stellt zum Glück niemand infrage – im Gegenteil: blau-gelb beflaggte Verwaltungsgebäude gelten mithin als das Mindeste, was vom deutschen Staat erwartet werden kann, um sich mit der Regierung und der Bevölkerung in der vom Krieg erschütterten Ukraine zu solidarisieren. Das hat natürlich eine andere Dimension, in der Ukraine wehren sich Menschen gegen die russische Invasion, kämpfen um ihr Leben, sterben im Bombenhagel in ihren Häusern. Doch der Vergleich zeigt, wie lächerlich es ist, aufgrund einer anderen Flagge vor einem Verwaltungsgebäude den Untergang der schwarz-rot-goldenen Bundesrepublik zu beschwören.

Über Jahrzehnte prallte die Debatte um die Regenbogenflagge am konservativ geführten Bundesinnenministerium ab, von Wolfgang Schäuble über Thomas de Maiziére (beide CDU) bis hin zu Hans-Peter Friedrich und zuletzt Horst Seehofer (beide CSU) fasste niemand den Flaggenerlass an, während sich außerhalb des Ministeriums die Gesellschaft veränderte. Es ist gut, dass Nancy Faeser diese Wände nun einreißt, mit der sich ihre Vorgänger Stück für Stück eingemauert hatten.

Der nächste bundesweite Anlass zum hissen der Regenbogenflagge wäre übrigens der Internationale Tag gegen Homo-, Bi-, Inter- und Transphobie (IDAHOBIT) am 17. Mai.

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Kommentare

Ganz wichtig

Da wird sich mal wieder an der Regenbogenfahne und dem LPG++++++++ abgearbeitet und die SPD kommt sich mal wieder fortschrittlich vor. Ist ja auch allees ok solange die sozialen Bedürfnisse ALLER Menschen berücksichtigt werden.

Regenbogenflagge

zu "Ganz wichtig" von Armin Christ

Was soll denn das eine mit dem anderen zu tun haben? Keines nimmt dem anderen etwas weg. Es sollen queeren Menschen allerdings die gleichen Lebensbedingungen gegeben werden, die ihnen noch immer vorenthalten werden

Regenbogenflagge

Wenn es um die Werte geht, die im Grundgesetz festgeschrieben sind, dann stellt sich doch die Frage, warum schwarz-rot-gold nicht als Symbol ausreicht?
Und ich empfinde es als ärgerlich, wenn politische Streitfragen nicht mit Argumenten ausgetragen werden sondern durch Etiketttierungen „Konservative und Rechtsextremisten“ arbeiten sich am Thema ab.
Das Problem ist, dass die Regenbogenfahne als Symbol spaltet.

Regenbogenflagge

Die Deutschlandfahne steht für die Kleinstaaterei hin zum größeren Staat. Die Regenbogenflagge steht für die Struktur unseres Staates, das Grundgesetz, für die Freiheit, in Vielfalt leben zu können. Das drückt die Regenbogenflagge mit ihrer Grenzen überschreitenden Farbpalette im Gegensatz zur sich abgrenzenden
blossen deutschen Nationalflagge aus.