SPD-Vorsitz

Nach Nahles-Rücktritt: Basis-Initiative fordert Mitgliederbefragung für SPD-Vorsitz

Jonas Jordan03. Juni 2019
Bislang wurden SPD-Vorsitzende immer auf Parteitagen gewählt. Nun fordert die Initiative SPD Plus Plus eine Mitgliederbefragung.
Bislang wurden SPD-Vorsitzende immer auf Parteitagen gewählt. Nun fordert die Initiative SPD Plus Plus eine Mitgliederbefragung.
Nach dem Rücktritt von Andrea Nahles fordert die Initiative SPD Plus Plus ein offenes Verfahren und eine Mitgliederbefragung für den SPD-Vorsitz. Einen entsprechenden Aufruf haben seit Sonntag mehrere hundert Personen unterzeichnet.

„Es ist die Stunde Null“, heißt es auf der Homepage von SPD Plus Plus, einer Initiative, die die SPD strukturell erneuern möchte. „Man muss überlegen, wie man im 21. Jahrhundertin einer zukunftsfähigen Partei Leute aufstellen kann, wie man das Potenzial, das in der SPD da ist, zeigen und vernünftig einbinden. Dafür braucht es Transparenz und ein offenes Verfahren“, forderte Henning Tillmann, einer der Mitbegründer von SPD Plus Plus und Sprecher des SPD-nahen Digitalvereins D64, am Sonntag im Interview mit dem ZDF.

„Spannende Mitglieder zeigen

Auf ihrer Homepage fordert SPD Plus Plus eine Mitgliederbefragung. Den entsprechenden Aufruf der Initiative haben seit Sonntag bereits mehrere hundert Personen aus ganz Deutschland unterzeichnet. Bereits etwa eineinhalb Stunden nach Andrea Nahles' Ankündigung war der Aufruf online. Darin heißt es unter anderem: „Das ist ein Moment, der nicht mit Gelerntem und althergebrachten Ritualen vergehen darf. In dem nicht Hinterzimmer und die, die am längsten dabei sind, entscheiden, was passiert. Wir brauchen stattdessen einen Moment der Befreiung vom Alten.“

Nur ein offenes Verfahren ermögliche es, dass neue Leute ihre Ideen und Visionen präsentieren könnten. Zudem werde ein offenes Verfahren aufzeigen, „welche spannenden Mitglieder die SPD hat und welche Kompetenz in der Partei steckt“. Auch erhofft sich die Initiative eine höhere Legitimation der künftigen Parteiführung durch eine Mitgliederbefragung. Zugleich könne ein offenes Verfahren der Anfang sein „für neue politische Inhalte, Projekte, Ziele, Visionen und Programme sowie langfristige Strukturänderungen, die Innovation und Legitimation schaffen“.

Urwahl bislang nicht vorgesehen

Im Organisationsstatut der SPD ist eine Urwahl des Parteichefs bislang nicht vorgesehen. Nur bei der Bestimmung des Kanzlerkandidaten kann die Basis unmittelbar an Personalentscheidungen auf höchster Ebene mitentscheiden. Ansonsten sehen die Parteiregeln Mitgliedbefragungen nur für Sachfragen vor: „Ein Mitgliederentscheid kann den Beschluss eines Organs ändern, aufheben oder einen solchen Beschluss anstelle eines Organs fassen.“ Wollen die Sozialdemokraten ihren Parteichef oder ihre Parteichefin direk per Urwahl bestimmen, müsste also das Statut der SPD geändert werden.

Für Henning Tillmann ist das nicht unbedingt notwendig. Wichtig sei es trotzdem, in einem „offenen und transparenten Verfahren das Votum der Mitglieder einzuholen“, wie er im Gespräch mit dem „vorwärts“ erklärt. „Wichtig ist, dass es eine Auswahl gibt und dass die Mitglieder beispielsweise durch Online-Konferenzen vernünftig beteiligt werden. Wir müssen uns jetzt Zeit nehmen für die Entscheidung. Die SPD sollte sich nicht nur mit sich selbst beschäftigen, aber im Augenblick muss sie es“, fordert Tillmann.

In der jüngeren Geschichte der SPD hat es schon einmal eine Art Urwahl des Parteivorsitzenden gegeben. Im Juni 1993 setzte sich Rudolf Scharping mit einer relativen Mehrheit von 40,3 Prozent der Stimmen gegen Gerhard Schröder (33,2 Prozent) und Heidemarie Wieczorek-Zeul (26,5 Prozent) durch. Die Abstimmung war eine rechtlich unverbindliche Empfehlung der Basis an die Delegierten des darauffolgenden Sonderparteitags. Die wählten Scharping dann offiziell zum Vorsitzenden. Der Pfälzer blieb gut zwei Jahre lang SPD-Chef.

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Kommentare

Vorsicht, Falle

In der aktuellen Situation der SPD ist ein neuer, eventuell sogar demokratisch legitimierter "Heilsbringer" in der sehr unbequemen Obama-Situation.

Wir erinnern uns: der "Yes we can"-Politiker wurde noch bevor er überhaupt irgendwas vorzuweisen hatte allein aufgrund eines unangebrachten Medienhypes sogar mit dem Friedensnobelpreis beschenkt der sich zumindest meiner Meinung nach nicht mit dem drastischen Ausweiten von irregulären Angriffen und Drohnenmorden vereinbaren läßt.
In der Anfangszeit hatte Obama aufgrund der übertriebenen Erwartungshaltungen mein Mitleid.

So wird auch jeder Mensch, der sich den nun vakanten Posten des Aushängeschildes für die politische Bauruine zumuten mag zumindest teilweise mein Mitleid haben.

Wenn die SPD raus aus dem Stimmentief will reicht der Wechsel des Aushängeschildes nicht.
Die SPD muß sich final entscheiden ob sei weiterhin eine zusätzliche und damit überflüssige "neoliberale" Partei sein will oder eine ernsthafte Renaissance als Arbeitnehmer- und Familienpartei durchsetzen will.

Das links blinken, scharf rechts nach Bankfurt abbiegen wie bisher führt nur auf den Weg nach "Unterfünfprozentstadt", egal wer am "Steuer" sitzt.

Vorsicht, Falle

Dieser Meinung schließe ich mich an. Ich bin Mitglied der SPD, weil ich mich mit ihren Grundsätzen Freiheit, Gleichheit, Solidarität verbunden fühle. Nur hat sie sich leider in dieser Koalition mit Leuten wie Dobrindt, Seehofer u.a. zunehmend deren Ideen angenähert und ihre Grundsätze für die Zeit der Wahlprogramme zurückgestellt, wobei die Anhänger einer neoliberalen Politik lieber gleich das Original wählen, womit die SPD das Nachsehen hatte.

Es bleibt nur, eine lange Durststrecke ohne "rechtes Abbiegen nach Bankfurt" zu überwinden, bis die Glaubwürdigkeit wiederhergestellt ist. Dann hat sie auch die Chance, wieder Wahlen zu gewinnen.

Bezeichnend ist, dass ausgerechnet Altmaier heute morgen für eine Weiterführung der Koalition plädiert, der doch stets gegen alle Pläne für eine sozialere Politik gemauert hat. Dies bedeutet doch, dass die Union ihren Machtverlust befürchtet. Auch deshalb sollte Vorsicht vor einer Falle gelten, die bisherigen negativen Erfahrungen sollten eine Lehre sein !!!

Richtungsdebatte vor Personaldebatte !!!

Manuela Schwesig hat es richtig gesagt. Vor einer Urwahl müssen zunächst Vorschläge von der Mitgliederschaft und aus den Gremien kommen. Dies aber nicht nur was Personen anbelangt (niemand dürfte sich um Partei- und Fraktionsvorsitz reißen einer SPD die sich noch in den Fesseln der Groko befindet, nicht einmal Olaf Scholz der dafür mitverantwortlich ist !), sondern endlich was konsistente Inhalte und die künftige Richtung anbelangt !
Sicher dürfte es nicht ganz falsch sein, sehr kurzfristig noch das eine oder andere aus dem Koalitionsvertrag endlich in Gesetz zu gießen, dann aber schleunigst raus aus der Groko, damit die SPD sich neu und glaubhaft sortieren kann !!! Unsere SPD-Alt ist im freien Fall (falls das jemand verdrängt haben sollte !).

Militant democracy by liquid democracy

Die SPD++ soll sich für die SPD, für kostenlose Gastmitgliedschaften weiterentwickeln, damit diese innerhalb des SPD Debattencamps durch Liquid Democracy zeitlich befristet mitwirken können.