Union legt Streit bei

Nahles zu Asylkompromiss: „Ganze Reihe von ungeklärten Fragen“

Fabian Schweyher03. Juli 2018
SPD-Partei- und Fraktionsvorsitzende Andrea Nahles
Andrea Nahles: „Wenn wir uns nicht einem autokratischen System annähern wollen, müssen wir kluge und konstruktive Entscheidungen in Flüchtlingsfragen treffen.“
Nachdem die Union ihren Asylstreit mit einem Kompromiss beigelegt hat, prüft die SPD die Vereinbarung. Parteichefin Andrea Nahles bezeichnete sie als „ungedeckten Scheck“.

Es ist kurz nach Mitternacht als sich SPD-Parteichefin Andrea Nahles und Vizekanzler Olaf Scholz vor dem Bundeskanzleramt der Presse stellen. Beide hatten zuvor am Koalitionsausschuss teilgenommen, bestehend aus den Spitzen von CDU, CSU und SPD. Die Sozialdemokraten wirken erleichtert. Es sei gut, dass sich die Union verständigt habe, sagt die Parteichefin. „Wir finden das deswegen gut, weil wir jetzt wieder auf der Ebene der Sacharbeit sind. Das haben wir in den letzten Wochen schmerzlich vermisst.“ Scholz ergänzt: „Wir sind weg von der Psychologie und wieder bei der Sache.“

Zustimmung offen

In den vergangenen Wochen hatten die Unionsparteien einen erbitterten Streit um die Asylpolitik geführt. Montagnacht legten CDU und CSU den Streit bei. Ihre Vereinbarung sieht vor, Transitzentren für bereits in anderen EU-Ländern registrierte Flüchtlinge an der deutsch-österreichischen Grenze einzurichten. Aus diesen Zentren sollen Asylbewerber in die zuständigen Länder zurückgewiesen werden, heißt es in der Übereinkunft. „Wir haben eine klare Vereinbarung, wie wir die illegale Migration in der Zukunft an den Grenzen zwischen Deutschland und Österreich verhindern“, sagte Seehofer zur Einigung von CDU und CSU.

Dem Plan muss der Koalitionspartner SPD allerdings erst noch zustimmen. „Wir haben eine ganze Reihe von ungeklärten Fragen“, sagte Andrea Nahles am Dienstag nach der Sitzung der SPD-Bundestagsfraktion. Um den Vorschlag umzusetzen, bedürfe es eines Einvernehmens mit Österreich oder Italien. „Beides ist im Moment nicht hergestellt“, sagte sie. „Insoweit bezeichne ich das erst mal als ungedeckten Scheck.“

Begriff abgelehnt

Die Sozialdemokraten fordern eine andere Bezeichnung für die von der Union vorgesehenen Transitzentren für Flüchtlinge. Dabei handele es sich nicht um denselben Sachverhalt und nicht um dieselbe Gruppe wie auf der Höhe des Flüchtlingszuzugs vor drei Jahren, so Nahles. „Deshalb lehnen wir den Begriff auch ab.“

Ebenfalls äußerte sich Parteivize Ralf Stegner: „Die Kriterien für uns sind, dass wir Lösungen finden, die europäische Lösungen sind, die keine nationalen Alleingänge sind, die Menschen nicht schikanieren.“ Im Deutschlandfunk sagte er, dass es auf „vernünftige rechtsstaatliche Verfahren“ ankomme.

Details gefordert

Auf Twitter schrieb Natascha Kohnen, stellvertretende Parteichefin und bayerische Spitzenkandidatin: „Wir prüfen jetzt, was der Unions-'Kompromiss' praktisch bedeutet. Klar ist: Wir wollen offene Binnengrenzen, keine nationalen Alleingänge und keine geschlossenen Lager.“ Die CSU habe immer noch nicht den Handlungsbedarf erklärt. Die Zahl der Geflüchteten sinke.

Der SPD-Innenexperte Burkhard Lischka sagte gegenüber vorwaerts.de: „Vom Bundesinnenminister erwarten wir jetzt, dass er diese Pläne jetzt im Detail konkretisiert und zügig ein entsprechendes Konzept vorlegt. Der Bundesinnenminister muss jetzt endlich Verantwortung übernehmen statt nur nebensächliche Streitigkeiten zu führen.“ Dazu gehöre, dass er endlich die Zuständigkeit für die Rückführung ausreisepflichtiger Gefährder übernimmt. Dafür müsse nicht einmal ein Gesetz geändert werden. Bezüglich der geplanten Transitzentren führte er gegenüber dem Redaktionsnetzwerk Deutschland aus, dass er „mit Expresszentren“ in kleinem Umfang, in denen auf Basis bilateraler Verträge die Asyllage geprüft und dann staatlich gehandelt werde, keine Probleme habe.

Fünf-Punkte-Plan vorgestellt

Erst am Montag hatte der SPD-Parteivorstand einen eigenen Fünf-Punkte-Plan für die Migrationspolitik vorgestellt. In dem Papier mit dem Titel „Miteinander statt Gegeneinander“ heißt es: „Als Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten stehen wir für eine gesamteuropäische Lösung, für ein gemeinsames europäisches Asylsystem und solidarisch geteilte Verantwortung bei der Aufnahme und Versorgung von Flüchtlingen.“

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Kommentare

Begriff abgelehnt?

Aha- es kommt auf die Verpackung an, nicht auf den Inhalt- das ist so Vielsagend, wie alles, was man von der Parteispitze hört.

Ihr seid mal wieder auf dem falschen Gleis unterwegs, wie ist so etwas nur möglich?

Internierungslager

Die Sozialdemokraten fordern eine andere Bezeichnung für die von der Union vorgesehenen Transitzentren für Flüchtlinge. Nennt sie doch WILLKOMMENSZENTREN.

Der Polit-Thriller von CDU

Der Polit-Thriller von CDU/CSU ist ad acta gelegt, das Staatstheather geht in die Sommerferien. Jetzt folgt die SPD mit einer kleinen Komödie, damit es im Sommerloch nicht gar so langweilig wird.

Das Wort Zentrum/Zentren mag ich auch nicht. Wenn schon, denn schon Residenz.

Am besten die SPD beschäftigt sich weiter ausgiebig mit der Vogelschiss-Partei. Auf dem Gebiet ist sie bestens bewandert wie man hier an den zahlreichen Artikel sehen kann.

Keine Diskussionen um Begriffe!

Hat die Parteiführung der SPD immer noch nicht begriffen, dass die sich christlich nennenden Schwesterparteien ihre nicht gelösten Macht- und Führungsprobleme und sonstigen internen Zwistigkeiten bei der SPD abladen wollen? Das ist "Konfliktlösung" auf Kosten Dritter. Sie verkaufen nach mehrmaligem, stundenlangem unwürdigem Gezerre, nicht einmal in gemeinsamen Auftritten ihren sogenannten Kompromiss als große Wende in der Asylpolitik. Auf der Suche nach einem Sündenbock werden die Sozis gleich in dreister Weise beim Volk denunziert, wenn sie diesen unausgegorenen Plänen nicht sofort zustimmen wollen. (Auftritt Klöckner) Zuerst muss das in der Geschichte der Bundesrepublik beispiellose, leider folgenlose Verhalten eines bürgerlichen Innenministers gegenüber einer Kanzlerin(Verfassungsorgan) auch öffentlich im Bundestag zur Sprache kommen. Es stellt sich auch die Frage, ob mit einer so zerrütteten Parteienfamilie eine auf Vertrauen basierende Zusammenarbeit möglich oder zumutbar ist. Es ist Zeit, dass auch Frau Merkel die Vertrauensfrage stellt.

Ende der Union nur aufgeschoben

Es ist deutlich geworden, dass die CSU dabei ist, als seriöse, demokratische Kraft auszufallen. Das Verhalten des Innenministers war inakzeptabel, und inhaltlich liegt er sowieso falsch.

Offene Binnengrenzen sind ein essentieller Bestandteil der europäischen Integration. Sie ohne jede Not aufzugeben, gefährdet ein über Jahrzehnte gewachsenes Friedensprojekt. Damit wird den Bürgern und auch der Wirtschaft geschadet.

Menschen sorgen sich bei Einwanderung und Flüchtlingen vor zusätzlicher Konkurrenz bei Arbeit und Wohnen. Dies sind nachvollziehbare Ängste, die aber in der Arbeitsmarkt- und Wohnungsbaupolitik gelöst werden müssen, nicht bei der Einwanderung. Andere lehnen aus rein kulturellen, letztlich rassistischen Gründen selbst die Aufnahme von Flüchtlingen ab. Dies sollte und muss man klar benennen.

CDU/CSU sind nur mit Mühe zusammen gekommen. Realistisch gesehen wird spätestens nach der Wahl in Bayern (bei der die CSU ihre Mehrheit verlieren wird), der Streit neu ausbrechen. Vermutlich wird die CSU sich dann aus der Bundesregierung verabschieden, und ein Ende der Koalition ist wahrscheinlich.

die offenen Grenzen ohne Not aufzugeben..

das ist genau der Punkt- besteht schon oder noch nicht die Not(Wendigkeit) , sich von den offenen Grenzen zu verabschieden? Und wenn noch nicht jetzt? Wann wird dieser Punkt erreicht sein?

Die Grenze nach DK ist bereits geschlossen, dort wird permanent kontrolliert- Klagen darüber werden nicht geführt. Ist es vielleicht gar nicht so schlimm mit Grenzkontrollen, wie immer wieder behauptet wird? Wem nutzen die offenen Grenzen ?
In erster Linie den wirtschaftlichen Interessen derjenigen, die im Ausland billig produzieren und im Inland teuer verkaufen wollen. Den Schleppern und Schleusern, natürlich gehören sie auch zu den Nutznießern.
Otto Normalverbraucher ist nicht betroffen, und selbst im kleinen Grenzverkehr zu DK gibt es keine Probleme, obwohl dieser Grenzverkehr rege war und rege ist.

Wir hören immer wieder was nicht geht. Ob Seehofer scheitert mit seinen Plänen, kann dahingestellt bleiben. Immerhin ist die Situation bereits so, dass wir signalisieren müssen, dass es nicht bleiben wird wie es ist. das ist dann zumindest mal ein Anfang, und hoffen wir alle, dass nicht allzu drastische Maßnahmen notwendig sein werden, um den Zustrom zu beenden

Da Sie gerade die deutsch

Da Sie gerade die deutsch/dänische Grenze erwähnen: An der dänischen Grenze kontrollieren aber nur die Dänen, wenn ich richtig informiert bin. Vor ein paar Tagen habe in verschiedenen Medien gelesen, dass sich über die dänisch/deutsche Grenze in Richtung DE vermehrt Rückwanderer aus Schweden u. anderen skandinavischen Staaten in Richtung DE auf den Weg machen, da die Asylpolitik aufgrund des öffentlichen Drucks dort wohl zunehmend registriver wird.
Seehofers Pläne sehen aber nur die Kontrollen und Transitzentren an der bayrisch/österreichischen Grenze vor. Die Grenzenkontrollen zu anderen Staaten sind nicht berücksichtigt. Die anderen Grenzen bleiben offen wie Scheuentore. Das kann nicht funktionieren.

Gretchenfrage: Wie hälst Du es mit Deinen Werten? Teil 1

Rechtsgerichtete Sozialpopulisten kümmern sich darum, dass in staatstragender Weise Loyalität und Zuverlässigkeit in die Politik zurückkehrt. Dies wird als "Sachpolitik" eingekleidet. Schleichend wird die Parteinahme einer Partei in Richtung Selbsterhalt verschoben.

Linksgerichtete Sozialpopulisten glauben am Puls der Zeit und nicht gegen das "Wahlvolk" zu sein, wenn es deren Verlangen sei, den Athenern gleich, anonymisierte Mengen von Menschen auf dem Altar des sozialen [Koalitions-] Friedens zu opfern. Vielleicht schinden sie hierfür soziale Wohltaten wie ein ALG Q o.ä. heraus.

Hingerichtet wird hierbei die sozialdemokratische Kultur-DNS im Labyrinth des Minotaurus. Die Ausweisung wird einer Ordnungswidrigkeit gleichgesetzt, gar einem Strafzettel, deren Durchsetzung ein reiner Verwaltungsakt ist. Beim Falschparken geht aber niemandem der Arsch auf Grundeis. Wir Kommentatoren schießen uns als Scharmacher[innen] entweder auf die Mächtigen ein, noch ohnmächtiger zu werden, oder in hilfloser Weise auf die Scharfmacher[innen] ein. Es bleibt die Ohnmacht der Rechtlosen. Sie haben keine Namen, keine Geschichte, kein Gesicht. Wir aber haben deren biometrisches Profil.

Gretchenfrage: Wie hältst Du es mit Deinen Werten? Teil 2

Und die Friedensnobelpreisträgerin Europa reitet auf diesem Minotaurus. Sie kooperiert mit lybischen Kriegsfürsten, die sich als „Küstenwache“ exkulpieren. Sie lässt Algerien Menschen in faktische „A.N.K.E.R. Zentren mit Transitzonen“ pferchen, ohne diese so zu nennen. Am Ende steht der Transit in die glühende Sahara. Die Knochen derer, welche es nicht schaffen, werden vom Wüstenstaub zugedeckt, falls sie nicht vorher vom Mittelmeer verschlungen wurden.

Es glaubt ja auch jeder, dass aus deren Knochen die Waffen sind, mit denen die Libyer und Algerier die Flüchtlinge in ihren Lagern gefangen halten. Mit uns in Deutschland hat dies natürlich überhaupt nichts tun.

Die SPD hat sich durch ihre Geschichte gegen Rassismus und Klassismus eingesetzt. Sie muss dem widerstehen, der Regierungsgewalt willen, einer Asyleinigung zuzustimmen, welche kein Bestandteil des Koalitionsvertrages ist. Es reicht nicht allein, dass Seehofer den Menschen einen Rücktritt schuldet. Den Vertrag aufzuschnüren bedeutet, ihn auch wieder den Mitgliedern zur Abstimmung vorzulegen. Dieser Einigung zuzustimmen verlangt den Fraktionszwang aufzuheben und die Abgeordneten dem Gewissen nach entscheiden zu lassen.

Die heuchlerische Diffamierung der SPD geht weiter.

Während an den CSU-Stammtischen, in Bierzelten, auch in bürgerlichen Zirkeln, die SPD mit Vorwürfen überhäuft wird, sie würde hart erarbeitetes Steuergeld leichtfertig an nichtswürdige Ausländer verschwenden, wird von vielen Medien ausführlich die Klage des Entwicklungshilfeministers Müller CSU verbreitet, sein großspuriger "Marshallplan"Etat würde vom SPD Finanzminister gekürzt werden. Bei Schäuble hatte der Minister wohl niemals Grund zur öffentlichen Klage? Es wird Zeit; bei der Frage nach den Fluchtursachen endlich die Verantwortung der regierenden Eliten in den afrikanischen Staaten auf einer Namensliste zu dokumentieren, um bei betroffenen Banken hilfreiche Auskünfte einzufordern. Auch über die historische und aktuelle Schuld europäischer Königshäuser, auch eines afrikanischen Königs, an den nicht enden wollenden Flucht fördernden Zuständen darf nicht mehr geschwiegen werden. Wo ist ihr Beitrag zur Beseitigung der massiven Fluchtbewegung?