Eklat in Mecklenburg-Vorpommern

Nadine Julitz: Wie sich eine SPD-Abgeordnete gegen den Sexismus der AfD wehrt

Kai Doering12. Juni 2020
Es geht nicht um meinen Hintern. Die stellvertretende Vorsitzende der SPD Mecklenburg-Vorpommern Nadine Julitz wehrt sich gegen Sexismus der AfD.
Es geht nicht um meinen Hintern. Die stellvertretende Vorsitzende der SPD Mecklenburg-Vorpommern Nadine Julitz wehrt sich gegen Sexismus der AfD.
Wo hören Komplimente auf und wo beginnt Sexismus? SPD-Politikerin Nadine Julitz hat es der AfD im Landtag von Mecklenburg-Vorpommern erklärt – vom Redner*innenpult aus.

Am Mittwochabend haben Sie am Rednerpult Sexismus im Landtag von Mecklenburg-Vorpommern angeprangert. Was war passiert?

Der eigentliche Anlass für meine persönliche Erklärung am Mittwoch liegt bereits einen Monat zurück. Als ich einer Debatte über die Kitas in Mecklenburg-Vorpommern ans Rednerpult gegangen bin, hörte ich, wie der AfD-Abgeordnete Jens-Holger Schneider seinen Fraktionskollegen halblaut zurief: „Na, das Kleid ist aber ganz schön knapp.“ Ich war im ersten Moment ziemlich geschockt und habe, bevor ich meine Rede zum Thema begonnen habe, die Aussage von Herrn Schneider nochmal wiederholt, damit alle hören, was er gesagt hat. Leider war der Plenarsaal zu dem Zeitpunkt recht leer, sodass ich wenig Unterstützung bekommen habe. Eine Kollegin der Linken hat die Aussage aber mit Buh-Rufen kommentiert.

Warum haben Sie die Äußerung jetzt, einen Monat später, nochmal aufgegriffen?

Dazu will ich zunächst sagen, dass ich mich nicht erst jetzt, wie mir manche vorwerfen, über die Äußerung aus dem Mai empöre. Ich habe damals direkt einen Ausschnitt der Rede in den sozialen Medien veröffentlicht und auch das Landtagspräsidium eingeschaltet. Eigentlich war die Sache für mich damit erledigt. Dass die Äußerung nun noch einmal Thema geworden ist, liegt daran, dass sie der AfD-Abgeordnete Thomas de Jesus Fernandes in der Debatte über einen AfD-Antrag mit der Überschrift „Genderideologie stoppen“ nochmal aufgegriffen hat. Er meinte, wegen Gender und Feminismus könne man nicht mal mehr Komplimente machen wie sein Kollege Schneider ein paar Wochen zuvor. Als ich das gehört habe, bin ich sofort aufgesprungen und habe eine persönliche Erklärung anmelden lassen, in der ich den Herren von der AfD dann den Unterschied zwischen einem Kompliment und Sexismus erklärt habe. Die Reaktion war vollkommen spontan und auch mit einer Portion Wut im Bauch. Ich hatte sogar Sorge, dass ich einen Ordnungsruf kassiere, weil ich das Wort „Arsch“ benutzt habe.

Wie waren die Reaktionen auf Ihre Erklärung?

Aus dem Plenum gab es spontan Applaus. Jens-Holger Schneider war zu dem Zeitpunkt Schriftführer. Ich konnte ihn also nicht sehen. Aber mir ist erzählt worden, dass er wohl rot geworden ist. Herr de Jesus Fernandes hat etwas später mein neues Facebook-Profilbild mit einem sabbernden Smiley und den Worten „Das ist aber ein schönes Outfit“ kommentiert, den Kommentar aber inzwischen wieder gelöscht. Einen Tag später war die Resonanz überwältigend. Ich habe gerade in den sozialen Netzwerken sehr viel Zuspruch erhalten und werde für meinen Mut gelobt, was ich fast schon etwas beschämend finde. Es geht ja eigentlich nicht um meinen Hintern. Ich bin nur ein Stellvertreterbeispiel dafür, was leider in Deutschland tägliche Realität ist.

Es handelt sich also nicht um einen Einzelfall, sondern um ein generelles Problem?

Ja, auf jeden Fall. Manuela Schwesig wurde mal als „Küsten-Barbie“ bezeichnet. Ich habe im Landtagswahlkampf 2016 von einem AfD-Mann das Etikett „Müritz-Barbie“ bekommen und die örtliche Zeitung hat über mich geschrieben: „Die schönste Frau der Müritz will in den Landtag.“ Mit solchen vermeintlichen Lappalien fängt es an, aber sie sind nichts anderes, als Menschen auf ihr Aussehen zu reduzieren. Auch wenn es schwerfällt, sollte man das nicht abtun, sondern thematisieren.  Als junge Frau in der Politik muss man sich Respekt ohnehin besonders hart erarbeiten – auch wenn ich meinen Wahlkreis als jüngste Abgeordnete sogar direkt gewonnen habe.

Hat sich die Situation mit dem Auftauchen der AfD verschlimmert?

Die AfD verstärkt und befördert das bestehende Frauen- und Familienbild von manchen auf jeden Fall, gerade indem sie suggeriert, mit Kritik wie ich sie geäußert habe, würde man Männern etwas unterstellen, obwohl sie doch eigentlich nur nett sein wollen.

Vor einem Monat haben verschiedene Frauen in der Sendung „Joko & Klaas“ mit „Männerwelten“ für Aufsehen gesorgt, indem sie verschiedene Formen von Sexismus bis hin zu Vergewaltigungen thematisiert haben. Wie wichtig ist es, so etwas öffentlich zu machen?

Fälle von Sexismus öffentlich zu machen, ist zentral, wenn man etwas dagegen tun will. Es hat eine Vorbildwirkung und ermutigt andere Frauen, ebenfalls über ihre Erfahrungen zu sprechen. Ich finde auch die Kritik verkehrt, dass mit Joko und Klaas zwei Männer das Thema aufgeworfen hätten. Sexismus anzuprangern ist nie verkehrt, egal von wem. Als ich den Beitrag gesehen habe, hatte ich am Ende als Frauen zu Wort kamen, die vergewaltigt wurden, Tränen in den Augen. Alle Frauen wurden ziemlich als erstes gefragt, was sie angehabt hätten, als die vergewaltigt wurden. Das finde ich ungeheuerlich und beschämend.

Die Gesprächspartnerin

Nadine Julitz ist stellvertretende Vorsitzende der SPD Mecklenburg-Vorpommern und Mitglied des Landtags.

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Kommentare

Nadine Julitz

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Nadine Julitz

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Nadin Julitz - Sexismusdebatte

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Es wäre schön, wenn man die

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Sexismus Debatte und ihre Folgen

Wie ich gelesen habe, werden deutliche Worte wegen der Netiquette gelöscht. Halbdeutschland macht sich über den Landtag von mv lustig... Das erste Mal wegen der linken Verfassungsschutz Präsidentin und jetzt wegen einer Kindergarten Posse. Die AFD in MV sollte aufpassen, sonst werden sie wegen schief über die Straße gehen angezeigt.

Das Bild mit dem kurzen kleid von hinten sollte veröffentlicht werden, da die Mutter eines einjährigen Kindes, der man noch die Spuren der Schwangerschaft ansehen könnte und die mit überschwänglichen Selbstbewusstsein ein kurzes Sommerkleid trägt und so zum Rednerpult geht, würden sich vielen konservative Damen des Landes ohne Afd-mitgliedschaft eschoffieren. Aber, es war ja die AFD...

selbstentlarvend

Ihr Beitrag ist selbstentlarvend und steht beispielhaft für die frauenfeindlichen Einstellungen hoffentlich nicht mehr allzu vieler Männer in Deutschland. Die Nähe zur AfD ist dabei wohl kein Zufall?

darf man Ihren Hinweis

dahin verstehen, dass Vollverschleierung frauenfeindlich zu werten ist?

selbstentlarvend

Die SPD muss das allererste und mächtigste Bollwerk gegen die AfD sein. Das ist sich die Sozialdemokratie selbst schuldig! Aber es ist "auf der Straße" und an "Stammtischen" wahrnehmbar, dass eine nicht allzu geringe Minderheit vermeintlich "klassischer" SPD-Wähler nicht immun gegen sog. "national-soziales" Gedankengut ist, welches auch oft mit einer Ablehnung eines emanzipierten Frauenbilds verbunden ist. MIT daran Schuld sind bis heute die Werkzeuge des Neoliberalismus ('Hartz IV' und andere wesentliche sozialpolitische Fehlleistungen), welche die SPD bis heute nicht wirksam eingehegt, geschweige denn ernsthaft zu überwinden versucht hat - trotz zum Teil energischer Forderungen von großen Teilen der SPD-Basis! EIN Anzeichen dafür ist, dass es auch in der derzeitigen SPD genug Führungskräfte gibt, die verdeckt oder direkt versuchen, Esken/NoWaBo Knüppel in die Beine zu werfen, weil diese angeblich für einen zu starken Linksruck stünden; was natürlich objektiv kompletter Unsinn ist. Esken/NoWaBo versuchen die SPD auf eine sozialere Spur zu bringen (vergleichbar O.Schreiner/R.Dreßler). Ihnen könnte es so gehen, wie es J.Corbyn und B. Sanders ergangen ist. Sturz von RECHTS INNEN!