
Eine soziale Mindestsicherung, die Erneuerung der Jugendbeschäftigungsgarantie und eine Unterstützung für Saisonarbeitnehmer*innen – in diesen drei Punkten haben am Dienstag die europäischen Arbeits-und Sozialminister*innen Beschlüsse gefasst.
„Wir sind überzeugt, dass wir in der Corona-Krise besser zusammenhalten als das in der Finanzkrise 20o8/2009 der Fall war“, erklärte Bundesarbeitsminister Hubertus Heil im Anschluss an die virtuelle Konferenz des Rates der Europäischen Union für Beschäftigung, Sozialpolitik, Gesundheit und Verbraucherschutz (EPSCO).
Mindestsicherung und Schutz vor Ausbeutung
Im Kampf gegen Armut hätten sich die Minister*innen darauf geeinigt, einen europäischen Rahmen für Grund- und Mindestsicherungssysteme zu entwickeln, erklärte Heil. Sozialstaaten müssten ein angemessenes Maß an Absicherung garantieren. „Niemand darf ins Bodenlose fallen“, fügte er hinzu. Der Zugang zur Grundsicherung für Menschen in Not müsse diskriminierungsfrei sein und für Wege aus der Armut sorgen.
Beschämt sei er darüber, dass die Zustände in der Fleischindustrie in Deutschland nicht schon vor der Krise verändert wurden. Denn in der Krise seien die „furchtbaren Arbeitsbedingungen“ zum allgemeinen Pandemie-Risiko geworden. Es sei an der Zeit, mit diesen Arbeitsverhältnissen grundlegend aufzuräumen. „Ausbeutung darf kein Geschäftsmodell sein“, sagte Heil wörtlich. Während in Deutschland das sogenannte Arbeitsschutzkontrollgesetz für bessere Arbeits- und Wohnbedingungen sorgen soll, vereinbarten die Minister*innen auch auf europäischer Ebene beim Schutz der Rechte von Wander- und Saisonarbeitern enger zusammenzuarbeiten. Dazu wollen sie sich unter dem Dach der EU-Arbeitsbehörde European Labour Authority (ELA) enger koordinieren. Saisonbeschäftigten soll der Zugang zu Informationen über ihre Rechte erleichtert werden, indem sie möglichst in „ihrer Muttersprache“ aufgeklärt werden. „Es darf keine Arbeitnehmer*innen zweiter Klasse in Europa geben“, so Heil.
Jugendgarantie gegen Arbeitslosigkeit
Als besonders erfreulich bezeichnete Heil die Einigung darauf, die Jugendgarantie zu erneuern. Das sei ein starkes Signal an die junge Generation, an die „Fachkräfte von morgen“. Bereits nach der Wirtschafts- und Finanzkrise 2008/2009 und der Euro-Krise ab 2010 habe diese Beschäftigungsgarantie die Jugendarbeitslosigkeit von 24 Prozent im Jahr 2013 auf rund 15 Prozent im Jahr 2019 reduziert. Künftig sollen junge Leute in Europa spätestens nach vier Monaten Arbeitslosigkeit ein Angebot bekommen - sei es ein Job, eine Ausbildung oder Qualifizierung. Zudem soll in der Corona-Krise die Altersgrenze von 24 Jahren auf 29 Jahren angehoben werden.
Heil gab zudem einen Ausblick auf weitere soziale Vorhaben, die während der deutschen Ratspräsidentschaft angestoßen werden sollen: Allen voran die Debatte um einen Rahmen für einen europäischen Mindestlohn, eine Debatte um ein Gesetz über die Verantwortung zur Wahrung von Menschenrechten in Lieferketten sowie eine Debatte über die soziale Sicherung für Beschäftigte in der Plattformökonomie.
Strategie gegen Armut in Europa
Heil wertete die Beschlüsse der Kommission als ein klares Signal der Armutsbekämpfung in Europa. Damit soll EU-Kommissar Nicolas Schmit mit seinen Plänen unterstützt werden. Schmit unterstrich die Bedeutung der Jugendgarantie und prangerte die Diskriminierung von Saisonbeschäftigten an. „Diese Umstände müssen schnell verändert werden.“ Er habe zudem eine Richtlinie erarbeitet, die krebserregende Substanzen verbiete, damit Menschen an ihren Arbeitsplätzen nicht den Gefahren dieser Substanzen ausgesetzt sind. Für das kommende Jahr kündigte er erste Schritte für eine Mindestsicherung und Kindergarantie an, um zu verhindern, das „Menschen in die Armut abgleiten“.
Neben Arbeitsminister Hubertus Heil will Bundesfamilienministerin Franziska Giffey die EU-Ratspräsidentschaft nutzen, um die Gleichstellung von Frauen und Männern auf dem Arbeitsmarkt voranzubringen. „Frauen sind in besonderer Weise von der Pandemie betroffen gewesen“, so Giffey. Einerseits habe sie die ungleiche Verteilung von bezahlter Erwerbsarbeit und unbezahlter Sorgearbeit zwischen Frauen und Männern deutlich sichtbar gemacht. Andererseits seien Frauen zu 75 Prozent in sogenanten systemrelevanten Berufen beschäftigt. Und das in ganz Europa. Gleichwohl seien sie auch in diesen Berufszweigen nur selten in Führungspositionen zu finden. „Hier soll sich was ändern“, betonte Giffey. Klar sei, dass es ohne verbindliche Vorgaben nicht gehe. Länder mit Vorgaben, „sind hier wesentlich fortschrittlicher“. Gleichstellung sei eine gesamteuropäische Frage.