
Im Gegenteil. Mit diesen beiden Worten müsste eigentlich jeder Satz zum Thema „Migrationsgipfel in Brüssel“, ja jeder Satz zum Thema Migration überhaupt, beginnen: Im Gegenteil...
Was ist passiert? 16 EU-Regierungs-Chefs (von 28) haben sich am Wochenende auf Einladung von Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker informell in Brüssel getroffen, um den regulären Gipfel zum nämlichen Thema am Donnerstag und Freitag dieser Woche inhaltlich vorzubereiten. Schon deshalb hat es keine förmlichen Beschlüsse geben können. Wer das Fehlen solcher Beschlüsse bemängelt, hat also entweder keine Ahnung von europäischen Abläufen oder macht den Menschen bewusst etwas vor.
Nach dem Gipfel hat jeder seine eigene Wahrheit
In Deutschland geht die Mär, der Minigipfel habe nur dem einen Zweck gedient, Bundeskanzlerin Angela Merkel im Streit mit Innenminister Horst Seehofer zu retten. In Italien wird berichtet, es sei darum gegangen, den 10-Punkte-Plan des neuen Regierungschefs Giuseppe Conte zur Ablösung des Dublin-Verfahrens zu diskutieren. In Frankreich und Spanien will man wissen, Emmanuel Macron und Pedro Sanchez hätten die verstärkte Sicherung der EU-Außengrenzen und die Unterbringung von Migranten in „geschlossenen Zentren“ fast schon durchgesetzt. Alles stimmt ein bisschen, nichts ganz.
Richtig ist: Es wurde über Migration in die EU gesprochen. Punkt. Das allerdings auf einer Folie, die herzlich wenig mit der Realität zu tun hat, dafür aber reichlich mit einem Zerrbild derselben, die sich die europäische Öffentlichkeit seit Jahren von einer Allianz von Konservativen bis Rechtsradikalen aufzwingen lässt. Ihre Behauptung, Europa, ja jedes einzelne Land werde „förmlich überschwemmt von Fremden, mehrheitlich sogenannte Wirtschaftsflüchtlinge, die im übrigen niemand wolle und brauche“. An dieser Behauptung – die sich in unendlich vielen Köpfen bis weit in die Mitte der Gesellschaft hinein festgesetzt hat – ist jedes einzelne Wort falsch! Es wird höchste Zeit, ihr mit aller Entschiedenheit entgegenzutreten.
Migration ist nicht schlecht, sondern notwendig
- Europa, allen voran Deutschland, braucht zwingend Zuwanderung! Nicht nur, weil der Generation der heute 60-Jährigen sonst niemand Haushalt und Garten in Ordnung hält (von der Pflege gar nicht zu sprechen), wenn die das dereinst nicht mehr kann. Das auch, aber vor allem, weil unser Wohlstand auf Arbeit und technologischem Vorsprung beruht. Und selbst wenn die „Biodeutschen“ a) deutlich mehr Kinder zeugten und diesen dann b) richtig Mathematik und Informatik beibrächten, würde das allein nicht reichen, um den derzeitigen Wohlstand oder auch nur das Rentenniveau zu halten. Oder will jemand demnächst bis 75 arbeiten?
- Wirtschaftsmigration ist nicht verwerflich oder schlecht. Wer sein Land verlässt, um anderswo für sich und seine Kinder eine bessere Zukunft aufzubauen, der will fleißig arbeiten und sich integrieren. Alle praktische Erfahrung – nicht zuletzt in den USA – beweist dies. Nebenbei: Eine gewisse Familie Trump verließ das heutige Rheinland-Pfalz Richtung Amerika aus wirtschaftlicher Not, wie damals Hundertausende. Möchte jemand Herrn Trump zurück?
Deutschland braucht ein Einwanderungsgesetz
Statt Pseudodebatten zu führen, braucht es endlich und zwingend ein Einwanderungsgesetz. Darin ist zu regeln, wieviele Menschen mit welchen Befähigungen nach Deutschland und Europa kommen sollen. Der Antrag ist in der deutschen Botschaft zu stellen, mit Zeugnissen und dem Nachweis von Sprachkenntnissen. In der Regel wird es direkt bei der Einreise einen Arbeitsplatz geben – in Deutschland werden derzeit Arbeitskräfte gesucht. Sobald ein legaler Weg nach Deutschland und Europa zu kommen besteht, wird die Zahl der Asylanträge automatisch sinken. Vor allem: Dieser Vorgang kann tatsächlich außerhalb Europas geregelt werden – ohne dabei Recht und Menschlichkeit mit Füßen zu treten.
Zur Wahrheit gehört auch: Kriegsflüchtlinge wird es leider weiter geben. Es ist ein schlichtes Gebot der Menschlichkeit und unserer Verfassung, ihnen zu helfen.
Im Gegenteil meint also: Geben wir Europa und seine Werte nicht preis. Führen wir die richtigen Debatten und streiten wir für die richtigen Ziele.