75. Geburtstag von Klaus Staeck

Menschliches Gesicht der Utopie

Wolfgang Thierse28. Februar 2013

Es gibt kaum einen politisch brisanten Vorgang in der Geschichte der Bundesrepublik, den er nicht gestalterisch aufgegriffen hat. An diesem Donnerstag feiert Klaus Staeck seinen 75. Geburtstag. Ein Glückwunsch vom Vorsitzenden des Kulturforums der Sozialdemokratie, Wolfgang Thierse.

Schon lange, bevor ich Klaus Staeck erstmals begegnet bin, war mir sein Name ein Begriff. Die subversiven Postkarten dieses Künstlers machten auch in Ost-Berlin die Runde. Persönlich kennengelernt haben wir uns in den 90er Jahren – bei gemeinsamer politischer Arbeit und in Wahlkämpfen. Mit ihm, dem begnadeten Analytiker über politische Ideen und Programme zu streiten, das schätze ich seitdem als ein ganz besonderes Vergnügen.

Von Klaus Staeck geht eine ermunternde, anregende, ja kämpferische Wirkung aus. Wo er agiert, wo er sich politisch einmischt, da wächst Hoffnung auf Veränderung, da wird Utopie ein Stück weit fassbarer, konkreter, da bekommt sie ein sehr menschliches Gesicht – das von Klaus Staeck.

Ikonen der Geschichte

Die ersten politischen Postkarten, Flugblätter, Plakate entstanden 1960, also noch während seines Jurastudiums. Schon mit diesen Arbeiten beanspruchte Klaus Staeck, tradierte Sehgewohnheiten aufzubrechen, Unruhe in verkrustete Strukturen und erstarrte Köpfe zu bringen. Und genau das ist ihm in den vergangenen fünf Jahrzehnten wunderbar gelungen. Es gibt kaum einen politisch brisanten Vorgang in der Geschichte der Bundesrepublik, den der Künstler Staeck nicht gestalterisch aufgegriffen hat: ob Parteispendenaffären, Wirtschafts- und Umweltskandale, die Nachrüstung, die Asylpolitik, Rechtsradikalismus und Fremdenhass, Angriffe auf die Freiheit der Kunst, Probleme der deutschen Einheit.

Die Abfolge seiner Plakate ergibt eine ebenso pointierte wie intelligente politische Geschichte der Bundesrepublik, seine Blätter zählen zu den Ikonen dieser Geschichte. An ihnen lässt sich ablesen, was sich gesellschaftlich verändert hat und was nicht. Klaus Staeck selbst äußert sich dazu eher skeptisch: „Nichts sei erledigt“, sagt er, „meine Plakate wollen und wollen nicht altern“!

Der Aufklärung verpflichtet

Dem „Prinzip Aufklärung“ fühlt sich Klaus Staeck nicht nur als Grafiker und Plakatkünstler verpflichtet, sondern auch als Kolumnist, Autor, Redner, Fotograf. In seinen Texten und Interviews reflektiert er immer wieder neu und voller Leidenschaft Gründe für politisches Engagement in der Demokratie. Beharrlich erklärt er, warum Solidarität ein Schlüsselbegriff der Zivilgesellschaft ist und bleiben muss.

Er ermutigt zum Einmischen in die öffentlichen Angelegenheiten. Und er zeigt, dass zivilgesellschaftliches Engagement durchaus Vergnügen bereiten kann und bereiten darf. „Demokratie lebt von Mitarbeit, nicht von wohlwollender Beurteilung durch distanzierte Beobachter, die ihre Noten verteilen“, so Staeck. Diese Maxime nimmt er selbst sehr ernst: Als im Frühjahr 2006 die Berliner Akademie der Künste in einer tiefen Krise steckte, kandidierte er für das Präsidentenamt – und ließ sich in die Pflicht nehmen. Die Akademie-Mitglieder schätzen sein Engagement für die Künste, daher absolviert er inzwischen seine dritte Amtszeit (bis 2015).

Klaus Staeck, der seit 53 Jahren SPD-Mitglied ist, hat die politische Kultur unseres Landes ganz entscheidend mitgestaltet und geprägt. An Kraft und Ideen mangelt es ihm auch in seinem 75. Lebensjahr nicht – und das ist beneidenswert. Also, lieber Klaus, herzlichen Glückwunsch zu Deinem Jubiläum! Ich wünsche mir und uns allen, dass Du uns noch möglichst lange erhalten bleibst –  mit Deinen Interventionen, Vorschlägen, Kritiken und Deiner großen Freundlichkeit!