Politisches Engagement

Mehr Vertrauen durch offenen Umgang mit Fehlern

Angelina Sortino13. September 2018
Svenja Stadler während einer Sitzung der SPD-Bundestagsfraktion
Svenja Stadler während einer Sitzung der SPD-Bundestagsfraktion. Die Politikerin forderte auf einer Tagung der FES mehr Ehrlichkeit um Umgang mit den Bürgern.
Bei einer Fachtagung der Friedrich-Ebert-Stiftung haben Vertreter aus Politik und Wissenschaft über den Zusammenhang von Demokratie und Vertrauen diskutiert. Die SPD-Politiker Kevin Kühnert und Svenja Stadler forderten in diesem Kontext einen offeneren im Umgang mit Fehlern der Vergangenheit.

„Trust me if you can!“ („Vertrau mir, wenn du kannst!“) nannte die Friedrich-Ebert-Stiftung ihre Fachtagung zu den Themen Vertrauen und Demokratie. In Bezug auf politische Parteien lautet die Antwort von immer mehr Menschen derzeit: „Tut mir leid, das kann ich nicht!“ Die Parteien befinden sich in einer tiefen Vertrauenskrise und versuchen, es für sich zurückzugewinnen. Wie das funktionieren kann, wurde auf der Tagung diskutiert.

SPD wird schneller an Ergebnissen gemessen

Der Sozialforscher Felix Butzlaff von der Wirtschaftsuniversität Wien erklärte, dass Vertrauen von gesellschaftlichen Voraussetzungen abhängig sei, die Parteien nicht beeinflussen könnten. Dennoch seien sie einem Vertrauensverlust der Gesellschaft nicht hilflos ausgeliefert. Wem die Menschen glaubten, sei auch von organisatorischen Prozessen abhängig. Die Wähler bräuchten eine Erfahrungsanbindung. „Es kommt darauf an, dass man begründet, was das Ganze soll“, so Butzlaff.

Butzlaff machte deutlich, dass gerade Organisationen wie die SPD, die sich für soziale Gesetze stark machen, das Problem hätten, dass sie schneller an Ergebnissen gemessen würden. Die CDU zum Beispiel könne sich immer noch auf die christlichen Werte berufen, wenn es am „echtem Erfolg“ hapere. Für deren Einhaltung würde der Wähler irgendwann später – spätestens im Jenseits – belohnt.

Übergeordnete Ziele formulieren

Die SPD-Bundestagsabgeordnete Svenja Stadler betonte, das Ehrlichkeit im Umgang mit den Bürgern ein wichtiges Instrument sei, um Vertrauen zu gewinnen. „Als ich das erste Mal gesagt habe, das ich etwas nicht weiß, war das schwer, doch die Reaktionen waren positiv“, berichtete Stadler. Auch müsse die Politik wieder auf die Sprachebene der Bürger zurückkommen. Sie kritisiert: „Politiker erzählen und die Wenigsten können sie verstehen.“ Außerdem müsse die SPD über Wahlperioden hinausdenken und langfristige Ziele offen kommunizieren. „Ich kann doch nicht erwarten, dass der Bürger mir vertraut, wenn er nicht weiß, wohin ich will“, so Stadler.

Der Juso-Bundesvorsitzende Kevin Kühnert forderte in einem Impulsbeitrag, dass politische Parteien übergeordnete ideelle Ziele formulieren müssten. Es dürfe nicht nur darum gehen, den eignen Arsch zu retten, sondern vor allem darum, das Leben der Menschen wieder besser zu machen. „Der Erneuerungsprozess der SPD ist Teil eines grundsätzlichen Rückgewinnungsprozesses von Vertrauen in demokratische Institutionen“, so Kühnert.

Offener Umgang mit Fehlern

Kühnert und Stadler wünschten sich von ihrer Partei einen offeneren Umgang mit Fehlern aus der Vergangenheit. Die SPD könne Fehler aus der Vergangenheit nicht rückgängig machen, sagte Kühnert. Politiker müssten aber eine klare Haltung zu falschen Entscheidungen zeigen. „Diese Fehlerkultur geht der SPD ab“, so Kühnert. Auch Svenja Stadler sagte: „Politikern fällt es grundsätzlich schwer, Fehler zuzugeben.“

Ein weiteres Thema der Tagung war die Frage, ob mehr und direktere Partizipation ein Ansatz sein kann, das Vertrauen der Bürger zu stärken. Sie wurde in einem Plenum diskutiert. Sozialforscher Felix Butzlaff erklärte, dass eine stärkere Partizipation oftmals ein Zeichen von Misstrauen sei. Die Menschen würden versuchen, die Dinge selbst in die Hand zu nehmen, weil sie glaubten, es besser zu können als die Politik.

Keine Partizipation ist so stark wie Wahlen

Svenja Stadler ist Bürgerinitiativen gegenüber positiv gestimmt. Sie sagte: „Ich bin immer für direkte Demokratie als Ergänzung zur repräsentativen Demokratie.“ Butzlaff hingegen argumentiert, dass Bürgerinitiativen mittlerweile außerhalb von Parteien gegründet würden, sei ebenfalls ein Zeichen von Misstrauen. Ein weiteres Problem von Bürgerinitiativen sei laut dem Sozialforscher, dass sie diejenigen begünstige, die sich ohnehin in einer privilegierten Position befänden. Nur wer gebildet und wohlhaben sei, habe die Möglichkeit auf diese Weise aktiv zu werden. Deshalb ist Butzlaff der Meinung: „Es gibt keine Partizipation, die so stark ist, wie Wahlen.“

Kevin Kühnert forderte, Menschen, die innerhalb der SPD aktiv sind, wieder mehr zu unterstützen. Im Austausch mit anderen Bürgern bräuchten ehrenamtlich Engagierte den Rückhalt von Hauptamtlichen. „Wenn wir nicht bereit sind, Ressourcen auch hauptamtlich in Dialogformaten einzusetzen, dann werden die weißen Flecken auf der Deutschlandkarte größer werden“, so Kühnert. Außerdem müssten die Gremien repräsentativer werden. Auch so könne mehr Beteiligung erreicht werden.

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Kommentare

müssen wir

anerkennen, das Politiker einen gesonderten Menschentypus bilden? Ich gewinne bei Formulierungen wie dieser fast den Eindruck: „Politikern fällt es grundsätzlich schwer, Fehler zuzugeben.“
Wenn Politiker so formulieren, bringen sie mehr als deutlich zum Ausdruck, dass sie sich von den anderen Menschen, den Normalen oder den Nichtpolitikern, auf besondere Art und Weise abheben- so nach dem Motto: Das könnt ihr nicht beurteilen, denn ihr seit ja keine Politiker!.

Das erklärt so einiges, was sich die Parteileitung im Umgang mit dem Parteivolk und dem Volk insgesamt so leistet. Eine entlarvende Äußerung! Respekt vor so viel Deutlichkeit.

Hochstudiert weltfremd

Immer wieder traurig das man den immer gleichen Unsinn immer wieder vorgekaut bekommt.
"Der Sozialforscher Felix Butzlaff von der Wirtschaftsuniversität Wien erklärte, dass Vertrauen von gesellschaftlichen Voraussetzungen abhängig sei, die Parteien nicht beeinflussen könnten. "

Dann erklärt der gute Mann leider falsch. Wenn eine Partei ihre Stammwähler so dreist belügt und schädigt und dann noch arrogant verkündet, das die Geschädigten nur zu dumm sind, um die perfekte Politik zu verstehen, dann liegt das Erreichen der 16% nicht an "Erklärungen".

Gleichermaßen realitätsfern sind solche Klopfer:
"Die Wähler bräuchten eine Erfahrungsanbindung. „Es kommt darauf an, dass man begründet, was das Ganze soll“, so Butzlaff."

Die Geschädigten der Agenda haben bereits eine "Erfahrungsanbindung". Sie erleben täglich das die SPD aktiv gegen die "sozial Schwachen" und für Banken und Kapitaleigner Politik macht.

Egal wie viele Akademiker sich noch auf die Bühne stellen, das noch immer viel zu gute Wahlergebnis der SPD liegt allein an der Politik der SPD.
Was im Artikel stimmt ist die Unfähigkeit(Unwille) der Politik, Fehler zuzugeben. Im Falle SPD: Fehler (Agenda) zu korrigieren.

aus Fehlern lernen !

Butzlaffs Erkenntnis macht dort halt, wo auch er Lösungen aufzeigen müsste. Es ist nicht in Stein gemeisselt oder von der Natur gegeben dass bürgernahe Initiativen nur vorwiegend "bildungsnahe" und privilegiete Bürger erreichen. Bestes Beispiel sind Pegida u. Co ! Es ist nur leider so, dass wenn mit einigen Themen die Bürger erreicht werden diese Themen den Stempel "populistisch" bekommen. Das ist schade, denn unter den populistischen Themen (also Themen die den Bürgern unter den "Nägeln brennen" sind bisweilen auch Themen die ob ihrer Bedeutung auch ihre Berechtigung haben ! Sie sind zwar nicht in der Rangfolge der Lautstärke des Bürgerprotestes nach ihrer Bedeutung zu ordnen, aber in den oberen Rängen der wossenschaftlich belegten und einigermassen objektiv messbaren Bedeutungsfolge sollten sich durchaus auch vermeintlich populistische Themen finden. Als Beispiele möchte ich die Themen Klimaschutz und Angst vor Überfremdung nehmen. Klimaschutz war über mehr als 30 Jahre wenig populär aber immer objektiv lebenswichtig ! Angst vor Überfremdung scheint insbes. in Ostdeutschland Objektiv wenig sinnhaft und populistisch, ist thematisch aber dringend lösungsorientiert aufzugreifen !

Wertewandel

In einer wissenschaftlichen Studie wurde belegt, dass erst der Rückgang der Religionen dafür sorgte, d. gigantisches Wirtschaftwachstum entstehen konnte, dass inzwischen mit seinen Folgen unsere Lebensgrundlagen immens bedroht (s. u.a. Kipppunkt Klima !). Ohne Zweifel also ein Wertewandel hin zu Eigennutz u. Maximalkonsum statt Sebstbeschränkung und Teilen des Wohlstandes ! Auch hier macht die Studie auf halben Wege halt. Denn die Kurve des Eigennutzes und Prestigekonsums ohne Rücksicht auf Verluste geht dank beschleunigten Wertewandels nach Gesetzen des Neoliberalismus immer schneller und immer steiler nach oben und die Spreizung der Gewinner und Verlierer wird immer weiter,und macht scheinbar selbst vor der globalen Selbstzerstörung nicht halt. Jetzt melden sich die Verängstigten und wir brauchen uns nicht zu wundern wenn sie die egozentrierten neoliberalen "Werte" auf ihre Weise übernommen haben ! Jeder schaut wo er bleibt...oder so. Gegen Angst vor Überfremdung und Vorurteile hilft nur das Kennenlernen und der persönliche Kontakt !
Hier sollte Politik ansetzen, während sie gleichzeitig die sozialen Unwuchten nachhaltig beseitigt . Mein Vorschlag: Gemeinsame Projekte fördern

Verdrängt der Neoliberalismus die religiös/humanistischen Werte?

Heute muss zumindest die Frage erlaubt sein, nachdem eine Studie aufzeigte dass der Rückgang der Religionen durch Wertewandel gigantisches Wirtschaftswachstum ermöglichte, ob nicht die egozentrierten Werte des daraus erwachsenen Neoliberalismus die Religionen komplett verdrängen und somit demnächst prestigegeprägter Eigennutz unser Wertesystem ausschliesslich bestimmt. Die Folgen, nämlich, die letztendliche globale Selbstzerstörung unter Vorherigen Untergang der Demokratie, können wir jetzt schon erahnen !!! Vielleicht es mal endlich an der Zeit dass sich unsere religiös/humanistischen Wertewahrer lautstärker zu Wort melden !? Oder für was werden die denn bezahlt !!?

Nichts tun kann Unrecht sein !!!

Weiter müssen wir uns fragen, ob nicht gerade unsere neolberale Politik, neoliberales Wirtschaften und ein werbe- und konsumgetriebener Lebensstil zu extremen Verwerfungen in der Gesellschaft geführt hat, die inzwischen weltweit durch eine überwiegend rechtsextreme Gegenreaktion, unsere Demokratie in höchsten Masse gefährdet. Fremdenfeindliche und antisemitische Gealttaten sind i Deutschland inzwischen an der Tagesordnung. Die Politik die dazu geführt hat wird weiter durch eine passive Mehrheit aus der sogenannten Mitte gestützt !! Zaghafte Gegenreaktionen aus Kirchen u. Sozialvebänden, fast nichts aus den Gewerkschaften (stützen tlw. noch den Maximalkonsum u. antiquierte umweltsch.Technologien !) !
Die Frage ist wer sich mehr in´s Unrecht setzt. Diejenigen die beim Protest überziehen oder diejenigen die nichts tun.In jedem Falle muß sich sowohl Protest gegen die aktuelle Politik als auch gegen rechtsextreme Umtriebe u. ihre Sympathisanten richten.