„Zeit für mehr Gerechtigkeit“

Martin Schulz: So gewinnt die SPD die Bundestagswahl 2017

Paul Starzmann17. Oktober 2016
EU-Parlamentspräsident Martin Schulz spricht beim Basiskongress der SPD-Linken am 15.10.2016 in Berlin. Foto: Jörg Carstensen/dpa
Beim Basiskongress der SPD-Linken schwor Martin Schulz die Genossen auf die nächste Bundestagswahl ein. Der EU-Parlamentspräsident forderte mehr Europa – und gab seiner Partei einen guten Tipp fürs kommende Jahr.

Eins gleich vorne weg: Nein, auch an diesem Wochenende gab es keine Neuigkeiten in Sachen K-Frage. Wo Martin Schulz zur Zeit auch hinkommt, eine Frage taucht immer wieder auf: Wird er nun SPD-Kanzlerkandidat oder nicht?

Auch beim Basiskongress der SPD-Linken in Berlin wollte am Samstag ein junger Genosse aus Hamburg eine Antwort: „Butter bei die Fische“ – das müsse jetzt mal sein, forderte er von Martin Schulz. Wie zu erwarten war, konterte der: Die SPD werde ihren Kanzlerkandidaten planmäßig 2017 küren, mehr gebe es im Moment nicht zu sagen.

Nein zum neoliberalen Europa

Trotzdem waren die knapp 200 linken Genossen, die am Wochenende unter dem Motto „Zeit für mehr Gerechtigkeit“ in Berlin zusammengekommen waren, nicht enttäuscht von Martin Schulz. Hatte der SPD-Spitzenpolitiker an diesem Samstagnachmittag doch gerade eine ursozialdemokratische Rede gehalten und damit die Seele der Parteilinken gestreichelt.

Wer auch immer die SPD in das Wahljahr 2017 führt, für Schulz ist klar: „Der Bundestagswahlkampf wird ein europäischer Wahlkampf werden.“ Denn: Die politischen Probleme der Zukunft ließen sich nicht mehr in nationalen Alleingängen lösen. Daher forderte Schulz von den Parteilinken auch ein klares Bekenntnis zu Europa. „Aber nicht zum neoliberalen Europa“, wie er mit Blick auf die europäische Sparpolitik betonte: Es sei ein „schwerwiegender Fehler“, immer nur die Ausgaben eindämmen zu wollen, analysierte Schulz. Wichtig sei, auch auf die Einnahmenseite zu schauen und eine gerechte Steuerpolitik durchzusetzen. Dabei müsse für die Unternehmenssteuer der Grundsatz gelten: „Das Land des Gewinns muss das Land der Besteuerung zu sein.“

Gegen die „Söldner der Kapitalkräfte“

Da nationale politische Lösungen immer den Kapitalinteressen dienten, dürften sich die EU-Mitgliedstaaten nicht gegeneinander ausspielen lassen, sagte Schulz. Wenn Rechtspopulisten „für alles einen Sündenbock“ suchten – Muslime, Roma, andere Nationen –, dann dürfe die SPD dies nicht hinnehmen. Rechte EU-Gegner wie der Brite Nigel Farage seien „Söldner der Kapitalkräfte“, die wieder „den Vorhang des Nationalstaats“ herunterlassen wollten. Die AfD-Politikerin Beatrix von Storch, die sich Anfang des Jahres für einen Schießbefehl an den EU-Außengrenzen ausgesprochen hatte, nannte Schulz „eine Schande für Deutschland“. Die Sozialdemokratie müsse dem rechten Rand entschieden entgegentreten, so „dass diese Leute keinen Millimeter Raum im Diskurs bekommen“.

Schulz forderte die SPD auf, mit typisch sozialdemokratischen Themen zu überzeugen. „Wir müssen in der Kontinuität dessen bleiben, was wir bereits erreicht haben“, sagte Schulz und lobte einige sozialdemokratische Regierungsprojekte der großen Koalition – von der Politik unter Familienministerin Manuela Schwesig bis zur Einführung des Mindestlohns durch Arbeitsministerin Andrea Nahles. „Wir müssen uns nicht verstecken“, lautete seine Botschaft an die linken Genossen. Schulz’ Appell an die SPD: sich wieder stärker ihrer traditionsreichen Geschichte als Arbeiterpartei bewusst zu werden. Diejenigen Menschen, „die malochen müssen“, sollten wieder im Fokus sozialdemokratischer Politik stehen.

Respekt vor hart arbeitenden Menschen

Von der SPD müsse ein Signal an die arbeitende Bevölkerung ausgehen. „Die SPD muss zeigen: Wir wissen, wie hart ihr arbeitet“, sagte Schulz. Menschen, die gewissenhaft ihre Steuern zahlten oder alte Angehörige pflegten, verdienten größten Respekt. Diese Anerkennung müsse die Sozialdemokratie durch ihr politisches Handeln zum Ausdruck bringen. Gelingt dies der SPD in den kommenden Wochen und Monaten, so steht für Martin Schulz fest: „Dann gewinnen wir die Bundestagswahl!“

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Kommentare

So gewinnt die SPD die Bundestagswahl 2017

Es reicht nun mal nicht, vor der Bundestagswahl typisch sozialdemokratische Themen aufzuzeigen. Wichtig ist vor allem, diese Themen nach einer Wahl auch umzusetzen.
Denn nur vor der Wahl solche Themen anzuschneiden, überzeugt die Wähler nicht mehr, da sie zu oft hinterher enttäuscht wurden. Deshalb hat die Partei zunehmend an Glaubwüridigkeit verloren. Sie sollte vielleicht weniger versprechen, aber das wenigstens halten!

Martin Schulz: So gewinnt die SPD die Bundestagswahl 2017

Martin Schulz ist gegen ein neoliberales Europa und gegen die "Söldner der Kapitalkräfte".Gut gebrüllt Löwe! Aber Schulz leidet offenbar unter einer falschen Wahrnehmung.
Schröder-Blair-Papier 1999. Die europäische Sozialdemokratie wurde spätestens jetzt auf neoliberalen Kurs gebracht. 2000: extreme Steuerreform durch Hans Eichel zugunsten der Kapitalseite. Zeitweiliger
Wegfall des kompletten Ertrages der Körperschaftssteuer. 2003: Agenda 2010 / Hartz-Gesetze. Renten"reform" Riester / Arbeitsmarkt"reform" Hartz.
2007: Mehrwertsteuererhöhung von 16 auf 19 %. Diese 'Konsumsteuer'
trifft JEDEN mit dem 'gleichen' Steuersatz! Die alleinerziehende, hart arbeitende Krankenschwester und den Multimillionär! 2008: weitere radikale steuerliche Entlastung durch Steinbrück per Absenkung des Körperschaftssteuersatzes. (Die Körperschaftssteuer (=Einkommensteuer der Kapitalgesellschaften) sank 2008 auf 15 %!) Lt. DGB klartext vom 04.11.2013 /39/2013 verursachten die Steuersenkungen zugunsten der
Spitzenverdiener von 1998-2011 Mindereinnahmen von rd. 386,4 Milliarden Euro. Die Erbschaftssteuer"reform " 2016 bringt weiterhin keine Steuergerechtigkeit! Das IST Neoliberalismus!
Helmut Gelhardt

Martin Schulz: So gewinnt die SPD die Bundestagswahl

Vielen Dank, lieber Helmut Gelhardt, für diese Klarstellung. Hinzuzufügen wäre noch: Die Willfährigkeit der Parteiführung gegenüber den Zumutungen der verschiedenen unter Ausschluss der Öffentlichkeit verhandelten Freihandelsverträge, die lediglich den Großunternehmen dienen, aber Arbeitsplätze nicht sichern, sondern vernichten werden. Mit dieser Politik - und am Ende noch Martin Schulz als Spitzenkandidaten - steuert die Partei zielsicher ihrer Marginalisierung entgegen.

Wir brauchen eine neue SPD

..., da leider nicht nur Martin Schulz unter falscher Warhnehmung leidet. Aktuell ist das bei ihm natürlich wunderschön zu beobachten. Auf der einen Seite die linke Seele der SPD mit ein paar warmen Worten streicheln, auf der anderen Seite CETA durchpressen wollen. Ich fühle mich immer noch als Sozialdemokrat, aber ich kann bei Hartz IV und CETA weder soziale noch demokratische Elemente entdecken.

Leider ist der sozialdemokratische Gedanke vielen unserer Berufspolitiker abhanden gekommen, deswegen müssten wir entweder innerhalb der SPD massiv erneuern oder eine neue sozialdemokratische Partei gründen.

So gewinnt die SPD die Bundestagswahl 2017

Endlich spricht einer aus, was unserer SPD fehlt. Natürlich dürfen das keine Lippenbekenntnisse sein, sondern jetzt müssen in unseren Programmen auch Fakten folgen. Die SPD muss die Menschen abholen, denen es in unserem Land nicht so gut geht und die z. B. trotz eines langen Arbeitslebens nicht ausreichend Rente haben, um ihren Lebensabend in Ruhe zu genießen. Ja es wurden in der Vergangenheit viele Fehler gemacht, die man heute erkannt hat und deshalb nachsteuern muss. Wichtig ist ehrlich und Transparent zu sein, damit die Bürger wieder vertrauen gewinnen in die Politik. Glück auf

Martin Schulz: So gewinnt die SPD die Bundestagswahl 2017

Ich will gerne glauben, dass das von Martin Schulz balsam für die sozialdemokratische Seele ist. Um Wahlen zu gewinnen, fehlt meiens Erachtens aber noch einiges, es sei denn der Artikel verkürzt die Aussagen von Martin Schulz unzulässig. Mir fallen spontan weitere Politikfelder ein wie Bildung, Gesundheit, Verkehr nur um einige zu nennen und gleichtig die ganz große Frage nicht zu verschweigen: Wie hält es die SPD mit Krieg und Frieden?