Analyse

Weiter mit Links? Portugal vor der Parlamentswahl

Reinhard Naumann04. Oktober 2019
Liegt in den Umfragen vorn: Portugals Ministerpräsident António Costa
Liegt in den Umfragen vorn: Portugals Ministerpräsident António Costa
Am Sonntag wird in Portugal ein neues Parlament gewählt. Der Wahlsieg dürfte den portugiesischen Sozialisten mit António Costa sicher sein. Ob aber das Links-Bündnis überdauert, ist fraglich.

Bis vor kurzem deuteten die politischen Umfragen auf einen klaren Sieg der Sozialistischen Partei (PS) bei den am Sonntag anstehenden Parlamentswahlen hin. Sogar die absolute Mehrheit schien für die PS unter Führung des amtierenden Premierministers António Costa in greifbare Nähe zu rücken. Zugleich steuerten die liberal-konservativen Parteien, PSD und CDS, auf historische Tiefstwerte zu. Sie mussten befürchten, in der Summe unter die 30-Prozent-Marke zu sinken und damit ihre Sperrminorität gegen Verfassungsänderungen durch die erweiterte Linke zu verlieren. Ein Horrorszenario für das bürgerliche Lager.

Die Regierungsbildung wird wohl schwieriger als erwartet

Im Laufe des Wahlkampfs konnte die PSD ihre Umfragewerte aber langsam verbessern und das Wiederaufflammen eines Skandals um einen 2017 erfolgten Waffenraub aus einem Lager der Armee gab ihr weiter Auftrieb. In den jüngsten Umfragen liegt die PSD nur noch sieben Prozentpunkte hinter der PS.

Angesichts dieser neuen Lage wird der Wahlkampf für die Sozialisten, die sich schon als unangefochtene Sieger wähnen konnten, in ihrer Endphase zu einem sehr harten Kampf. Und auch die Regierungsbildung wird voraussichtlich schwieriger als erwartet.

Ungeachtet des Erstarkens der PSD auf den letzten Metern ist aber zu erwarten, dass die PS und die Parteien, die die Arbeit der Sozialistischen Minderheitsregierung seit 2015 unterstützt und mitgestaltet haben, in der Summe die absolute Mehrheit der Stimmen erhalten werden. Die PS steht in den Umfragen bei 35 bis 37 Prozent, der Linksblock (BE) bei zehn Prozent und die orthodoxe Kommunistischen Partei (PCP)  bei sechs bis acht Prozent. Hier ist noch die Partei „Personen-Tiere-Natur“ (PAN) zu addieren, die die PS-Regierung in entscheidenden Abstimmungen unterstützt hat. Die PAN kann mit drei Prozent der Stimmen rechnen, damit hätte sie ihr Ergebnis von 2015 verdoppelt.

Erfolgreiche Politik der linken Regierung

Der voraussichtliche Sieg des Links-Bündnisses an den Urnen ist der erfolgreichen Politik in der aktuellen Legislaturperiode geschuldet. Entgegen aller Erwartungen erwies sich das Bündnis von PS und Linken als solide und politisch stabil. Wirtschaft und Beschäftigung verzeichneten gute Wachstumsraten, die Staatsfinanzen entwickelten sich sehr positiv und Maßnahmen wie die Anhebung des gesetzlichen Mindestlohns, der Gehälter im öffentlichen Dienst und der Sozialleistungen erhöhten das verfügbare Einkommen der Bevölkerung. Zudem stärkte die PS-Regierung mit Unterstützung der Linken die staatliche Sozialversicherung und die öffentlichen Schulen. Auch im Gesundheitswesen und im öffentlichen Personenverkehr wurde das Angebot verbessert.

Die PS trumpfte mit diesen Erfolgen im Wahlkampf auf. Sie konnte darauf verweisen, dass ihre wachstumsorientierte Politik den Wohlstand gesteigert und zugleich die Konsolidierung der öffentlichen Haushalte vorangetrieben hat. Damit nahm sie den rechten Parteien das zentrale Argument gegen ihre Politik und konnte sich auch gegenüber weiter links stehenden Wählerinnen und Wählern positiv darstellen.

PS und Linksblock hätten zurzeit eine Mehrheit

Im Laufe des Wahlkampfs traten aber zwangsläufig auch die Widersprüche zwischen PS, Linksblock und Kommunisten hervor, insbesondere in Bereichen wie Arbeitsgesetzgebung, Besteuerung finanzieller Renditen und Wohnungspolitik. Die Frage ist nun, ob die Beteiligten trotz der teils tiefgreifenden Meinungsunterschiede nach dem Wahltag zu einer Erneuerung des Bündnisses mit einer aktualisierten Agenda zusammenfinden. Vieles deutet darauf hin, dass die orthodoxen Kommunisten (PCP) aussteigen und zu ihrer traditionellen Rolle der Fundamentalopposition zurückkehren wollen. Der Linksblock (BE) dagegen könnte unter bestimmten Voraussetzungen zur Fortsetzung des Experiments bereit sein. Nach den gegenwärtigen Umfragen hätten PS und Linksblock gemeinsam eine absolute Mehrheit im Parlament.

Angesichts der positiven Bilanz der Zusammenarbeit der PS mit der radikalen Linken könnte die Fortführung dieses Experiments – wenn auch in geänderter Zusammensetzung und Form – den eingeschlagenen Weg einer wachstumsorientierten und sozialen Politik konsolidieren. Aber erst die Wahlen werden zeigen, welchen Spielraum Portugals Linke in den nächsten Jahren hat.

Der Text erschien zuerst im IPG-Journal.

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Kommentare

Wendehälse ?

Vor ein paar Jahren war die Anti-Austeritätspolitik der portugiesischen Pegierung noch der "Gottseibeiuns" für die SPD und die mit ihr verbandelten EU-Parteien. Ist ja schön, daß der vorwärts Gutes über diese Regierung schreibt, aber lassen sich ein Olaf Scholz und seinesgleichen da eines Besseren belehren ?

Deutsche schwarze Null schadet auch Portugal !!!

Ob die Politik bon Costa erfolgreich sein kann, hängt vielleicht ausser an seinen eigene Ambitionen vielleicht viel mehr vom politischen Reformwillen der anderen maßgeblich vom EU-Binnenmarkt maximal profitierenden Ländern Deutschland und Frankreich ab. Inbesondere Deutschland hat hier, trotz maximalen entgegenkommen der EZB mit anhaltender Niedrigzinspolitik enormen Nachholbedarf bei Investitionen in Deutschland und innerhalb Europas. Gerade was Klima-, Natur- und Ressourcenschutz sowie eine nachhaltige, ressourcen und klimaschonende Verkehrsinfrasruktur anbelangt, gäbe es mehr als genug zu investieren zum iegenen Vorteil und zum Vorteil sogenannter strukturschwacher Staaten.
Die EU muss ihre Förderpolitik insbes. im Agrarbereich ändern und menschen, tier- und naturfeindliche Billigware verhindern. Angemessener EU-Mindestlohn muss Wirklichkeit werden ! So profitiert auch Portugal wenn zugleich die Qualität stimmt !

Portugal vor der Parlamentswahl

"Ob aber das Links-Bündnis überdauert, ist fraglich." Warum denn gleich dieses Schlechtreden, bevor die Wahl überhaupt gelaufen ist?

Der Verfasser gesteht in seinem Artikel, dass diese Regierung, die trotz Widerstand des damaligen Staatspräsidenten, der der Troika und deren Einflüsterer Schäuble hörig war, zustande kam, eine erfolgreiche Politik - gegen Schäubles Austeritätsdiktat - realisieren konnte.

Ich wünsche daher dem Linksbündnis für die Wahl viel Erfolg

Portugal nach der Parlamentswahl

Meine Gratulation an Costa. Das Wahlergebnis ist ein Beweis, dass die Abkehr vom neoliberalen Kurs der früheren Regierung unter der Ägide von Troika und Schäuble sowohl für die Menschen in Portugal wie auch für die PS vollkommen richtig war.

Wann wird die SPD es lernen, diesen Schwenk, der auch eine wirksame Politik gegen ein weiteres Erstarken der AfD wäre, nachzuvollziehen?