
Eine Aufwertung geringer Renten über die Grundrente hinaus, fordert Verena Bentele, Präsidentin des Sozialverbandes VdK Deutschland. Auch müsse, wer ein Leben lang in körperlich und psychisch anstrengenden Berufen gearbeitet habe, früher in Rente gehen können, und zwar ohne Abschläge, fügt Bentele auf einer Pressekonferenz mit dem Titel „Länger leben, später in Rente – ist das sozial gerecht?“ hinzu.
„Wer arm ist, stirbt früher“
Hintergrund ihrer Forderungen sind die Ergebnisse einer vom VdK in Auftrag gegebenen Studie des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW), die gemeinsam am Montag in Berlin präsentiert wurden. Danach ergeben sich deutliche Unterschiede in der Lebenserwartung für Männer und Frauen ab einem Alter von 65 Jahren, und zwar abhängig von ihrer Stellung im Beruf, ihrer Arbeitsbelastung und ihrem Einkommen, erklären die DIW-Ökonomen Peter Haan und Maximilian Schaller.
Konkret zeigt die Studie unter anderem, dass heutige Rentner, die früher als sozialversicherungspflichtige Arbeiter tätig waren, im Vergleich zu ehemaligen Beamten mehr als fünf Jahre kürzer leben. Bei Frauen sei der Unterschied zwar geringer, aber laut der Studie mit drei Jahren immer noch deutlich sichtbar, sagt Schaller. Auch eine hohe berufliche Belastung wirke sich negativ auf die Lebenserwartung aus: Rentner*innen, die in Berufen mit hoher Belastung gearbeitet haben, leben drei Jahre kürzer im Vergleich zu jenen, bei denen die Belastung geringer war. Und auch das Haushaltseinkommen sei entscheidend: „Wer arm ist, stirbt früher“, fasst es Bentele zusammen. Laut der Studie leben Männer, die ein geringeres Einkommen haben oder von Armut bedroht sind, etwa sechs Jahre kürzer als Männer aus wohlhabenden Haushalten. Bei Frauen liegt der Unterschied bei vier Jahren.
früher in Rente ohne Abschläge
Für Bentele sind diese Ergebnisse ein Beleg dafür, dass die verschiedenen Altersvorsorgesysteme in Deutschland zutiefst ungerecht sind. Geringverdienende Menschen, die in körperlich und psychisch belastenden Berufen arbeiten – etwa auf Baustellen, als Kassierer*innen oder in Pflegeberufen – würden durch sie im Alter deutlich schlechter gestellt als Menschen mit höheren Einkommen in weniger belastenden Berufen, kritisiert sie. Gleichzeitig warnt sie vor einer pauschalen Erhöhung des Renteneintrittsalters: Sie würde die „soziale Spaltung in der älteren Bevölkerung weiter verschärfen und zu noch mehr Altersarmut führen“, erklärt sie. Stattdessen fordert sie einen differenzierten Blick.
Geringe Renten bräuchten eine Aufwertung und auch für erwerbsgeminderte Menschen müsse mehr passieren. Die Grundrechte sei richtig, aber nicht perfekt, sagt sie. Zum einen müsse, wer lange gearbeitet habe, mehr haben als die Grundrente. Bentele fordert unter anderem: „Wer etwa ein Leben lang in körperlich und psychisch anstrengenden Berufen gearbeitet hat, muss früher in Rente gehen können, und zwar ohne Abschläge auch schon mit 63.“ Zum anderen seien die für den Anspruch auf Grundrente erforderlichen 33 Erwerbsjahre für Erwerbsminderungsrentner*innen nicht immer erreichbar. Der Bezug von Erwerbsminderungsrente müsse zur Anrechnungszeit hinzugezählt werden, fordert Bentele. Auf die Frage zur Finanzierung dieser Maßnahmen verweist sie auf die Rente für alle, in die auch Beamt*innen und Selbstständige einzahlen.
Vorbild Österreich
Neben der Einführung einer Erwerbstätigenversicherung spricht sich der VdK auch für einen höheren Beitrag der Arbeitgeber*innen zur Rentenversicherung aus. In Österreich zahlten die Arbeitgeber*innen zwei Prozent mehr, erklärt Samuel Beuttler-Bohn, VdK-Referent für Rente. Das sei gerecht, denn in Deutschland zahlten Arbeitnehmer*innen bis zu vier Prozent ihres Jahresbruttoeinkommens in ein Riesterprodukt ein. Österreich sei auch ein gutes Beispiel für das Funktionieren der Erwerbstätigenversicherung, sagt er. In der Übergangsphase käme es zwar zu mehr Ausgaben, aber dafür würden in der Zukunft die hohen Ausgaben für die Pensionen wegfallen.
Neben möglichen Rentenreformen plädiert DIW-Studienleiter Peter Haan dafür, früher im Lebenszyklus und im Arbeitsleben ansetzen. Umschulungen und Maßnahmen, die es ermöglichen, am Arbeitsplätz gesünder zu arbeiten, sollten ausgebaut werden. Ansätze hierzu gebe es bereits, doch gerade in vielen prekären Berufen sei das eben nicht so.