Gianni Sparapan: Eolo

Aus dem Leben eines Partisanen

17. September 2011

Er wurde nur 26 Jahre alt. An einem kalten Sonntagvormittag im Februar 1945 fand Eolo Boccato in einem unterirdischen Versteck in der Nähe seiner Heimatstadt Adria durch eine Granate den Tod.
Ihm war eine jahrelange Treibjagd der italienischen Faschisten und der Wehrmacht vorausgegangen mit brutalen Aktionen und Vergeltungsreaktionen auf beiden Seiten.

Für die italienischen und deutschen Faschisten ein Verbrecher und Mörder, galten Boccato und seine Getreuen vielen Italienern als Freiheitskämpfer und letzter Widerstand gegen die "Republik
von Salò". Sie war nach dem Sturz Mussolinis als "Duce" vom Deutschen Reich in Norditalien eingerichtet worden.

Anarchist gegen Faschisten

Geprägt von seinem anarchistischen Vater Amerigo wuchs Eolo Boccato als dessen ältester Sohn im italienischen Städtchen Adria im Norden des Po-Deltas auf. Von seinen Lehrern ließ er sich
ebenso wenig sagen wie von konservativ geprägten Nachbarn oder gar der Stadtverwaltung. So wuchs Eolo zu einem Menschen mit rebellischem Geist heran und entschloss sich schließlich im Sommer
1944, in den Untergrund zu gehen und mit einer Partisanentruppe gegen die Faschisten zu kämpfen.

Der Lehrer und Autor Gianni Sparapan hat dieses "Leben und Schicksal eines italienischen Anarchisten" bereits 2002 aufgezeichnet. Jetzt ist es auch in deutscher Übersetzung erschienen.
Episodenhaft erzählt der Autor Eolos Aufwachsen nach, beschreibt seine Familie und Freunde und erklärt seine politische Prägung. Den Hauptteil von Sparapans romanhafter Erzählung nimmt freilich
die Beschreibung des Treibens der Boccato-Bande und ihres Widerstand gegen die Mussolini-Faschisten während deren zweiter Diktatur ein.

Anhand historischer Dokumente hat Sparapan die damaligen Vorgänge rekonstruiert und um einige erdachte Szenen, Personen und Dialogen ergänzt. Entstanden ist so die anschauliche Beschreibung
einer Zeit, die als eine der dunkelsten in der Geschichte Italiens gilt.

Historisches Lesebuch und Psychogramm

Und obwohl eine Sympathie für Eolo Boccato unverhohlen zum Vorschein kommt, sind Sparapans Beschreibungen keineswegs einseitig. Vielmehr wird dem Leser schnell klar, wie sich Gewalt und
Gegengewalt innerhalb von Tagen hochschaukelten und zu einer Spirale von Wut, Hass und Unmenschlichkeit auf beiden Seiten führten.

So stellt der Autor Eolo Boccato als einen fröhlichen, aufgeschlossen, aber entschlossenen jungen Mann vor, der seine Frau und seine kleine Tochter liebt. Doch der brutale Mord seines
Bruders durch den Faschisten macht aus Eolo eine Bestie, die auf Rache sinnt und Faschisten mordend durch die Po-Ebene streift.

Gianni Sparapan hat mit "Eolo" nicht nur ein historisches Lesebuch verfasst, das seinen Lesern ein dunkles Kapitel der Geschichte anschaulich näher bringt, sondern auch das Psychogramm
eines gebrochenen Mannes, der irgendwann seinem eigenen Hass nicht mehr entkommen konnte. Die oftmals einfachen Dialoge tun dem Lesevergnügen dabei keinen Abbruch.

Gianni Sparapan: Eolo. Leben und Schicksal eines italienischen Anarchisten 1918-1945, Donat Verlag 2011, ISBN 978-3938275801, 12,80 Euro

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