Krankenhausreform

Lauterbach: Warum der Krankenhaus-Sektor eine Revolution braucht

Vera Rosigkeit05. Januar 2023
Die Krankenhausversorgung soll künftig wieder stärker nach medizinischen und weniger nach ökonomischen Gesichtspunkten ausgerichtet werden, sagt Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach
Die Krankenhausversorgung soll künftig wieder stärker nach medizinischen und weniger nach ökonomischen Gesichtspunkten ausgerichtet werden, sagt Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach
Die Krankenhäuser sind in einer Notlage, sagt Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach. Gemeinsam mit den Bundesländern soll bis zum Sommer eine Reform erarbeitet werden, die das ändern soll.

Gemeinsam mit den Gesundheitsminister*innen der Länder hat Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) am Donnerstag über seinen Vorschlag zur Krankenhausstrukturreform beraten. Die darin enthaltenen Empfehlungen hatte eine Regierungskommission auf Basis wissenschaftlicher Erkenntnisse, Fakten und Daten im vergangenen Jahr erarbeitet.

Krankenhäuser in Notlage

„Die Krankenhäuser sind in einer Notlage, rund 60 Prozent der Krankenhäuser haben erhebliche finanzielle Probleme,“ sagte Lauterbach im Anschluss an die erste gemeinsame Sitzung der Arbeitsgruppe Bund-Länder-Krankenhausreform auf einer Pressekonferenz in Berlin. In der Problemanalyse habe man heute zusammengestanden, es habe ein gemeinsamer Konsens geherrscht, erklärte er und wertete den Auftakt der Gespräche als gelungen.

Lauterbach wiederholte seine Kritik am System der Fallpauschalen, das dazu geführt habe, dass die Krankenhäuser immer mehr versucht hätten, durch mehr Leistungen die Gewinne oder zumindest das Vermeiden von Verlusten zu realisieren. „Das ist nicht mehr möglich“, so Lauterbach. Denn es fehle an Pflegepersonal und viele Bürger*innen seien nicht mehr Willens, in die Krankenhäuser zu gehen, wo Leistungen nicht mehr in der notwendigen Qualität erbracht würden. Ohne Reform würden viele Krankenhäuser in die Insolvenz gehen, betonte Lauterbach. Zudem sei die Qualität deutlich schlechter als sie sein müsste.

Fallpauschalen vor dem Aus

„Wir stehen am Vorabend einer notwendigen Revolution im Krankenhaus-Sektor“, so Lauterbach. Diese „Revolution“ hatte er bereits im Dezember auf einer Pressekonferenz dargelegt. Danach soll die Krankenhausversorgung in Deutschland künftig wieder stärker nach medizinischen und weniger nach ökonomischen Gesichtspunkten ausgerichtet werden. Grundlage der Finanzierung soll dann nicht mehr das bisherige System der Fallpauschalen sein, einem pauschalisierten Abrechnungsverfahren, mit dem Patient*innen anhand von medizinischen Daten Fallgruppen zugeordnet werden. Vielmehr sollen künftig Vorhalteleistungen finanziert werden.

Bis zur Sommerpause soll ein Finanzierungsplan gemeinsam mit den Ländern entwickelt werden, so lautet das von Lauterbach am Donnerstag erklärte Ziel. Der soll dann Gesetz werden, das von Bund, Ländern und Fraktionen zusammen erarbeitet wird und in der Bevölkerung eine möglichst große Zustimmung erfährt. Als Arzt und Wissenschaftler sehe er die Qualitätsdefizite des aktuellen Systems sehr deutlich, erklärte Lauterbach. „Wir könnten in der Qualität sehr viel besser sein, wenn wir eine andere Vergütungsstruktur hätten“, ist er überzeugt.

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Kommentare

Der Revoluzzer aus dem Establishment

Zur Wahrheit gehört, dass Karl Lauterbach an federführender Stelle an der Gestaltung dieser schlechten Finanzierungsstruktur mitgewirkt hat. Man kann ihm mit Fug und Recht auch "Mr. Fallpauschale" nennen. Nun ist es erfreulich, wenn er erkennt, dass er seinen Fehler korrigieren muss. Und ich erwarte auch nicht, dass er angesichts seines Fehlers in Sack und Asche geht. Seine Erkenntnis und die darauf basierenden Handlungen sind ehrenwert.

Aber ich erwarte jetzt Ergebnisse, die dem Etikett einer "Revolution" auch Rechnung tragen. Und hier beginnt meine Skepsis. Haben der Gesundheitsminister und hinter ihm die Bundesregierung und die Bundestagsmehrheit gegenüber der Gesundheits- und Pharmaindustrie nach Jahrzehnten der stringenten Kommerzialisierung des Gesundheitssystems überhaupt die Durchsetzungsstärke und den erforderlichen Durchsetzungswillen, um wieder stärker Gesundheit und Vorsorge in den Mittelpunkt zu stellen?

Leider bin ich nach den Erfahrungen der letzten Jahre und Jahrzehnte skeptisch geworden, wie viel (oder besser: wie wenig) die Bundespolitik tatsächlich zu sagen hat, wenn das Großkapital hustet.