Pandemie

Lauterbach: Frühestens im Herbst Herdenimmunität durch Corona-Impfung

Jonas Jordan18. Dezember 2020
Am 27. Dezember sollen die Corona-Impfungen auch in Deutschland beginnen. SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach warnt vor überzogener Euphorie.
Am 27. Dezember sollen die Corona-Impfungen auch in Deutschland beginnen. SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach warnt vor überzogener Euphorie.
Noch vor Ende des Jahres könnten die ersten-Corona-Impfungen in Deutschland starten. Laut SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach ist es höchste Zeit. Herdenimmunität werde Deutschland dennoch frühestens im Herbst 2021 erreichen.

Die Bilder gingen in der vergangenen Woche um die Welt: Die 90-Jährige Margaret Keenan aus Coventry wurde als erste Patientin in Großbritannien gegen Covid-19 geimpft. Auch in Kanada und den USA sind bereits erste Impfstoffe zugelassen – die Impfungen haben begonnen. Wie das Nachrichtenmagazin Spiegel berichtet, sollen alleine in den USA gut hundert Millionen Amerikaner*innen bis Ende März zweimal geimpft sein und somit im besten Fall immun gegen eine Corona-Erkrankung. In der Europäischen Union ist bislang noch kein Impfstoff zugelassen.

Lauterbach: „Es wird allerhöchste Zeit“

Voraussichtlich in der kommenden Woche am Mittwoch, 23. Dezember, will die EU-Arzneimittelbehörde (EMA) den Impfstoff des deutsch-amerikanischen Herstellers Biontech/Pfizer EU-weit zulassen. Am 6. Januar könnte die Zulassung eines weiteren Corona-Impfstoffes folgen. Es geht um das Präparat des US-Herstellers Moderna, teilte die Behörde in Amsterdam mit. Das sind sechs Tage früher als zunächst geplant. Für SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach ist es trotzdem höchste Zeit. „Es wird allerhöchste Zeit. Ich schätze, dass es irgendwann nach Weihnachten sofort los geht, aber noch vor dem neuen Jahr“, sagte er im Interview mit dem „vorwärts“.

Inzwischen ist klar: Voraussichtlich am 27. Dezember sollen mobile Teams in Pflegeheimen mit ersten Impfungen beginnen. „Wir haben durch die späte Zulassung der Europäischen Arzneimittelbehörde Zeit verloren, aber jetzt muss man nach vorne blicken. Die ersten Impfungen in Pflegeeinrichtungen werden noch in diesem Jahr geschehen können – zum Glück!“, so Lauterbachs Einschätzung. Denn insbesondere in Pflegeeinrichtungen nahmen die Corona-Todesfälle in Deutschland zuletzt stark zu. In Berlin war jeder zweite Corona-Tote Pfegeheim-Bewohner*in. In Hessen betrafen im November gar zwei Drittel der Corona-Toten Altenheime.

Zuletzt sorgte in dem Bundesland ein Fall im mittelhessischen Marburg für Aufsehen: Dort waren 39 von derzeit 41 Bewohner*innen positiv auf das Virus getestet sowie 32 Beschäftigte. Zeitweise war das gesamte Personal in der Einrichtung krank geschrieben oder in Quarantäne. Dadurch seien die Bewohner*innen zeitweise sogar komplett unbetreut und medizinisch unterversorgt gewesen.

Breite Bevölkerung erst im Herbst 2021 impfen

Nach Einschätzung von Karl Lauterbach werde es aber noch dauern, bis die Impfungen hierzulande in der breiten Bevölkerung für spürbare Entlastung sorgen werde. „Herdenimmunität durch Impfungen erreichen wir aus meiner Sicht allenfalls im Herbst nächsten Jahres. Wir müssen darauf hoffen, dass der Oxford-Astra-Impfstoff ebenfalls zugelassen wird und wirksam sein kann. Dann haben wir eine Chance, zumindest die Risikogruppen alle bis in den Sommer hinein zu impfen“, sagte der SPD-Bundestagsabgeordnete auf Nachfrage des „vorwärts“. Der britisch-schwedische Hersteller AstraZeneca musste seine Impfstoffstudie zeitweise unterbrechen.

Die breite Bevölkerung werde erst im Herbst geimpft werden können, glaubt Lauterbach daher. „Auch diese sind für Neuinfektionen natürlich sehr gefährdet, weil nicht jeder mit Risikogruppen sich impfen lassen wird. Daher werden wir über das gesamte Jahr noch in einer gefährlichen Situation leben“, so die Prognose des SPD-Gesundheitsexperten für das kommende Jahr.

Auch die gesundheitspolitische Sprecherin der SPD-Fraktion Sabine Dittmar glaubt nicht an eine schnelle Rückkehr zur Normalität. „Die Impfung bietet nach den bisherigen Erkenntnissen den Schutz des Geimpften vor der Erkrankung COVID-19. Über die Infektiosität des Geimpften, also ob er weiterhin ansteckend ist, haben wir leider noch nicht genügend Informationen. Deshalb bleiben – mit oder ohne Impfung – das Einhalten der Hygieneregeln und das Beachten der Kontaktbeschränkungen auch in den nächsten Monaten wichtig“, sagt sie im Interview mit dem „vorwärts“

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Kommentare

Schade das kein Notstand ausgerufen wird

Denn dann würden nicht etwa die vielzitierten "Risikogruppen" die Versuchskaninchen sein sondern klare Regeln gelten, wem die Impfdosen zuerst gespritzt werden. Unter Anderem dem Bundestag.
Wer ist eigentlich bei Nebenwirkungen in der Haftung ?

Übrigens haben die bösen Russen ihren Impfstoff mit den Briten geteilt, es existiert ein Kooperationsprojekt für einen traditionellen Impfstoff der aus den beiden Ansätzen zusammengeführt werden soll um damit die Impfdosen auf eine statt zwei zu reduzieren und die Verträglichkeit und Wirksamkeit zu verbessern.

https://www.manager-magazin.de/unternehmen/pharma/corona-impfstoff-astra...
(BBC, Economist und TheRegister betrachte das detaillierter aber der Link hier soll reichen)

Irgendwie scheint der Herr Lauterbach zu übersehen das die Infektionsraten und sonstige "Corona-Zahlen" diesen Sommer ohne drastische Eingriffe wie Lockdowns und ähnliche Entgleisungen deutlich runtergegangen sind und diesen Sachstand nicht in seine Prophezeiung einarbeiten zu wollen.

Naja und dann gibts noch Schweden...

Schweden

Maskenempfehlung im ÖPNV. Und

Maskenempfehlung im ÖPNV. Und das auch erst ab 7. Januar. Die Details sind noch nicht genannt worden.

Apropos Schweden und die Folgen der Schweinegrippe-Impfung. Ob Lauterbach davon schon gehört hat?
https://web.de/magazine/news/coronavirus/coronakrise-schweden-misstrauen...

Impfstoffe

Soweit mit bisher bekannt beharren die Pharmakonzerne auf ihrem Patentrecht für Impfstoffe und auch die wertewestlichen Regierungen scheinen keine Schritte zur Lockerung des Patentrechts zu machen. Gerade das aber könnte die Länder des Südens in die Lage versetzen selbst Impfstoffe zu produzieren, ohne vom weißen Massa-Buana abhängig zu sein. Irgendwie riecht das unangenehm nach Rassismus, aber internationale Solidarität ist angesagt.
Vielleicht machen es die bösen Russen und die noch bösereren Chinesen besser als der Wertewesten.

Krise steht erst am Anfang

Politiker wie Hr Lauterbach scheinen nicht einsehen zu wollen,dass durch Impfstoffe die Krise nicht beendet wird. Durch Corona wurde lediglich eine krisenhaften Entwicklung in Gang gesetzt, die noch lange anhalten wird. Alleine die Wirtschaftskrise und die Zerüttung der öffentlichen Haushalte werden noch viele Jahre Thema sein.

Durch die schwerwiegenden Versäumnisse der Politik wurden diese Krisen vertieft und verschärft. Für die Toten - gerade in den Heimen - trägt die Politik zumindest eine moralische Verantwortung. Jeder muss für sich selbst schauen, ob er es mit seinem Gewissen vereinbaren kann, im Amt zu bleiben. Rücktritte wären sicher ehrenhafter und angemessen, etwa des Gesundheitsministers. Einen Untersuchungsausschuss braucht es auf jeden Fall.

Wir stehen nicht "mitten" in der Krise, sondern erst am Anfang. Unsere Gesellschaft war schon vorher teilweise angeschlagen, nervös, gereizt und rissig. Es ist zu vermuten, dass sich diese Tendenzen in den nächsten Jahren deutlich verschärfen werden. Die politische Landschaft dürfte als Folge dieser Krisen nachhaltig neu durchgemischt werden. Mit den absehbaren Folgen für die angeschlagene SPD.

Warum traut sich der Vorwärts nicht?

Lauterbach als SPD-Gesundheitspolitiker bekommt hier zu recht ein Forum. Wolfgang Wodarg ist ein Genosse, Mediziner, Gesundheitspolitiker, ex-MdB und ehrenamtlich bei Transparency-International tätig. Was spricht gegen einen Beitrag von Wodarg im Vorwärts? Nicht tragfähig sind folgende Argumente:

Er ist persona non grata! Das kann für den Vorwärts kein Maßstab sein.

Er ist wissenschaftlich widerlegt! Wissenschaftlicher (und zudem politischer) Disput ist ein Kennzeichen und kein Makel, also auch kein Grund. Kekule muss das gerade schmerzhaft spüren.

Er hat nichts interessantes zu sagen. Hat er doch und er besitzt geradezu das idealtypische Kompetenzprofil für einen interessanten und kritischen Beitrag zum Thema Corona (siehe oben). Wenn sein Profil nicht anerkannt wird, dann sei er zumindest ein Gegenpart zu Lauterbach.

Streit spaltet die Partei! Die SPD, wie ich sie kenne, hat immer von politischem Diskurs, der mitunter sehr streitig war, profitiert.

Es bleibt: Der Vorwärts fürchtet sich davor, einem vermeintlichen Verschwörungstheoretiker eine Bühne zu geben! So what, darüber müssen Genossen stehen.

Gleichschritt war jedenfalls noch nie Genossenpflicht.

Experten

Das hat nichts mit "sich nicht trauen" zu tun. Nach Ihrer Logik müssten wir auch Menschen zu Wort kommen lassen, die behaupten, die Sonne würde sich um die Erde drehen oder selbige sei eine Scheibe. Diese Behauptungen sind aber mittlerweile ebenso widerlegt wie die von Wolfgang Wodarg. Mit "politischen Disput" hat das rein gar nichts zu tun.