SPD-Generalsekretär

Lars Klingbeil: „Wir dürfen nicht in Gewinnern und Verlierern denken.“

Karin NinkKai Doering08. November 2021
SPD-Generalsekretär Lars Klingbeil: Alle haben verstanden, dass die Geschlossenheit Ausgangslage für den Erfolg ist.
SPD-Generalsekretär Lars Klingbeil: Alle haben verstanden, dass die Geschlossenheit Ausgangslage für den Erfolg ist.
Als Generalsekretär hat er den Wahlkampf der SPD gemanagt. Nun organisiert er die Koalitionsverhandlungen mit Grünen und FDP mit. Im Interview sagt Lars Klingbeil, worauf es ihm bei den Verhandlungen ankommt und welche Rolle die SPD-Basis spielt.

25,7 Prozent bei der Bundestagswahl nach einer furiosen Aufholjagd in den Wochen zuvor: Was war am Ende entscheidend für den Wahlsieg der SPD?

Wir haben aus den Fehlern vergangener Kampagnen gelernt und vieles besser gemacht: Wir haben frühzeitig unseren Kanzlerkandidaten bestimmt, gemeinsam mit ihm und der gesamten Partei das Programm geschrieben und sind trotz monatelanger mauer Umfragewerte nie unsicher geworden. Dieser Wahlsieg war eine enorme Teamleistung. Die ganze Partei – von den beiden Parteivorsitzenden bis zur Basis mit unseren 400.000 Mitgliedern – hat an einem Strang gezogen. Diese Geschlossenheit und die Überzeugung, dass die SPD mit Olaf Scholz die nächste Bundesregierung anführen kann, haben uns so stark gemacht. Unsere Motivation hat nach außen gestrahlt und wir konnten die Wählerinnen und Wähler von unserem Programm überzeugen: Der Kampf gegen Kinderarmut, ein Mindestlohn von 12 Euro, bezahlbare Mieten, stabile Renten und Klimaschutz, der Innovationen und Arbeitsplätze schafft. Mit diesen Kernthemen wussten alle unsere Wahlkämpferinnen und Wahlkämpfer ganz genau, wofür wir als SPD stehen. Das hat auch enorm geholfen.

Wie verändert das die künftige ­Parteiarbeit?

Die Wahl gibt einen enormen Schub. Alle haben verstanden, dass die Geschlossenheit Ausgangslage für den Erfolg ist. Zudem schaffen wir es, eine moderne Volkspartei zu definieren. In der Bundestagsfraktion haben wir viele junge Abgeordnete, viele auch mit Migrationsgeschichte. Wir haben die SPD in Verantwortung modernisiert und neu aufgestellt. Hinzu kommt, dass wir in den ostdeutschen Bundesländern sehr viele Abgeordnete haben, das bietet eine ­Chance, flächendeckend ansprechbar zu sein und Vertrauen aufzubauen. Und es gilt aber auch: Nach der Wahl ist vor der Wahl und 2022 stehen für die SPD im Saarland, in Nordrhein-Westfalen, in Schleswig-Holstein und in Niedersachsen wichtige Entscheidungen an.

Nun organisieren Sie mit ihren ­Kolleginnen und Kollegen von Grünen und FDP die Koalitionsverhandlungen. Wovon lassen Sie sich dabei leiten?

Alle drei Parteien sind davon überzeugt, dass Deutschland einen Aufbruch braucht. Das eint uns. Wir werden dafür in den kommenden Wochen nun den Rahmen definieren. Dazu müssen wir natürlich auch Differenzen überwinden und Kompromisse ausloten. Es kann nicht eine Partei alles für sich herausholen und keine Zugeständnisse machen, so ist das nun mal. Wir dürfen aber nicht in Gewinnern und Verlierern denken, sondern in Themen und gemeinsamen Zielen, wie Modernisierung und Digitalisierung, oder gesellschaftlichem Zusammenhalt. Ich bin dankbar, dass die Zusammenarbeit so vertrauensvoll, konstruktiv und auf Augenhöhe stattfindet.

Wie sollen die Mitglieder in das ­weitere Verfahren einbezogen werden?

Am Ende entscheidet ein Parteitag über den Koalitionsvertrag. Aber die SPD ist eine Mitglieder- und eine Mitmach-­Partei. Das haben wir in der Vergangenheit immer wieder unter Beweis gestellt. Deswegen werden wir davor Möglichkeiten schaffen, uns mit unserer Basis über die Ergebnisse der Verhandlungen auszutauschen. Aber da will ich nicht vorweggreifen, jetzt wird erst mal verhandelt.

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Kommentare

Gewinner und Verlierer

„Nicht in Gewinnern und Verlierern denken, sondern in Themen und gemeinsamen Zielen, wie Modernisierung und Digitalisierung, oder gesellschaftlichem Zusammenhalt“. Ist es Zufall oder nur unbedachte Formulierung, dass der „menschengemachte Klimawandel, eine der größten Herausforderungen unserer Zeit“ (Sondierungspapier), Lars Klingbeil bei diesem Interview nicht einfällt (und auch den Reportern nicht)? Es mag ja sein, dass „alle drei Parteien davon überzeugt sind, dass Deutschland einen Aufbruch braucht“. Aber es kann doch nicht nur mir aufgefallen sein, dass mindestens die FDP mit diesem "Aufbruch" deutlich Anderes im Sinn hat als Grüne und (hoffentlich auch) SPD.
In der Öffentlichkeit ist jedenfalls ein völlig anderes Bild über die „gemeinsamen Ziele“ und ihre Durchsetzung entstanden, als das Interview mit dem Generalsekretär des SPD vermittelt. SPD und Vorwärts sollten nicht zu verliebt in die mögliche Regierung sein.

Regierungsprogramm

Wenn ich lesen muss, daß ein Teil der Renrenbeträge den Zockern der Börsen in den Rachen geschmissen wird, FDP und Grüne die Bahn privatisieren wollen (das ist wohl die Verkehrtwende) und der Bund seine verbliebenen Anteile an Telekom und Post verscherbeln soll, dann wird mir klar, auch wenn die SPD sich noch ziert, daß aus der total verfehlten Privatisierungspolitik unter Schröder, nichts aber gar nichts gelernt wurde.
Öffentliche Infrastruktur muss in öffentlicher Hand bleiben ! (Übrigens die viel geschmähte Beamtenbahn war viel pünktlicher als das heutige staatskapitalistische Unternehmen).
Wird Zeit, daß Cannabis endlich legalisiert wird, damit einem diese unheilschwanger heranwabernde Ampelpolitik wenigsten erträglicher erscheint.

1998 reloaded

Was SPD und "Grüne" eint kennen deren Opfer ja schon von 1998. Nun kommt noch die FDP dazu.

Das nach dem Riester/Rürup-Rentendiebstahl nun der nächste logische Schritt der Zerstörung der Rente zu Gunsten der Finanzwirtschaft erfolgt, ist nur folgerichtig und sollte nicht unerwartet sein. Auch die "Europa-Rente" soll ja zum haftungsfreien Profit von BlackRock und Co. ETF und andere rein fiktive "Aktienwerte" finanzieren. Das bekannte Bild also wieder. Staatsgeld in die Zockerbuden pumpen ohne Mitspracherechte einzufordern.

Man darf also gespannt sein was die Ampel alles an Zumutungen und Sozialabbau schönredet bzw. wo überall die Arbeitsverweigerung der heutigen Politik, die "Alternativlosigkeit" beschworen wird.

/Sarkasmus ein
Ich schlage vor, das für SPD-Abgeordnete ein bedrucktes T-Shirt als neue Kleiderordnung gilt. Aufdruck "Mit dem Koalitionspartner nicht zu machen". So spart man sich dann ewige Wiederholungen der Ausrede, warum man seine verbindlichen Zusagen an die Wähler doch nicht umsetzen will.

Das eine lang überfällige Finanztransaktionssteuer schon gar nicht mehr erwähnt wird, paßt bestens ins Bild.