Sozialdemokratie

Lars Klingbeil: Eine Doppelspitze für den SPD-Vorsitz wäre konsequent

Kai Doering21. Juni 2019
SPD-Generalsekretär Lars Klingbeil.
SPD-Generalsekretär Lars Klingbeil.
Am Montag entscheidet der Parteivorstand über das Verfahren zur Wahl der neuen SPD-Führung. Generalsekretär Lars Klingbeil will dabei die Mitglieder stark beteiligen – und zeigt sich offen für eine Teamlösung beim Parteivorsitz.

Mehr als 23.000 Ideen und Vorschläge der Mitglieder für die Neuwahl der neuen Parteiführung sind innerhalb einer Woche im Willy-Brandt-Haus eingegangen. Haben Sie damit gerechnet?

Nein, damit haben wir wirklich nicht gerechnet. Dass sich so viele Genossinnen und Genossen mit Vorschlägen gemeldet haben, ist überwältigend und freut mich sehr, denn es zeigt, wie lebendig die SPD ist. All die Vorschläge bis zur Sitzung des Parteivorstands am Montag auszuwerten, ist eine ziemliche Aufgabe und ich bin den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern im Willy-Brandt-Haus dankbar, dass sie sich sehr gewissenhaft darum kümmern.

Erste Ergebnisse haben Sie am Montag bereits vorgestellt. Gab es Vorschläge, die Sie besonders überrascht haben?

Die Mitglieder wünschen sich, dass sie sehr breit und offen bei der Suche nach der neuen Parteiführung beteiligt werden. Bei der Frage nach der Doppelspitze ist eine Mehrheit der Einsendungen dafür, aber es gibt auch einige Stimmen dagegen. Auch die Frage, ob Nichtmitglieder über den Parteivorsitz mitentscheiden dürfen sollen, ist eine Kontroverse. Es gibt auch Mitglieder, die sich fundiert Gedanken gemacht haben, wie eine Vorwahl aussehen könnte und unter welchen Voraussetzungen auch Nichtmitglieder abstimmen könnten. Da gab es z.B. einen Vorschlag, dass außer den SPD-Mitglieder auch alle Mitglieder des DGB abstimmen können. Das fand ich interessant. Ob es sich umsetzen lässt, ist jedoch eine andere Frage.

Eine Urwahl, die viele befürworten, ist im Parteiengesetz nicht vorgesehen. Wie könnte eine direkte Beteiligung der Pateibasis bei der Neuwahl der oder des Parteivorsitzenden stattdessen aussehen?

Möglich ist in jedem Fall eine Mitgliederbefragung, deren Ergebnis verbindlich ist und nur noch formal von einem Parteitag bestätigt werden muss. Damit hat die SPD in den Ländern bereits gute Erfahrungen gemacht. Für das Verfahren gibt es viele Möglichkeiten. Die Befragung kann übers Internet erfolgen. Die Ortsvereine können aber auch an einem bestimmten Stichtag Wahlurnen aufstellen, damit die Mitglieder vor Ort entscheiden. Beides würde die Partei sicher mobilisieren. Es darf nur nicht passieren, dass eine Kandidatin, ein Kandidat oder ein Team in einer Befragung eine deutliche Mehrheit bekommt und am Ende nicht vom Parteitag gewählt wird.

Die AsF und andere fordern eine Doppelspitze auch für die Bundespartei. Wie stehen Sie dazu?

Auf dem Parteitag 2017 haben wir in den Statuten den Weg für die Doppelspitze geebnet. In einigen Ortsvereinen wird sie bereits angewandt. Dies nun auf die Bundespartei zu übertragen, wäre aus meiner Sicht konsequent. Doppelspitze heißt für mich dann aber in jedem Fall eine Frau und ein Mann.

Birgt eine Doppelspitze nicht auch Konfliktpotenzial?

Nicht unbedingt. Denkbar wäre ja auch, dass bei einem Mitgliederentscheid Teams aus zwei Personen gemeinsam mit einem Konzept antreten, wie sich die SPD aus ihrer Sicht entwickeln sollte. So ein Modell hat durchaus Charme.

Bisher wollte niemand so richtig seinen Hut in den Ring werfen. Dafür gab es bereits einige Absagen für eine Kandidatur für den Parteivorsitz. Wie bewerten Sie das?

SPD-Vorsitzende und -Vorsitzender zu sein, ist etwas Großartiges! Das sollten wir nie vergessen. Bei einigen, die eine Kandidatur zum jetzigen Zeitpunkt ausgeschlossen haben, kann ich das nachvollziehen. Dass zum Beispiel die drei kommissarischen Vorsitzenden Malu Dreyer, Manuela Schwesig und Thorsten Schäfer-Gümbel ihr Amt ausüben, ohne auf die Zeit danach zu schielen, stärkt ihre Glaubwürdigkeit deutlich. Ich bin mir aber sicher: Sobald das Verfahren feststeht, werden wir eine Vielzahl guter Kandidatinnen und Kandidaten für den Parteivorsitz haben.

Können Sie sich selbst eine Kandidatur vorstellen?

Für mich geht es jetzt erst einmal darum, ein gutes Verfahren auf den Weg zu bringen und es zu einem Prozess der Stärke zu machen. Wir wollen auch nach außen zeigen, wie lebendig unsere Partei ist.

Bereits vor der Europawahl und dem Rücktritt von Andrea Nahles gab es Beschwerden, die Erneuerung der Partei sei kaum wahrnehmbar. Geben die Entwicklungen der letzten Wochen den Kritikern Recht?

Nein. Seit der Bundestagswahl 2017 und dem Parteitag im Dezember ist sehr viel passiert. Ich denke dabei etwa an das Debattencamp, bei dem wir neue Formate der Diskussionskultur eingeführt haben. Auch bei der programmatischen Erneuerung haben wir mit dem Sozialstaatskonzept bereits einiges erreicht. Andrea Nahles hat es damit geschafft, eine fünfzehn Jahre alte Diskussion über Hartz IV zu beenden und den Blick nach vorn zu richten. Parallel dazu haben wir den Umbau des Willy-Brandt-Hauses begonnen und u.a. eine Stabsstelle Gleichstellung eingerichtet. Es ist allerdings auch Teil der Wahrheit, dass jede Krise und jedes Gegeneinander in der Regierung Prozesse innerhalb der Partei in der Wahrnehmung sofort überlagert.

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