90 Jahre Reichsbanner

Der lange Kampf für die Demokratie

Susanne Dohrn10. März 2014

Das "Reichsbanner Schwarz-Rot-Gold" war die größte demokratische Massenorganisation der Weimarer Republik. Auch heute noch setzt sich das Reichsbanner für eine lebendige und starke Demokratie ein. Am Freitag feierte die Organisation ihr 90. Jubiläum.

Am Morgen noch in Kiew auf dem Maidan, am Abend im Hamburger Rathaus zum 90. Gründungsjubiläum des Reichsbanners Schwarz-Rot-Gold – nur auf den ersten Blick hatten die beiden Termine Sigmar Gabriels nichts miteinander zu tun. Auf den zweiten schon, denn beide Male geht es um das Erkämpfen von Demokratie und Freiheit. 

„Die Menschen in Kiew warten darauf, dass die Herrschaft des Rechts einkehrt. Deshalb schätzen sie Europa“, sagte der SPD-Vorsitzende Sigmar Gabriel und war damit mitten im Thema des Abends. Denn Demokratie, Freiheit und Frieden waren auch auf dem europäischen Kontinent nicht selbstverständlich. Das zeigte Gabriels Blick zurück in die Geschichte des Reichsbanners Schwarz-Rot-Gold, der größten demokratischen Massenorganisation der Weimarer Republik. Die Organisation trug bei ihrer Gründung übrigens den Zusatz „Bund deutscher Kriegsteilnehmer und Republikaner“, ein Verweis auf die Umstände, in denen die Organisation entstand. Der Erste Weltkrieg war erst einige Jahre vorbei, aber seine Wunden waren noch im ganzen Land zu spüren. Arbeitslosigkeit, galoppierende Inflation, der Hitlerputsch, mit dem im November 1923 republik- und demokratiefeindliche Kräfte versucht hatten, die demokratisch gewählte Regierung zu beseitigen, sind nur einige Stichworte.

Gründung an August Bebels Geburtstag

Deshalb setzten Sozialdemokraten und Gewerkschafter, aber auch Mitglieder anderer demokratischer Parteien wie Zentrum und Deutsche Demokratische Partei, am 22. Februar 1924 in Magdeburg ein Zeichen. Zum Schutz der Republik gründeten sie das Reichsbanner, das schon ein Jahr später drei Millionen Mitglieder hatte und zehn Millionen mobilisierbare Anhänger.

Datum und Ort waren bewusst gewählt. Der 22. Februar war der Geburtstag des legendären SPD-Parteivorsitzenden August Bebel und in Magdeburg war 1918 der republikfeindliche „Stahlhelm, Bund der Frontsoldaten“ gegründet worden. Als Fahne wählte das Reichsbanner die Farben Schwarz-Rot-Gold – die Farben der Republik. Auch das war ein Statement, denn rechte Kreise trugen bei ihren Aufmärschen die schwarz-weiß-rote Flagge des Kaiserreichs. Später, während der nationalsozialistischen Herrschaft, konnte der Besitz der Reichsbanner-Fahne Haftstrafen, Folter und Tod bedeuten. Trotzdem haben viele der alten Fahnen den Krieg überlebt – vergraben in Gärten oder eingenäht in Möbelstücke und entsprechend fragil.

Alte nationale Ideologien leben weiter

Seit 1953 trägt das Reichsbanner Schwarz-Rot-Gold den Zusatz „Bund aktiver Demokraten e.V.“. Daran knüpfte Sigmar Gabriel an, als er mahnte: „Demokratie ist auch heute keine Selbstverständlichkeit.“ Er sprach sich für ein Verbot der NPD aus und forderte auf, zur Europawahl zu gehen und die Idee vom friedlichen Zusammenleben der Völker gegen all diejenigen zu verteidigen, die „mit alten nationalen Ideologien versuchen, die Menschen in Europa gegeneinander in Stellung zu bringen“. Angesichts von Wahlmüdigkeit und geringer Wahlbeteiligung mahnte Gabriel: „Es ist unser Staat, unsere Freiheit, unsere Demokratie und die beginnt mit dem Gebrauch des Stimmrechts.“ Das höchste Amt, dass das Volk zu vergeben habe, sei der frei gewählte Abgeordnete.

Feierliche Fahnenweihe

Danach wurde es im Kaisersaal – der Name geht übrigens auf den Besuch von Wilhelm II. 1895 in Hamburg zurück – richtig feierlich. Denn historische Fahnen hat das Reichsbanner immer noch viele, aber sie sind wegen ihres Alters eher als Ausstellungsstücke geeignet. Eine neue wurde gefertigt, die geweiht werden muss, damit man sie „auch gebrauchen kann“, so der Hamburger SPD-Bundestagsabgeordnete Johannes Kahrs, der seit 2010 Bundesvorsitzender des Reichsbanners ist. Ein feierlicher Akt, bei dem Kahrs das Fahnenband an der Fahne befestigte. Danach sangen die Anwesenden stehend „Einigkeit und Recht und Freiheit“. Und wer da meint, das sei nun doch „etwas zu überbordend“ (Kahrs) wurde vom Reichsbanner-Vorsitzenden eines besseren belehrt: „So muss es sein.“

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