Rezension

„Lafontaine bis Gauweiler“: Wo sich alte Linke und neue Rechte treffen

Paul Starzmann25. Oktober 2017
Compact Berlin
Der Stand der neurechten Zeitschrift „Compact“ auf der Buchmesse 2016 in Leipzig.
Pro-Putin, Anti-USA - zwischen Linken und Rechten entstehen bei manchen Themen ungewöhnliche Allianzen. Eine aktuelle Studie untersucht dieses Milieu anhand des Magazins „Compact“ und zeigt: Sogar vor Willy Brandt machen die „Querfront“-Ideologen nicht Halt.

Positiv formuliert ist es ein ganz schön bunter Haufen, den der Publizist Jürgen Elsässer regelmäßig auf den Veranstaltungen seines Monatsmagazins „Compact“ zusammenbringt: Da treffen ehemalige SED-Funktionäre und Sowjet-Kommunisten auf Politiker von FDP und CDU. Es diskutieren Wirtschaftsprofessoren mit fanatischen Verschwörungstheoretikern, vereinzelt treten sogar Menschen mit SPD-Parteibuch auf derselben Bühne auf wie Politiker von AfD und FPÖ.

Jürgen Elsässer: von links nach rechts

Was es mit diesem Milieu auf sich hat, untersucht der Dresdner Soziologe Felix Schilk in seinem neuen Buch „Souveränität statt Komplexität“. Dutzende „Compact“-Ausgaben hat er ausgewertet, die Biografien der Autoren recherchiert, ihre Positionen wissenschaftlich analysiert. Herausgekommen ist ein eindrückliches Bild davon, wie Rechtspopulisten ihre Ideologie verbreiten – und wie eine „Querfront“ aus alten Linken und neuen Rechten „die politische Legitimationskrise der Gegenwart bearbeitet“.

Schon der Lebenslauf von „Compact“-Chefredakteur Jürgen Elsässer ist symptomatisch für die Auflösung des Links-Rechts-Schemas, wie sie die „Querfront“-Bewegung propagiert: In den 1980ern war er beim Kommunistischen Bund, schrieb später für linke Zeitschriften wie „konkret“, gehörte in den 1990ern zur „Nie wieder Deutschland-Bewegung“. Von dieser Einstellung scheint bei Elsässer heute allerding nichts mehr übrig zu sein: 2011 gründete er „Compact“, in dem reihenweise Ultranationalisten und rechte Extremisten publizieren.

Verschwörunsgtheorien und namhafte Interviewpartner

In dem Heft nehmen die klassischen Themen der Rechten viel Raum ein, zeigt Schilk: Es werden Ängste vor einer angeblichen „sexuellen Umerziehung“ in der Schule geschürt, Stimmung gegen Geflüchtete gemacht, Journalisten diffamiert, Putin als Heilsbringer dargestellt und alle möglichen Verschwörungstheorien verbreitet. „Am Ende aller Erklärungen findet man im Compact-Magazin die USA oder Israel als Schuldige der zeitgenössischen Verwerfungen“, schreibt Schilk.

Dennoch ordnet er das „Compact“-Magazin nicht in das klassisch rechte Spektrum der deutschen Presselandschaft ein – obwohl viele Autoren aus der neuen Rechten stammten und teilweise Kontakte zu Neonazis und Holocaustleugnern pflegten. Dennoch gebe es in der Zeitschrift einen „Diskursmix“, stellt Schilk fest. So kämen einige Autoren aus den demokratischen Parteien. Vor allem aber die „geschickte Interview-Politik“ des Magazins ziele darauf ab, die dubiosen Inhalte der Zeitschrift mit prominenten Interviewpartnern aufzuwerten – etwa mit dem CDU-Politiker Wolfgang Bosbach oder dem ehemaligen SPD-Forschungsminister Andreas von Bülow.

Von Gauweiler bis Willy Brandt

Sich selbst verorte Jürgen Elsässer mitunter sogar als „links“, betont Felix Schilk. Das hält ihn jedoch nicht von einer Kooperation mit den Rechten ab: Ein „Bündnis von ‚Lafontaine bis Gauweiler‘“ habe sich Elsässer schon 2009 gewünscht, schreibt Schilk. Wer „das Herz am rechten Fleck“ habe, müsse zum Wohle Deutschlands auch mit jenen zusammenarbeiten, die „Mein Herz schlägt links“ sagten, gibt Schilk den „Compact“-Chefredakteur an anderer Stelle wieder.

Bei solchen Ideen verwundert es nicht, das in „Compact“ auch selbsterklärte Linke wie der Alt-68er Rainer Langhans per Interview zu Wort kommen. Dass allerdings sogar Willy Brandt von „Compact“ als „Querfrontidol“ vereinnahmt und unter der Überschrift „Patriot von links“ auf dem Cover abgebildet wird, überrascht dann doch. Es zeigt, welches ideologische Verwirrspiel das neurechte „Compact“-Magazin betreibt.

Wer sich für die aktuelle deutsche „Querfront“-Bewegung interessiert, sich aber nicht selbst durch die Irrungen und Wirrungen von „Compact“ quälen will, sollte Felix Schilk hervorragend recherchiertes Buch lesen. Sein wissenschaftlicher Anspruch macht es zwar zu einer nicht ganz leichten Lektüre, nichtsdestoweniger lohnt sich das Buch. Es zeigt, dass höchste Vorsicht geboten ist, wenn die Grenzen zwischen rechts und links verwischt werden – denn profitieren werden davon immer nur die Rechten.

Felix Schilk: Souveränität statt Komplexität. Wie das Querfront-Magazin COMPACT die politische Legitimationskrise der Gegenwart bearbeitet, Unrast Verlag, ISBN 978-3-89771-768-8, 19,80 Euro.

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Kommentare

Wo sich alte Linke und neue Rechte treffen

Oskar Lafontaine und Gauland in einen Topf zu werden, finde ich schon gemein.
Auch in diesem Fall dollten die Nettiquetten eingehalten werden.

"Pro-Putin, Anti-USA -

"Pro-Putin, Anti-USA - zwischen Linken und Rechten entstehen bei manchen Themen ungewöhnliche Allianzen"

Vielleicht hat das ja gar nichts mit links und rechts zu tun sondern mit nachdenken statt nachplappern. Wieviele Kriege führen denn die USA im Vergleich zu Russland, wieviele Militärstützpunkte haben beide Länder auf der Welt, wie viele Menschen töten beide Länder mit Drohen? Wie hoch sind die Militärbudgets?

"Pro-Putin, Anti-USA"

"Pro-Putin, Anti-USA"

Warum nicht "Pro-Putin, Anti-Trump"? Weil das dann gar nicht so abwegig ist?

„Querfront“ aus alten Linken und neuen Rechten

Sich politisch links zu verorten heißt nach meinem Verständnis, für Frieden, Völkerverständigung, soziale Gerechtigkeit und unveräußerliche universelle Menschenrechte zu sein. Das widerspricht konkreten Interessen globaler Polit- und Wirtschaftsplayer.
Die rechtsnationalen Ideologen haben kein Problem mit den katastrophalen Auswirkungen der sog. Globalisierung und Ressourcenkriegen, sie wollen sich nur vor den Konsequenzen, sprich Flüchtlingen, abschotten.
Es ist deshalb m.M. verleumderisch, ideologische Schnittmengen zwischen links und rechts herbeizureden.
Es dient einzig der Verwirrung und Spaltung, wenn man berechtigte linke Forderungen und Kritiken (z.B. an der aggressiven US- Außenpolitik) verbal mit rechtsvölkischen Ideologien verklammert und so gedankliche No-Go Areas errichtet.

Lafontaine in der Querfront?

Lieber Herr Volontär, gut gemacht, so geht Manipulation:
1. In der Überschrift suggestiv die Namen positionieren,
2. Im Textteil dann: Elsässer, also ein Dritter und nicht Lafontaine, habe die Querfront gewünscht.