Junge Außenpolitik

Warum die Länder des Globalen Südens in den Klimaclub gehören

Tom Stünkel02. August 2023
Um den internationalen Klimaschutz zu stärken, darf der Klimaclub kein strukturelles G7-Projekt bleiben.
Um den internationalen Klimaschutz zu stärken, darf der Klimaclub kein strukturelles G7-Projekt bleiben.
Der Klimaclub der G7 bietet die Chance, dem internationalen Klimaschutz neuen Schwung zu verleihen. Dafür muss er gemeinsam mit dem Globalen Süden ausgestaltet werden. Das kann auch helfen, die Länder in anderen Fragen stärker einzubinden.

Wie ein Brennglas veranschaulicht die Reaktion der Weltgemeinschaft auf den Krieg in der Ukraine die Implikationen einer im Entstehen begriffenen neuen Weltordnung. Im Kampf um die Ausgestaltung dieser Weltordnung ringt der Westen um die Gunst der Staaten des Globalen Südens.

Dass in großen Teilen des Globalen Südens der Ukrainekrieg als „Problem des Westens“ gesehen wird, liegt an der jahrelangen Vernachlässigung des Globalen Südens. Einseitige Handelsabkommen, mangelnde Repräsentanz in globalen Foren und die internationale Schuldenarchitektur haben diese Staaten von der „liberalen“ Weltordnung entfremdet. Sie halten sich zurück, die Ukraine zu unterstützen, sich Sanktionen anzuschließen oder Waffen zur Verteidigung des Landes zu liefern. Unlängst hat der Krieg dem politischen Non-Alignment zu neuem Ruhm verholfen.

Der Globale Süden muss eingebunden werden

Nach Untersuchungen der Economist Intelligence Unit gibt es 127 Staaten, die „auf dem Zaun sitzen“, sich weder eindeutig dem kollektiven Westen noch Russland oder China zuordnen. Sie kollaborieren nach den Maßgaben von Pragmatismus und Opportunismus mit allen Seiten. Dies ist die Reaktion des Globalen Südens auf den Druck einer neuen Blockkonfrontation.

Den „Multilateralismus stärken“ und der Spaltung der „Staatengemeinschaft in antagonistische Blöcke“ entgegenzuwirken, ist laut dem Papier der „Kommission Internationale Politik“ des SPD-Parteivorstands das Ziel sozialdemokratischer Außenpolitik. Dies kann nur durch die Einbindung des Globalen Südens als „gleichberechtigten Partner“ in die Weiterentwicklung der regelbasierten Weltordnung gelingen. Hierfür müssen attraktive Angebote zur themenspezifischen Zusammenarbeit gemacht werden.

Vorbehalten des Globalen Südens entgegenwirken

Ein zentrales Beispiel ist der von Olaf Scholz vorgeschlagene und Ende 2022 von den G7 gegründete Klimaclub, in dem bisher keine BRICS-Staaten und kaum afrikanische Staaten vertreten sind. Der Club darf kein strukturelles G7-Projekt bleiben. Für seinen Erfolg müssen sozialdemokratische Forderungen der internationalen Klimagerechtigkeit umgesetzt werden. Nur so kann er eine integrative Dynamik für ambitionierten Klimaschutz entfalten und den Multilateralismus stärken.

Ein Vorbehalt aus Perspektive des Globalen Südens ist, dass der Klimaclub in erster Linie dazu dient, einen Leitmarkt zum Absatz grüner Technologien der Industriestaaten zu schaffen. Weiterhin besteht die Sorge, dass Klima-Vorreiter im Globalen Norden durch einen möglichen CO₂-Grenzausgleich Klima-Nachzügler im Globalen Süden besteuern könnten. Dem gilt es durch eine klimagerechte Ausgestaltung des Clubs entgegenzuwirken.

Weitere Reformen sind notwendig

Eine internationale Klimadividende aus CO₂-Steuer und Grenzausgleich könnte zur Finanzierung der sozial-ökologischen Transformation direkt an Staaten des Globalen Südens ausgeschüttet werden, die einen Beitritt in den Klimaclub anstreben. Ein anderer Teil der Einnahmen kann im Rahmen der „Loss and Damage Facility“ für klimabedingte Verluste und Schäden eingesetzt werden, welche insbesondere den Globalen Süden betreffen. Indem Patente für klimafreundliche Technologien innerhalb des Clubs geteilt werden, könnten Länder des Globalen Südens von ihrem Beitritt und ambitioniertem Klimaschutz profitieren. Letztlich ist ein ehrliches Angebot vertiefter Kooperation im ureigenen Interesse der Industriestaaten, um Lock-in-Effekte CO₂-intensiver Technologien zu vermeiden.

Hinter der Fassade des Neo-Non-Alignment liegen verschiedene Interessen des Globalen Südens. Für den Erhalt der regelbasierten Weltordnung müssen diese in die Weiterentwicklung von Global Governance eingebunden werden. Der Klimaclub muss solidarisch und klimagerecht ausgestaltet werden. Hier sollte jedoch nicht Halt gemacht werden. Weitere Reformen, etwa des UN-Sicherheitsrates, der Weltbank und des Internationalen Währungsfonds müssen gemeinsam mit dem Globalen Süden ausgestaltet werden, um die regelbasierte Weltordnung zu erhalten.

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Kommentare

Augenhöhe, was ist das?

Fällt es Euch nicht auf, immer dann wenn es nützlich ist wird vereinnahmt.
Jetzt soll der "globale Süden" eingebunden werden, eingebunden in was, in dem Wohlstandsversprechen das der Globale Norden gerne genießt.. Wir unterstellen eine Interessengleichheit, vorstellbar ist das der "Globale Süden" das anders sieht.

Bedenken

Wir sollten aber auch berücksichtigen, daß Umwelt- oder Klimaschutz unter den Bedingungen des bestehenden Wirtschaftssystem nur dann in die Gänge kommt wenn das Profite verspricht - und dann fragt sich: Profite für wen ?

„Der Globale Süden in den Klimaclub“!_1

Wieder die Meinung eines zu besten Hoffnungen berechtigenden jungen Menschen aus dem U-30-Club, Student, der im Format „Junge Außenpolitik“ das KIP-Papier, dessen Autorenschaft der Vorwärts nicht aufklären will, erklären, kritisieren und ergänzen kann, ohne es dabei wirklich kritisch zu analysieren. (Wo bleibt eigentlich die versprochene Stellungnahme der Grundwerte-Kommission?)

Der große Wurf Tom Stünkels will „dem internationalen Klimaschutz neuen Schwung verleihen“ durch „Einbindung des Globalen Südens als „gleichberechtigten Partner““ in den „Klimaclub“ der G7, wichtig nach dessen „jahrelanger Vernachlässigung“ durch den Westen/Europa, die, historisch gesehen, dem Globalen Süden die Klimaprobleme eingebrockt haben. Wenn dadurch, quasi als Nebeneffekt, die „Weiterentwicklung der (/unserer) regelbasierten Weltordnung gelingen“ würde, könnte doch niemand etwas dagegen haben, dass das im „ureigenen Interesse der Industriestaaten“ liegt. (Zur Information: In den G7-Staaten leben etwa 10% der Weltbevölkerung, der kleine Rest von 90% im Globalen Süden (- Japan und Australien lassen wir mal außen vor).)

„Der Globale Süden in den Klimaclub“!_2

Aber „127 Staaten“ des Globalen Südens „kollaborieren (lieber) nach den Maßgaben von Pragmatismus und Opportunismus mit allen Seiten“, statt (z. B.) im Ukrainekrieg unsere Sicht des Konfliktfeldes zu übernehmen: Es müsste doch jedem einsichtig sein, dass die Ausdehnung der Nato auf die Ukraine und Georgien der ganzen Welt nur guttun und niemandem schaden würde. Wer soll denn demnächst sonst im Südchinesischen Meer nach dem Rechten sehen und China militärisch in seine Schranken weisen? Und dass Hochrüstung und Waffenproduktion, von ihrem Einsatz ganz zu schweigen, die schlimmsten Klimaschäden bedingen, ist nur ein Ammenmärchen, darum in der im Text geknüpften Verbindung zum Ukrainekrieg selbstverständlich zu vernachlässigen. Wenn dann auch noch „der Club kein strukturelles G7-Projekt bleibt“, sondern durch ihn „sozialdemokratische Forderungen der internationalen Klimagerechtigkeit umgesetzt werden“, ist doch die Welt wieder in (unserer) Ordnung. Oder?

Ist es nicht erhebend, dass junge Menschen so stromlinienförmig auf der neuen Parteilinie segeln?
Oder sollten wir uns davor fürchten?