150 Jahre SPD

Kurt Schumacher widersetzte sich Stalins Agenten

Werner Sonne11. Februar 2013

Kurt Schumacher bekämpfte die Vereinigung von SPD und KPD. Nur im Westen mit Erfolg.

E r saß mit ihnen in denselben Konzentrationslagern, teilte mit ihnen die Leiden unter dem Nazi-Terror, und dennoch hielt Kurt Schumacher auch dort zu den Kommunisten Distanz.

Wenn es einen roten Faden in seinem politischen Leben gab, dann war es sein konsequenter Anti-Kommunismus.  Schon in  der Weimarer Republik waren die KPD-Funktionäre für ihn nur  die Statthalter Moskaus, denen er „Klassenverrat“ vorwarf, weil sie die Weimarer Demokratie nicht verteidigt  und so zum Aufstieg der Nationalsozialisten beigetragen hätten. Und Schumacher schreckte nicht davor zurück, sie mit den  Nazis gleichzusetzen.
Schon 1930 warf er der KPD vor, eine „rotlackierte Doppelausgabe der Nationalsozialisten“ zu sein, und auch nach 1945 wiederholte er diesen Vorwurf, diesmal nannte er sie die „rot-lackierten Faschisten“.

Er traute Ulbricht keine Sekunde
Schumacher stemmte sich konsequent auch gegen eine  verbreitete Strömung in der SPD, die  nach Kriegsende  einer Vereinigung der Arbeiterklasse und damit  einer Zusammenarbeit mit den Kommunisten zuneigte. Er stellte sich von Hannover  aus sofort gegen den im Juni 1945 im sowjetisch besetzten Berlin unter Otto Grotewohl  gegründeten SPD-Zentralausschuss, der sich  für ein Aktionsbündnis mit den Kommunisten offen zeigte. 

Der Berliner SPD-Zentralausschuss glaubte dabei offensichtlich anfangs den Versprechen der  Besatzungsmacht, das Sowjetsystem solle Deutschland keineswegs übergestülpt werden. Tatsächlich wurden  von den Sowjets  nicht nur die SPD, sondern auch andere Parteien zugelassen. Intern freilich gab Walter Ulbricht die Devise aus: „Es muss demokratisch aussehen, aber wir müssen die Kontrolle behalten“. Man wird Grotewohl zugutehalten müssen, dass er noch im November 1945 in einer mutigen Rede versucht hat, gegen eine Zwangsvereinigung nach dem Diktat der KPD Widerstand zu leisten.

Doch dann verloren die Kommunisten im sowjetisch besetzten Ungarn und in Österreich haushoch in noch vergleichsweise freien Wahlen, und damit war Moskaus Geduld endgültig am Ende. Jetzt musste die Machtfrage geklärt und die Vereinigung von SPD und KPD durchgesetzt werden, und zwar um jeden Preis.  Die Sozialdemokraten mit ihren rund 600.000 Mitgliedern in Mitteldeutschland, so erkannte Kurt Schumacher klar, sollten dabei als „Blutspender“  zur Durchsetzung der sowjetischen  Ziele herhalten. 

Grotewohl und der SPD-Zentralausschuss wurden von der Militärverwaltung massiv unter Druck gesetzt, einen Druck, dem sie nicht mehr standhielten. Für Abertausende von Sozialdemokraten, gerade erst den Verfolgungen der Nazis entronnen, begann nun erneut ein Leidensweg. Der Geheimdienst NKWD wütete immer schlimmer, jeder Widerstand wurde mit jahrzehntelangen Haftstrafen bestraft, viele SPD-Anhänger fanden sich in denselben KZ wieder, in denen sie schon unter den Nazis eingesperrt waren.

Schumacher versuchte, Grotewohl  im Winter 1945/46 von der Vereinigung abzuhalten und zumindest die SPD in der Sowjetzone aufzulösen, um sie dem Zugriff der Sowjets zu entziehen. Doch es war zu spät, Grotewohl lehnte ab. Schumacher meldete sich noch einmal im  „Tagesspiegel“ zu Wort. Nur „heitere Optimisten“ könnten glauben, dass eine vereinigte Partei von SPD und KPD ein Stück sozialdemokratischer Inhalte haben könne. „Sie übersehen dabei,  dass für die kommunistische Politik wie für jede Art von Diktaturidee die Macht die eigentliche Substanz der Politik ist.

Das zeigt den Weg, den eine vereinheitlichte Arbeiterbewegung gehen müsste, nämlich den der Eroberung der Macht durch die Führung der KPD.“
Schumacher sollte mit seinen Warnungen Recht behalten. Am 22. April 1946 war es soweit. Unter einem Porträt von Karl Marx schüttelten sich im Berliner Admiralspalast der Sozialdemokrat Otto Grotewohl und der Kommunist Wilhelm Pieck die Hände. Die Vereinigung von SPD und KPD zur Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands war damit vollzogen.

„Dreißig Jahre Bruderkampf sind zu Ende“, behauptete Otto Grotewohl. Doch in Wahrheit begann er jetzt erst richtig. Jetzt füllten sich die Straflager und Zuchthäuser noch schneller mit Gegnern aus der Sozialdemokratie,  die SED setzte den Weg in die völlige Stalinisierung unbeirrt fort.

INFO:

Der Artikel stammt aus dem Jubiläums-Sonderheft vorwärts extra: 150 Jahre SPD. Der lange Weg zu einem besseren Leben

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