Auf dem Weg zur Klimaneutralität

Kritik an CDU-Wahlprogramm: SPD sieht keine Impulse für Europa

Benedikt Dittrich23. Juni 2021
In der EU werden bereits die Weichen für Klimaschutz und Regionalförderung bis 2027 gestellt.
In der EU werden bereits die Weichen für Klimaschutz und Regionalförderung bis 2027 gestellt.
Aus europapolitischer Sicht ist vom Wahlprogramm der CDU nicht viel zu erwarten, kritisiert Jens Geier von der Europa-SPD. „Das hilft Europa nicht und das hilft Deutschland nicht“ – so die Meinung der SPD-Europaabgeordneten.

Der nächste EU-Gipfel steht vor der Haustür und im Parlament werden die Milliarden für die Regionalförderprojekte der EU abgestimmt. Es gibt noch viel zu tun in Europa – und doch oder gerade deswegen blickt Jens Geier, Vorsitzender der SPD-Europaabgeordneten, ein wenig skeptisch in die Zukunft.

Das hängt zum einen damit zusammen, dass am 1. Juli Slowenien die EU-Ratspräsidentschaft übernimmt und damit eines der wichtigsten Gremien in der EU entscheidend prägen kann. „Der slowenische Premierminister ist ein bekennender Fan von Viktor Orbán“, sagt Jens Geier im Gespräch – deswegen erwarte er von der Ratspräsidentschaft nicht viel. Andererseits, schränkt er ein, erwarte er auch keine großen Schwierigkeiten, solange sich Slowenien an die Regeln halte. Auf Nachfrage richtet er seinen Blick lieber nach Paris: Frankreich folgt auf Slowenien bei der Ratspräsidentschaft im Januar 2022.

„Null Impulse“ von CDU-Wahlprogramm für Europa

Dazwischen liegt in Deutschland eine Bundestagswahl, im Wahlkampf dürfte auch das Thema Europa eine wichtige Rolle spielen – zumindest für die Parteien, die sich zu Europa und den europäischen Grundwerten bekennen. Bei der CDU scheint es damit nicht weit her zu sein – findet Geier. Er hält die Europa-Ideen aus dem Wahlprogramm jedenfalls für dürftig. „Das einzige, was ihnen zum Klimawandel einfällt, ist das marktwirtschaftliche ETS-Instrument“, kritisiert er beispielsweise an den Klimaschutz-Ideen für Europa. ETS ist der CO2-Emissionshandel auf Europäischer Ebene, der schon vor einigen Jahren eingeführt wurde. Darüber hinaus, meint Jens Geier, sei deswegen „nicht viel zu erwarten“, es sei nur eine Anhäufung von Aussagen, was man alles nicht will. „Europapolitische Impulse gehen davon null aus.“

Wie wichtig Europa allerdings tatsächlich jetzt schon ist, können die Fraktionsgenossinnen Constanze Krehl und Delara Burkhardt berichten: Zuletzt wurden beispielsweise die Haushaltsmittel für die EU-Regionalförderung verhandelt. Aus dem Topf gehen viele Milliarden in Regionen in Europa, die bei der Transformation Aufholbedarf haben. Auch Deutschland hat solche Regionen, beispielsweise im Osten des Landes, die beim Ausstieg aus der Kohleverstromung und für die Transformation der Region beispielsweise Geld aus dem EU-Haushalt bekommen können. Schwierig in den Verhandlungen sei dabei allerdings gewesen, so die einzige ostdeutsche SPD-Abgeordnete Krehl, festzuschreiben, was wirklich dem Klimaschutz helfe und was nicht. Denn davon ist die Mittelvergabe inzwischen abhängig. Gegen Klimaschutz sei niemand, so Krehl, aber: „Probleme gibt’s dann im Kleingedruckten.“

Verhandelt wurde die Förderperiode bis 2027. Deutschland erhält voraussichtlich 16,4 der insgesamt 330 Miliarden Euro, die sich aus dem Europäischen Fonds für Regionale Entwicklung (EFRE), dem EU-Sozialfonds und dem Interreg-Programm für grenzüberschreitende Zusammenarbeit zusammensetzen. Insgesamt fallen die Fördermittel nach dem Brexit niedriger aus, so Constanze Krehl, Deutschland liege mit Kürzungen um rund 17 Prozent im Mittelfeld. Etwas abgefedert werden die Kürzungen außerdem über den Fonds „React-EU“ zur Bewältigung der Folgen der Coronakrise, aus dem die Bundesrepublik noch einmal 2,4 Milliarden Euro erhalten soll.

EU-Klimaschutz: Es wäre mehr möglich gewesen

Dass die Sozialdemokrat*innen beim Klimaschutz auf europäischer Ebene gerne noch mehr erreicht hätten, daraus machte Delara Burkhardt keinen Hehl. Die Verhandlungen über höhere Ziele und genauere Berechnungen waren am Widerstand der Konservativen, der Kommission sowie dem Rat gescheitert.

Das EU-Klimaschutzgesetz, wie es jetzt am Donnerstag in Brüssel verabschiedet werden soll, verpflichtet Europa zur Klimaneutralität bis 2050. Den Pfad dorthin hätte sich Burkhardt ambitionierter gewünscht, denn bis 2030 sollen „netto“ nur 55 Prozent der CO2-Emissionen eingespart werden. Eingerechnet werden dabei aber auch natürliche CO2-Senken wie Moore und Wälder. „Da könnte es Schlupflöcher geben“, warnt Burkhardt und warnt vor dem Zustand dieser natürlichen CO2-Speicher. Außerdem gilt das Ziel nur für die EU insgesamt, enthält aber keine direkte Verpflichtung für jede einzelne Nation.

Trotzdem: Das Gesetz sieht sie als Verbesserung gegenüber dem Status Quo, es mache die Verpflichtung zur Klimaneutralität „unumkehrbar“. Die nächste Aufgabe ist damit bereits ausgemacht: „Wie erreichen wir diese Ziele“. Da gebe es laut Burkhardt viele offene Fragen, auch bei dem Emissionshandel ETS, der auf europäischer Ebene auf Bereiche wie Verkehr und Wohnen ausgeweitet werden könnte. Ob alles über den Markt geregelt werden könne, sieht sie als Sozialdemokratin kritisch. Dabei weist sie auf ein ganz praktisches Problem hin: Anders als in Deutschland kann auf europäischer Ebene nicht einfach ein sozialer Ausgleich für einen CO2-Preis geschaffen werden. Aus sozialdemokratischer Perspektive plädiert Burkhardt deswegen für schärfere Standards beim Schadstoffausstoß sowie einen schnelleren und umfangreicheren Ausbau der Erneuerbaren Energien.

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