Of Fathers and Sons

Wie der Krieg in Syrien immer neue Dschihadisten hervorbringt

Tamara Rösch14. März 2019
Weil des der Vater so will: In Syrien werden Kinder zu dschihadistischen Kämpfern ausgebildet.
Weil des der Vater so will: In Syrien werden Kinder zu dschihadistischen Kämpfern ausgebildet.
Seit 2011 tobt in Syrien ein Bürgerkrieg. Wie er das Verhältnis von Eltern zu ihren Kindern verändern kann, erzählt die Dokumentation „Of Fathers an Sons“. In Berlin hat Regisseur Talal Derki Einblicke in die Entstehung gegeben.

„Der Konflikt in Syrien ist sehr komplex.“ Einen Überblick über die Situation im Bürgerkriegsland zu bekommen, sei deshalb schwierig, sagt Ilyas Saliba von Amnesty International am Dienstagabend bei einer Vorführung des Dokumentarfilms „Of Fathers and Sons – Die Kinder des Kalifats“ in Berlin. Regisseur Talal Derki ist es gelungen, Einblicke in das Familienleben islamistischer Kämpfer zu erhalten und sie für einen Film aufzubereiten.

Dafür hat sich der Syrer für einige Jahre als Sympathisant des Dschihadismus ausgegeben, um für die Dokumentation möglichst unverfälschte Mitschnitte aus dem Leben von Dschihadisten gewinnen zu können. Die begleitete Familie ist Anhänger der islamistisch-salafistischen Gruppierung al-Nusra. In „Of Fathers and Sons“ wird vor allem die Beziehung zwischen dem al-Nusra Rebellenführer Abu Osama und seinen Söhnen gezeigt.

Kinder als Opfer ihrer Väter

„Al-Nusra wird ihn nicht kämpfen lassen, solange er noch nicht stark genug ist. Aber wenn er alt genug ist, werde ich ihn in den Kampf schicken“, sagt der dschihadistische Vater über seinen Sohn Osama in der Dokumentation. Diese Weltanschauung war für Derki schwer zu begreifen: „Es war das Paradox zwischen der Liebe für ein Kind und der gleichzeitigen Aufopferung für den Islam, das mich so faszinierte“, sagt Derki.

Für seine Dokumentation begleitete er den etwa zwölfjährigen Osama, seine Brüder und ihren Vater. Der Vater würde alles für seine Söhne tun, die Liebe ihnen gegenüber wirkt rührend. Und dennoch wird Osama von seinem Vater in ein Camp geschickt, in dem er zu einem dschihadistischen Kämpfer ausgebildet wird. Wissend, dass Osama sterben könnte, tut der Vater dennoch alles für seine Weltanschauung. „Die Kinder leben in einer Familiendiktatur“, erklärt Derki. Der Vater sei meist der Diktator, dem es zu gehorchen gelte. „Die Kinder sind die Opfer ihrer Väter“, sagt er.

Die Ideologie zerschlagen

Für die ehemalige Syrien-Korrespondentin Kerstin Helberg liegt ein Problem dieser Kindererziehung im Krieg selbst: „Dschihadisten sind die Minderheit in Syrien, sie sind Produkte des Krieges.“ Oft hätten die Menschen dort keine Perspektive, weshalb sie sich radikalisieren. Das habe dann zur Folge, dass die Familien nach dem „Recht des Stärkeren leben. Das wird den Kindern beigebracht“. 

Diese Ideologie, die den Kindern von Geburt an eingetrichtert wird, sei das Problem im Bürgerkrieg: „Es ist eine Illusion, dass wir glauben, man könne den Islamismus militärisch bekämpfen. Stattdessen sollte man die Ideologie zerschlagen.“ Das sei möglich, indem man nach der Befreiung eines Gebietes für Stabilität sorge. Doch Syrien sei seit Jahrzehnten eine Diktatur: „Das Einsetzen eines Diktators kann niemals Stabilität bringen“, kritisiert Helberg die Vorgehensweisen des Westens.

Radikalisierung in Deutschland

Auch Regisseur Talal Derki meint, Dschihadisten seien in erster Linie das Produkt undemokratischer Staaten. Um die Situation in Syrien zu verbessern, schlägt er deshalb vor: „Das Bildungssystem muss geändert werden, denn Bildung ist der Schlüssel zu einem besseren Leben der Kinder.“ Außerdem müssten Kinderrechte in Syrien garantiert werden.

Claudia Dantschke ist Leiterin des HAYAT Deutschland. Die Organisation berät Jugendliche, die sich in Deutschland radikalisiert haben und für den Islam kämpfen wollen. In Deutschland habe man bereits Kinderrechte und eine stabile politische Situation, weshalb es hier einfacher sei, Kinder und Jugendliche wieder aus der dschihadistischen Ideologie zu holen. Dennoch zeige die bloße Existenz von HAYAT, dass „die Ideologie global interessant ist. Von überall gehen Menschen in das Kalifat. Doch sie sind Produkte unserer Gesellschaft, deshalb müssen wir auch die Verantwortung übernehmen und sie zurückholen.“

Of Fathers and Sons Kinotour

14. März, Augsburg, Liliom

14. März, München, Monopol

18. März, Bamberg, Odeon Kino

18. März, Nürnberg, Casablanca

19. März, Köln, Odeon Kino

20. März, Bonn, Rex Kino

21. März, Münster, Cinema

21. März, Kiel, Kino in der Pumpe

22. März, Düsseldorf, Metropol

22. März, Rostock, Lichtspielhaus Wundervoll (LiWu)

23. März, Frankfurt, Mal Sehn

24. März, Würzburg, Central im Bürgerbräu

24. März, Regensburg, Ostentor

12. April, Schwerin, Kino unterm Dach

Deutschlandweiter Kinostart ist am 21. März.

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Kommentare

Stellvertreterkrieg

Zu einer sachlichen Betrachtung des Syrien-Konflikts gehört die Feststellung, dass es sich hier um einen Stellvertreterkrieg zwischen Groß-und Regionalmächten und nicht um einen Bürgerkrieg handelt.
Ich halte es für irreführend, immer wieder von einem Bürgerkrieg zu sprechen bei all den offensichtlichen Einmischungen regionaler und globaler Akteure.
Ich würde soweit gehen zu behaupten, dass es ohne die westliche Einmischung keinen Krieg dort gegeben hätte.
Während die innersyrische Opposition auf einen friedlichen Wandel hinarbeitete, forderten die vom Ausland subventionierten Gruppen, wie z.B. die Mitglieder des "The Day After"-Projekts eine Nato-Intervention nach Libyschem Muster.
Mein Punkt ist, es bringt wenig über Dshihadismus zu rätseln, wenn man bereits die einfachsten Wahrheiten eines Krieges ausblendet, gerade weil es komplex ist.

"Das neue Syrien kommt aus

"Das neue Syrien kommt aus Wilmersdorf", titelte die Zeit bereits am 26.07.2012.
Die Dschihadisten, Al-Nusra und Konsorten, haben keine Waffen produziert. Die Ausbildung und Bewaffnung der Kopfanschneider wurde vom Westen bezahlt und organisisiert.
Es gibt immer eine A-Geschichte (Wahrheit) und eine B-Geschichte (die abgeänderte Forum).
Uns wird ausschließlich die B-Geschicdhte erzählt.
Was Syrien anbetrifft muss in erster Linie die "Idelogie des Westens" zerschlagen werden.

Unterwürfigkeit

Da muss ich meinen "Vorredner" Recht geben - der Konflikt in und um Syrien wurde von der Politik und den Qualimedien ganz einseitig dargestellt. Deutsche Politik hat fahrlässigerweise (?) aufgegeben Vermittler zu sein und gefällt sich in der totalen Gefälligkeit gegenüber der USAdministration. Nicht erst seit Trump - schon seit dem völkerrechtswidrigen Überfall auf die Bundesrepublik Jugoslawien 1999 unter Clinton. Von radikalisierten Dschihadisten zu reden mag zwar oportun sein, aber die geopolitischen Hintergründe.........ach ja, das ist ja Verschwörungstheorie