
Nicht erst seit dem Krieg in der Ukraine steigen die Preise für Energie und Lebensmittel. Putins Waffengang aber hat die Entwicklung noch einmal deutlich beschleunigt. Viele Menschen schränken sich beim Einkaufen bereits ein. Die „Tafeln“ verzeichnen Rekord-Besuche. Und die Angst vor der Heizkosten-Nachzahlung wird vielen im Nacken sitzen, wenn sie in diesen Wochen in den Urlaub fahren.
Ein paar Energiespartipps reichen nicht
Bundeskanzler Olaf Scholz spricht deshalb mit Blick auf die steigenden Energiekosten zurecht von „sozialem Sprengstoff“. Ihre ganze Sprengkraft werden sie dann entfalten, wenn Russland tatsächlich wie von vielen befürchtet die Gasleitung „Nordstream I“ nach der regulären Wartung Mitte Juli nicht wieder in Betrieb nimmt. Schnell könnte dann ein Mangel herrschen, der sich mit ein paar Energiespartipps nicht ausgleichen lässt.
Natürlich müsste im Hochsommer niemand frieren, doch ganze Industriezweige würden von einem Tag zum anderen stark unter Druck geraten – und damit hunderttausende Arbeitsplätze. Es ist deshalb nicht übertrieben, wenn die DGB-Vorsitzende Yasmin Fahimi warnt: „Der soziale Frieden ist bedroht.“ Ihr Pendant, Arbeitgeberpräsident Andreas Dulger, spricht bereits von der „größten Krise seit der Wiedervereinigung“.
Verständnis für die Position der anderen
In solch einer Situation ist es gut, wenn alle Teile der Gesellschaft an einem Strang ziehen. Die Idee von Olaf Scholz, nach dem Vorbild der sozial-liberalen Koalition der 60er und 70er Jahre, zu einer Konzertierten Aktion einzuladen, damit sich die Vertreter*innen von Arbeitnehmer*innen wie Arbeitgeber*innen, aus der Politik und von der Bundesbank austauschen und abstimmen, ist genau der richtige Ansatz.
Dabei geht es nicht darum, „Tarifverhandlungen im Kanzleramt“ zu führen, wie manche vorab unkten. Es geht nicht einmal unbedingt darum, konkrete Beschlüsse zu fassen (das könnte das informelle Gremium ohnehin nicht), sondern darum, sich gegenseitig zuzuhören, Verständnis für die Positionen der anderen zu entwickeln und gemeinsam zu überlegen, was für die Gesellschaft das Beste ist. Sich „unterzuhaken“, wie es Olaf Scholz ausdrückt.
Den gesellschaftlichen Frieden wahren
Das Auftakttreffen der Konzertierten Aktion am Montag war hierfür ein vielversprechender Anfang. Dass alle Beteiligten zuvor die Erwartungen gedämpft hatten, konnte ihm nur guttun. Vielversprechend war das Treffen vor allem deshalb, weil allen Beteiligten der Ernst der Lage sehr bewusst zu sein scheint. „Dieses Treffen heute hat einen Beitrag dazu geleistet, den gesellschaftlichen Frieden zu wahren.“ Der Satz von Arbeitgeberpräsident Dulger im anschließenden Statement vor der Presse sollte die Überschrift für die künftigen Treffen sein.