Sozen-Wirtschaft

Kohleausstieg: Der Weg zur Klimaneutralität ist eine Gratwanderung

Gustav Horn19. August 2021
Der Kohleausstieg in Deutschland soll dazu beitragen, CO2 zu reduzieren. Denn die EU soll bis 2050 klimaneutral werden.
Der Kohleausstieg in Deutschland soll dazu beitragen, CO2 zu reduzieren. Denn die EU soll bis 2050 klimaneutral werden.
Die Debatte um den Kohleausstieg nimmt dieser Tage wieder Fahrt auf. Doch eines ist klar: Mit dem Weg zur Klimaneutralität darf die Politik keine wirtschaftlichen und sozialen Verwerfungen riskieren.

„Politik ist Freiheit“, schreibt Hannah Arendt. Politik dreht sich letztlich immer darum,  Menschen Handlungsmöglichkeiten zu eröffnen oder zu erhalten. Das schließt künftige Generationen ein, hat das Bundesverfassungsgericht jüngst in seinem aufsehenerregenden Urteil zum Klimaschutz festgestellt. Und wie schnell sich die Handlungsspielräume durch den Klimawandel verengen, hat der aktuelle  Weltklimabericht aufgezeigt.

Kohleausstieg richtig

Ein verbesserter Schutz vor dem Klimawandel ist somit in seinem Kern eine Politik, die  Freiheitsspielräume –  heutige wie künftige – ermöglicht. Doch was ist, wenn dieser Schutz  mit Nebenwirkungen verbunden ist, die in eine ganz andere Richtung gehen? Wie sieht Politik aus, wenn Klimaschutz Arbeitsplätze oder zumindest gute Arbeit oder Einkommen vernichtet und Menschen in die Abhängigkeit von Transfersystemen fallen lässt? Dann verengen sich Freiheitsspielräume aus sozialen Gründen und Politik wird ihrer Aufgabe nicht gerecht.

Dass dies nicht nur theoretische Überlegungen sind, zeigt die Debatte um den Kohleausstieg. Es gibt keinen Zweifel, dass unsere Wirtschaft in Zukunft ohne schädliche  Emissionen arbeiten muss. Nach heutigem Kenntnisstand erfordert dies den vollständigen Verzicht auf den Gebrauch des Rohstoffs Kohle. Deshalb ist der Kohleausstieg richtig. Aber dieser muss so gestaltet werden, dass die von dem Ausstieg betroffenen Menschen eine Chance haben, ihre wirtschaftliche Existenz auf eine nachhaltige Produktion verlagern zu können, ohne in soziale Abhängigkeiten und Nöte zu geraten. Diesen Weg skizziert der mit allen Beteiligten ausgehandelte Kohlekompromiss von 2019, der einerseits für spätestens 2038 den Ausstieg aus der Braunkohleförderung vorsieht und andererseits den Beschäftigten und der Region durch vermehrte Investitionen eine wirtschaftliche Perspektive gibt.

Grantwanderung Klimaschutz

Die gleichen Überlegungen treffen auch auf den CO2 Preis zu. Es ist richtig, diese schädlichen Emissionen mit einem Preis zu versehen und damit klare Anreize zu deren Vermeidung zu geben. Aber gleichzeitig müssen auch nachhaltige Alternativen wie verstärkte Elektromobilität zu vernünftigen Preisen mit ausgebauter Infrastruktur zur Verfügung stehen, die es den Menschen ermöglichen, den teuren CO2 Ausstoß von vorneherein zu vermeiden. Dann sparen sie Ausgaben und geraten auch nicht in Abhängigkeit aufwendiger Ausgleichsmechanismen, die die Einnahmen aus einer CO2 Abgabe wieder zurückerstatten. Ein solcher Weg mit Handlungsalternativen  erfordert vor allem rasche und massive Investitionen in neue Nachhaltigkeit ermöglichende Infrastrukturen.

Die Beispiele zeigen, der politische Weg zur Klimaneutralität ist eine Gratwanderung. Nur dann bleiben Freiheitsspielräume und damit Handlungsmöglichkeiten für alle erhalten. Verlässt man den Grat, verliert man entweder direkt den Kampf gegen den Klimawandel oder aber die Menschen, die ja ihr alltägliches Verhalten ändern werden müssen und damit indirekt auch den Kampf gegen den Klimawandel. Ohne eine breite gesellschaftliche Akzeptanz der Maßnahmen zum Klimaschutz werden diese scheitern. Der unsinnige Widerstand gegen neue Windräder, der auch von Landesregierungen mit grüner Regierungsbeteiligung gefürchtet wird, ist Vorbote dessen, was passiert, wenn eine solche Situation eintritt.

Keine Verwerfungen riskieren

Ob man den Grat einhält, hängt auch von der Geschwindigkeit ab, mit der man diesen  beschreitet. Möglichst langsam bedeutet, den Klimawandel wie die CDU nicht ernst genug zu nehmen und immer schneller – wie die Grünen es fordern – bedeutet, wirtschaftliche und soziale Verwerfungen zu riskieren.  

Deshalb ist es wichtig, beim Klimaschutz – auch im Streit – eine optimale Geschwindigkeit zu suchen. Konkret heißt dies, der Ausstieg aus der Kohle muss im Gleichlauf mit neuen Arbeitsplätzen in nachhaltiger Produktion geschehen und der Anstieg des CO2 Preises im Gleichlauf mit dem Aufbau alternativer Energie- und  Mobilitätskonzepte. In diesem Zustand verläuft der notwendige Umbau unserer Wirtschaft mit optimaler Geschwindigkeit.  Das ist denn auch der Weg, den die SPD  gehen will – über einen schmalen Grat mit optimaler Geschwindigkeit und vor allem ohne Abstürze.

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Kommentare

Technische Entwicklung muss gefördert werden.

Denn eine Anpassung an sich verändernde Bedingungen bedarf neuer Technik, wie unsere holländischen Nachbarn schon seit Jahrhunderten mit ihrem Deichbau beweisen.

Dafür musste und muss man eine wissenschaftlich-technische Basis schaffen, und zwar durch massenhafte Ausbildung von Technikern, Ingenieuren und Naturwissenschaftlern [Physik, Chemie, Biologie] sowie Mathematikern.

Grosswindanlagen waren und sind nicht umweltneutral, man muss deshalb die Auswirkungen der Grosswindanlagen genauestens untersuchen.

Wie bei der Diskussion um das 'Waldsterben' sich schon vor 40 Jahren zeigte, benötigt man angemessene Technik. Deshalb wurden einerseits technisch-industrielle Prozesse verbessert, verändert oder neu entwickelt. Mit Filteranlagen reinigt man andererseits die technische Abluft.

Wenn also das CO2 so gefährlich sein soll, wie behauptet aber nicht durch technische Experimente belegt wird, dann müsste man zumindest technische Prozesse umstellen und die Abluft filtern.

Wer aber anstelle dessen dem CO2 einen Preis geben will, hat nicht nur nichts von Naturwissenschaft und Technik verstanden, er leugnet geradezu die Erkenntnisse von Naturwissenschaft und Technik.

Technologie ?

Wie sagte der USAmerikanische Biologe Barry Commoner: "Nature knows it best" (die Natur weiß es am Besten). Technologie ist die Ursache des Klimadesasters und Fehlentwicklungen mit ihern Ursachen bekämpfen geht nicht (sinngemäß nach Albert Einstein). Großtechnologien, auchEautos, Offshorewindparks, zenralisation in privater Hand (Nahrungsmittelkonzerne)..... sind kontraproduktiv. Wir müssen zu eine Wirtschaft kommen, für Mensch und Natur verträglich ist und sich nicht an Börsenwert, Geostrategie und Profit orientiert. Bei Marx, Engels, Bebel ..... Dörfler finden sich da ganz gut Denkansätze.

vergessen sie den guten

Morgentau nicht. Dessen Plan hilft neben Marx und Engels sicher auch, die Menschheit zu retten

So etwas wie Gratismahlzeiten gibt es nicht.

So lautet das vierte von B. Commoner aufgestellte ökologische 'Gesetz'. Nicht Technik ist Ursache von irgendetwas, sondern die Bürger, die diese Technik entwickeln und vielmehr noch die Bürger, die diese Technik verkaufen und verbreiten. Dennoch steht es vielfach den Bürgern frei, eine bestimmte Technik zu nutzen oder eben eine andere. Die Entwicklung der Technik zeigt zudem, dass es immer ein wenig besser geht. Schliesslich ist da noch der Bürger als Gesetzgeber [Abgeordneter] gefragt. Hat man nun Abgeordnete, die in Sachen Physik, Chemie, Biologie, Technik und Mathematik regelrechte Analphabeten und/oder Naturromantiker sind, steht es schlecht um die jeweilige Gesellschaft. Die 'Natur' denkt übrigens nicht und 'weiss' deshalb auch nichts, so viel sollte man aus der Evolutionstheorie verstanden haben. Guckt man sich all die nicht vom Menschen verursachten Naturkatastrophen an, weiss man, dass wir auf einem nicht ungefährlichen Planeten leben. Berücksichtigt man vor allem B. Commoners viertes ökologisches Gesetz, weiss man, dass wir uns auf eine vernünftige Bevölkerungspolitik einigen müssen. Moderne Technik gibt es seit ca. 250 Jahren, wir müssen sie ständig verbessern.

richtig, Bevölkerungspolitik

muss betrieben werden. Fangen wir mal an damit, und senken das Kindergeld ab dem 2 Kind. Mehr als 2 Kinder muss den völligen Verlust des Kindergeldes für alle Kinder zur Folge haben.

Gratwanderung?

Meines Erachtens doch eher eine Gradwanderung

Lebenskostenverteuerungen bringen fürs "Klima" NICHTS

Die Propaganda für die asozialen Lebenskostenverteuerunegn, die durch die Weiterreichung der "CO2-Bepreisung" vollstämdig in der Tasche der Endverbraucher Schaden anrichten ist unlogisch.

Verbindliche und sinnvolle Grenzwerte, Wirkmechanismen direkt bei den Herstellern, Abschaffung geplanter Obsoleszenz, Vermeidung unsinniger und höchst schadstoffreicher Produkte wie die unselige "E-Mobilität", das wäre "Umwelt" und meinetwegen "Klima".

Immer nur den Verbraucher zu bestehlen bringt in Richtung "Umwelt" bestenfalls den Effekt das noch mehr Menschen sich immer weniger leisten können, was die diesjährige Strompreiserhöhung - lustigerweise am gleichen Tag im Kasten wie die trotz Verbotsschild eingeworfenen Werbezettel von SPD und CDU - sehr klar belegt.

Statt hier nutzlosem Quatsch mit erheblichem Mehrbedarf an Ressourcen und Energie wie 5G und "Elektroautos" abzuschwören also immer weiter in die Taschen der bereits Geschröpften greifen.

Das ist nicht "Umwelt", das ist nur asozial.

CO2-Steuer und Abgaben

Richtig ist, daß solche Maßnahmen die Endverbraucher schröpfen, ohne an unsinniger Produktion - des Fetschs Wachstum wegen - irgend etwas zu ändern.
Ich habe gerade den Vorschlag von Frau Barbock durchgerechnet: Als Pendler fahre ich 16000 km/Jahr, das macht ca 1000 L Sprit. Wenn der 15 €cent/L teurer werden soll kostet mich das 150 €/Jahr, aber die Frau Baerbock will mir davon 75 € erstatten. ?????
Die Besteuerung von Produkten ist eine "end-of-pipe"-Lösung, die an den Ursachen gar nichts ändert, aber über die Besteuerung unsinniger Produkte nach zu denken gefährdet das bestehende Wirtschaftssystem.
Ein Elektro-SUV aus dem Hause Musk/Tesla ist in keinster Weise umwelt/klimafreundlicher als ein Diesel der 5 L/100 km verbraucht, besonders wenn die Elektrizität aus dem Braunkohlekraftwerk kommt.
Unsinnige Sachen wie oben angeführt die Werbung brauchen sowieso nur Produkte die keiner will. Militär als Umwelt- und Klimaschädiger muss endlich auch mal berücksichtigt werden.