SPD in Brandenburg

Warum wir Kohle (noch) brauchen

Ralf Holzschuher15. Januar 2015
Der Jänschwalder Braunkohletagebau in der Lausitz
Der Jänschwalder Braunkohletagebau in der Lausitz ist das drittgrößte Kraftwerk Deutschland. Gegen seine geplante Erweiterung protestieren die Anwohner der umliegenden brandenburgischen Dörfer derzeit.
Ist es in Zeiten des Klimawandels verwerflich, über Kohle als Wirtschaftsfaktor zu sprechen? Nein, meint Ralf Holzschuher. Der energiepolitische Sprecher der SPD-Landtagsfraktion Brandenburg setzt sich für Braunkohle als „Brückentechnologie“ ein.

Mein Heimatland Brandenburg ist seit vielen Jahren mit an der Spitze beim Ausbau erneuerbarer Energien. Gelingt der Ausbau weiterhin, wird es noch vor dem Jahr 2020 möglich sein, zu bestimmten Zeiten ganz Brandenburg und die Metropole Berlin nur aus Wind- und Solarstrom zu versorgen. Gleichzeitig ist Brandenburg auch ein Land der Kohle.

Ist die Energiepolitik Brandenburgs also widersprüchlich? Ist es in Zeiten des Klimawandels verwerflich, über Kohle als Wirtschaftsfaktor zu sprechen? Wer sich ernsthaft mit der Energiewende beschäftigt, wird beide Fragen klar verneinen.

16.000 Arbeitsplätze betroffen

Eine Studie im Auftrag des Stromerzeugers Vattenfall und der Mitteldeutschen Braunkohlengesellschaft (MIBRAG) kam auf 11.179 Personen, die Ende 2010 direkt in der ostdeutschen Braunkohlenindustrie beschäftigt waren. Knapp 5000 dieser Industriearbeitsplätze befinden sich in Brandenburg. In den sogenannten Vorleistungsbranchen – also jenen Gewerken, die maßgeblich von den Betriebs- und Investitionsausgaben der Energieerzeuger abhängen – sind im Land Brandenburg noch einmal gut 8500 Arbeitnehmer beschäftigt. Insgesamt sind hierzulande mehr als 16.000 Jobs mit der Braunkohle verbunden. Diese Zahl allein verdeutlicht, warum die Energiewirtschaft in Brandenburg so wichtig ist.

Bezieht man in die Abwägungen mit ein, wie groß die Deindustrialisierung nach der Wiedervereinigung in Ostdeutschland war, wird der Eindruck noch verstärkt: Die Energiewirtschaft ist im Moment das Rückgrat einer ganzen Region. Sie gibt jungen Menschen Zukunftschancen in ihrer Heimat. Nicht allein durch Arbeits- und Ausbildungsplätze und gute tarifliche Bezahlung, sondern auch durch die Sicherung des Fachkräftebedarfes in vielen weiteren Industriezweigen.  

Gerade Sozialdemokraten dürfen beim Thema Energiewende die Belange der Arbeitnehmer nicht ausblenden. Denn die Beschäftigten, die an den Förderbrücken und in den Kraftwerken dafür sorgen, dass der Strom für die Mehrheit von uns rund um die Uhr zur Verfügung steht und bezahlbar bleibt, schauen in eine ungewisse Zukunft. Vattenfall plant die Lausitzer Tagebaue und Kraftwerke im Süden Brandenburgs zu verkaufen. Zugleich soll der Tagebau in Welzow-Süd ausgebaut werden. Keiner vermag zu sagen, wie sich die Entscheidungen von Vattenfall in der Lausitz auswirken werden.

Es fehlt an Speichertechnologien

Es wird in der Energiewirtschaft große Veränderungen geben müssen. Aber mit einem schnellen Ausstieg aus der Kohle wäre dem Klima nicht gedient. Solange die erneuerbaren Energieträger noch nicht rund um die Uhr den Strom erzeugen können, den wir brauchen, wird die Braunkohle weiterhin als Brücke gebraucht. Eine Speichertechnologie, welche die zu guten Zeiten von den erneuerbaren Energieträgern erzeugten Überschüsse bereit hält für die windstillen Nächte, ist derzeit nicht in Sicht.

Das Industrieland Deutschland braucht eine stabile Energieversorgung. Würden wir jetzt – nach dem definitiven Ausstieg aus der Atomkraft – auch noch die Kohle aufgeben, bliebe nur den Strombedarf durch Importe zu decken. Doch ausländischer Kohlestrom ist weder billiger noch klimaschonender als in Deutschland produzierter. Im Gegenteil: In Deutschland haben wir einige der modernsten Kohlekraftwerke der Welt mit vergleichsweise geringen klimaschädlichen Emissionen.

Und gerade an den Hochschulen Brandenburgs wird sehr viel geforscht, um Strom sowohl aus der Kohleverstromung als auch aus erneuerbaren Energien weiterhin sicher und effizient produzieren zu können. Dieser Weg dient dem Klima und den Beschäftigten weit mehr als ein schneller Ausstieg aus der Braunkohle.

Brandenburgs „Energiestrategie 2030“

Ein überstürzter Ausstieg dagegen wäre ein verlogener Weg und nur Unwissende könnten damit ihr Gewissen beruhigen. Brandenburg will die Energiewende zum Erfolg führen. Die 2012 beschlossene „Energiestrategie 2030“ des Landes hat das Ziel, eines Tages die gesamte Energieversorgung durch erneuerbare Träger zu organisieren.

Die Strategie führt die vier wesentlichen Aspekte auf, die für die Energiewende essentiell sind: Ein modernes Industrieland braucht eine jederzeit sichere Stromversorgung. Elektrizität muss in einem sozialen Land auch bezahlbar sein, nicht nur für die Wirtschaft, sondern auch für die Verbraucher. Der Weg in die Energiewende muss in der Bevölkerung verstanden und akzeptiert werden – im Land Brandenburg kennen wir sehr starke Bürgerbewegungen gegen Windkraftanlagen und Hochspannungstrassen. Und natürlich muss die Energiewende dem Klimaschutz dienen.

Wie diese Aspekte alle unter einen Hut gebracht werden können, ist im nationalen Maßstab noch keineswegs klar. Wir wissen daher nicht, ob die Energiewende wirklich gelingt. Wir wissen aber, dass nur ein realistischer und rationaler Umgang mit dem Thema eine Lösung bringen kann. Dazu gehört auch die Kohle – als langfristig benötigte Brücke zum Erfolg.

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Kommentare

Debatte über die Kohle

Liebe Vorwärts-Redaktion,

die SPD hat ja viel Regierungserfahrung in Ländern mit großer Kohletradition - zu nennen sind NRW, die Saar, aber auch das Braunkohleland Sachsen-Anhalt. In allen diesen Ländern hat man viel Erfahrung mit dem Strukturwandel weg von der Kohle (Steinkohle im Westen, Braunkohle im Osten). Da frage ich mich: Könnte man aus diesem jahrzehntelangen Prozess nicht vielleicht etwas lernen? Und hier darüber lesen?
Zum Beispiel über politikgestaltende (!) Konzepte, wie man den Strukturwandel in der Lausitz und im Rheinland so angehen könnte, dass man - sagen wir im Jahr 2030 oder 2035 - sanft, sozialverträglich und ökonomisch gestärkt aus der Kohle heraus ist? Mit anderen Worten: Ich vermisse hier an dieser Stelle eine Debatte darüber, wie sich SPD-Regierungserfahrung für vorwärtsgerichtete Politik (statt Rückwärtsgefechte) nutzen ließe.

Mit freundlichen Grüßen

Carel Mohn
Projektleiter klimafakten.de