Die Vorurteile über muslimische Männer sind vielfältig: Sie gelten als roh, herrschsüchtig und frauenfeindlich. Viel zu selten aber werden diese Klischees thematisiert und als solche enttarnt. Wie das künftig gelingen kann, diskutierten am Montag Abend die Gäste der Veranstaltung „Ein Bild von einem Mann“.
Die Kreuzberger Bar „Südblock“ bot die passende Kulisse für ein Gespräch zu einem wenig erforschten Problem: Es ging um Vorurteile, denen Männern mit Migrationshintergrund in Deutschland täglich ausgesetzt sind. Unter anderem diskutierten der Sozialpädagoge Michael Tunç und Kazim Erdogan, Leiter einer Männergruppe im Rahmen des „Projekts Neukölln“. Moderiert wurde der Abend von taz – Redakteur Daniel Bax.
Michael Tunç beschäftigt sich im Rahmen seiner Forschung mit dem Rollenverständnis und der Lebensgeschichte männlicher Migranten. Er betonte, dass in den letzten Jahren deutschlandweit zunehmend ein antiislamischer Rassismus zu beobachten sei. Dabei stehe vor allem der muslimische Mann im Kreuzfeuer. „Der Mann mit Migrationshintergrund gilt als Macho, als brutal; er unterdrückt die Frau und ist homophob – diese Vorstellungen sind fest verankert.“, betonte Tunç. Dass häufig der soziale Kontext in der Debatte über Migranten keine Rolle mehr spiele, sei bedenklich. „Die Religion tritt in den Vordergrund und definiert den Menschen“, erklärte Tunç.
Ablehnung als Selbstaufwertung
Dass Rollenbilder auch Lebenswege prägen und vorzeichnen können, hat der junge Journalist Patrick Bauer in seinem Buch „Die Parallelklasse“ gezeigt. Dafür hat er ehemalige Klassenkameraden aus seiner Grundschule in Berlin – Kreuzberg aufgesucht und zu ihrem Werdegang befragt. Als Kinder seien die Unterschiede zwischen den Kulturen zwar spürbar gewesen, hätten in der Freundschaft untereinander aber keine Rolle gespielt, so Bauer. Erst später hätten sich die Lebenswege auseinander entwickelt.
Das festgefahrene Bild vom muslimischen Mann dient laut Tunç auch der Abgrenzung. Man könne sich selbst aufwerten, sich als modern betrachten, wenn man sich als „aufgeklärter Deutscher“ dem klischeehaft – rückständigen Migranten gegenüberstelle. Es werde nicht differenziert, weil die Steigerung des eigenen Selbstwertgefühls im Vordergrund stehe.
Für Kazim Erdogan ist vor allem der Dialog zwischen Deutschen und Menschen mit Migrationshintergrund wichtig. Man müsse im Alltag zusammenkommen, über Schnittstellen und Unterschiede sprechen und sich die Hand reichen. „Integrationsdebatten im Bundestag führen zu nichts.“, stellte Erdogan klar. „Wenn ich mit meinen deutschen Nachbarn rede, erreiche ich mehr.“ Vorurteile könnten nur überwunden werden, wenn die multikulturelle Gesellschaft gelebt würde, ist er überzeugt.
Alltagsvorbilder gesucht
Selbstverständlich gibt es gerade unter jungen muslimischen Männern gelegentlich einen falschen Begriff von Ehre. Die Gründe dafür zu suchen und Jugendlichen echtes Selbstbewusstsein zu vermitteln, sieht das Projekt „Heroes“ als seine Aufgabe. Eldem Turan und Ahmad Masour engagieren sich in dem Jugendprojekt und beteiligten sich ebenfalls an der Podiumsdiskussion.
Die jungen Männer bei „Heroes“ sprechen über Themen wie Ehre, Identität und Geschlechterrollen. Auch Menschenrechte stehen im Fokus. Ziel sei, dass die Jugendlichen später die nächste Generation selbst coachen könnten, erklärte Masour. Bei „Heroes“ finden männliche Jugendliche mit Migrationshintergrund aus schwierigen sozialen Milieus Alltagsvorbilder. Das sei wesentlich wichtiger als prominente Idole, betonte Eldem Turan.
Tunç unterstützte diese Feststellung und erklärte, es gebe in der Berufswelt heutzutage keine gesellschaftliche Gruppe, die benachteiligter sei als muslimische Männer. Schlechte Schuldbildung ginge häufig mit Perspektivlosigkeit einher. Auch bei Einstellungsgesprächen und Bewerbungen erführen Männer mit Migrationshintergrund oft Ablehnung. Dies müsse sich dringend ändern, forderte der Sozialpädagoge.
Muharrem Aras von der Kreuzberger SPD warf in diesem Zusammenhang ein, dass auch in der Politik die Karriereleiter für männliche Migranten schwerer zu erklimmen sei als für weibliche. Er plädierte dringend für eine Migrantenquote für unserer Partei, um diesem Effekt entgegenzuwirken.
„Es fällt schwer, Männer als Opfer zu betrachten.“, erklärte Tunç. Es sei aber eine Tatsache, dass sich ein antiislamischer Rassismus im deutschen Alltag verfestige, der auch Männer treffe. Dies müsse der Öffentlichkeit bewusst werden.
Info:
Patrick Bauers Buch „Die Parellelklasse: Ahmed, ich und die anderen“ ist im Luchterhand Literaturverlag erschienen und kostet 14,99 Euro.