Europawahl

Klingbeil fordert: Runter vom Sofa für Europa!

Jonas Jordan15. April 2019
SPD-Generalsekretär Lars Klingbeil wirbt um eine klare Haltung für Europa.
SPD-Generalsekretär Lars Klingbeil wirbt um eine klare Haltung für Europa.
In knapp sechs Wochen wählen 400 Millionen Menschen ein neues Europaparlament. Es droht ein Rekordergebnis der Rechtspopulisten. Auch deshalb fordert SPD-Generalsekretär Lars Klingbeil ein stärkeres Engagement der Vernünftigen.

„Europa.Diskutieren.Schützen.Leben!“ – der Titel einer Diskussionsveranstaltung der Friedrich-Ebert-Stiftung knapp sechs Wochen vor der Europawahl klingt gehetzt. Es bleibt nicht mehr viel Zeit bis zum 26. Mai, dem Tag der Europawahl. Etwas mehr als 90 Minuten nehmen sich die Diskutanten um SPD-Generalsekretär Lars Klingbeil, um zu erörtern, wie die Debatte um die Zukunft Europas gewonnen werden kann.

Grell und laut statt lösungsorientiert

Klingbeil spricht in seinem Impulsvortrag von einer zunehmenden gesellschaftlichen Kluft. Auf der einen Seite stehe eine Generation, die in den vergangenen 20 Jahren sehr viele Veränderungen erlebt habe und teilweise nicht mehr mitkomme. Diese sei anfällig für einfache Parolen á la Gauland oder Trump. Ihr gegenüber stehe eine junge Generation, die in Europa verankert sei, Digitalisierung als Bereicherung empfinde und den Fortschritt begrüße.

Hinzu komme ein verändertes Kommunikationsverhalten, insbesondere in den sozialen Medien. Es gehe in der politischen Debatte inzwischen häufig nur noch darum, besonders grell und laut zu sein, aber nicht darum, eine Lösung zu finden. Diesen Mechanismus hätten sich die Rechtspopulisten im Netz zunutze gemacht. „Die Antwort darauf kann nur eine klare Haltung sein“, macht der SPD-Generalsekretär deutlich. Egal ob es um Klimafragen, Friedenspolitik oder eine gerechte Besteuerung gehe – die Antworten dafür könnten nur gemeinsam auf europäischer Ebene gefunden werden. Klingbeil sagt: „Europa muss der Akteur sein, der eigene friedens- und sicherheitspolitische Antworten gibt. Auf die USA kann man sich nicht mehr verlassen.“

Social Media senkt Hemmschwelle

Es gebe gute Argumente für ein starkes Europa, sagt Klingbeil. Der SPD-Generalsekretär ist überzeugt, „dass die Mehrheit der Menschen in Deutschland gute Demokraten sind“. Die Frage sei, ob sie zur Wahl gingen. Klingbeil sagt: „Die Vernünftigen haben es in der Hand.“ Allerdings dürften sie nicht ängstlich vor denjenigen sein, die Europa kaputt machen wollten. Deswegen appelliert er: „Runter vom Sofa, raus aus der Komfortzone und mobilisieren, wo es geht!“ Denn: „Die, die Europa kaputt machen wollen, müssen wir in die Schranken weisen.“

Jacob Davey vom Londoner Institute for Strategic Dialogue hebt hervor, dass Rechte mit ihren Social-Media-Strategien durchweg erfolgreich sind. „Ängste sind einfacher zu transportieren als Hoffnungen“, sagt Davey. Social Media habe die Hemmschwelle gesenkt, sich an politischen Debatten zu beteiligen, aber auch die, um Rechtspopulist zu werden. Hoffnung machen ihm immerhin die aktuellen Klimaproteste in vielen europäischen Großstädten, weil sie zeigten, dass junge Menschen nicht nur unkritisch im Netz Konsumierende sind.

Den Menschen auf Facebook antworten

Die US-Amerikanerin Adele Stan ist Kolumnistin und Wissenschaftlerin. Sie argumentiert: „Viele Politiker denken immer noch, über Social Media sei nur Kommunikation in eine Richtung möglich. Dadurch sind sie uneffektiv.“ Dabei gebe es eine überraschend hohe Zahl von Menschen, die sich über Antworten via Twitter oder Facebook freuten. Stan beschreibt allerdings auch ein verändertes Nutzerverhalten. Während 2008 Barack Obama noch für seinen Social-Media-Wahlkampf gefeiert wurde, nutzte acht Jahre später vor allem Donald Trump die sozialen Medien erfolgreich für sich. Auch weil von Trump-Anhängern vielfach Fake News über Mitbewerberin Hillary Clinton verbreitet wurden.

SPD-Generalsekretär Lars Klingbeil formuliert entsprechend den Wunsch: „Ich erwarte noch mehr von meiner Partei, dass sie in Social Media aktiv ist. Wir müssen dort kommunizieren und begreifen, dass Kommunikation in beide Richtungen möglich ist.“

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Kommentare

Runter vom Sofa für Europa!

"Es droht ein Rekordergebnis der Rechtspopulisten." So steht es oben. Und warum?

Weil die Regierungen der EU immer noch nicht die Kurve kriegen, um eine Politik zum Wohle der Menschen zu machen, sondern sich immer wieder den Konzerninteressen beugen. Es sollten doch endlich Lehren aus der Geschichte gezogen werden, wonach das Kaputtsparen sowie das Nachgeben gegenüber den Konzernen zum Erfolg der Nazis geführt hat.

Kaputtsparen

Dem ist nichts hinzuzufügen. Genau so ist es.

Kaputtsparen II

Ich wünsche uns allen eine nachdenkliche Karwoche und ein gutes, friedvolles Osterfest. Und - dass die SPD endlich
die Kraft findet, den real existierenden Neoliberalismus ohne WENN und ABER über Bord zu werfen!
Und es sei mir - persönlich leider unbekannterweise - erlaubt mit Blick auf die vielfältigen kenntnisreichen Kommentare von Peter Boettel zu sagen: So lange es noch Sozialdemokraten vom Schlage eines
Peter Boettel gibt, ist die Sozialdemokratie / der Demokratische Sozialismus nicht verloren. Die SPD braucht nur viel, viel mehr Genossen vom Schlage eines Peter Boettel.

Kaputtsparen II

Helmut Gelhardt.

Recht herzlichen Dank für Deine Komplimente, Ob ich die in diesem Umfang wirklich verdient habe? Auch Du gehörst zu diesen Sozialdemokraten, die diesen Namen noch zu Recht führen, ebenso wie Armin Christ, Karin Merding, Max Freitag oder Carlo Ermark.

Auch meinerseits Euch allen erholsame und nachdenkliche sowie hoffentlich auch friedliche Osterfeiertage.

Ist der Ruf erst ruiniert...

Wirbt es sich auch für die EUrokratie ungeniert.
Liegt es wirklich an den (a)sozialen Medien oder doch eher daran, das die Politik die die EU gegen die Bürger betreibt ebenso wie die erheblichen Transparenz- und Demokratiedefizite der EU zu einer Haltung des Wählers führten die die Politik auch gegenüber dem Wähler und seinen Wünschen und Sorgen auslebt ?
"Mir doch egal" von "Oben" ergibt logischerweise ein ebensolches "mir doch egal" von "Unten".
Umso mehr, wenn "Wahlen" letztlich keinerlei spürbare Auswirkungen haben.

Liebe Politiker, egal aus welchem Selbstbedienungsverein, wenn Ihr wirklich die bösen Populisten kleinhalten wollt, dann macht endlich die Politik, die der Wähler sich wünscht.
Liebe Eurokraten, wenn Ihr weiterhin nur Politik für Konzerne und Banken macht, dann nutzen noch so viele Zensurorgien nichts.

Offenkundige Zensur und Politik gegen Willen und Wohl der Wähler treiben den bösen Populisten eher noch mehr Wähler zu, denn diese demokratiefeindlichen und konzernhörigen Gesetze erwecken eher den Eindruck das man solche Politik mit JEDEM vefügbaren Mittel stoppen muß.

Also was nun ?
Endlich die lang überfällige Einsicht oder weiterhin nur Werbung ?

Richtig !

Jürgen, ich kann Dir nur Recht geben. Da wird laut gerufen: Haltet den Dieb (er hat mein Messser im Rücken). Die bösen Rechten mit den "sozialen" Medien, die zensiert werden müssen sind an Allem Schuld !
Schuld sind diejehnigen, die seit Jahrzehnten eine gegen die Bevölkerung gerichtete Politik machen. Diejehnigen, die seither die Ausbeutung der Menschen und der Natur zugunsten einiger Weniger ermöglichen mit ihren Hartz-Gesetzen, TTIP etc. Verträgen, Aufrüstung, Atom- und Kohlepolitik, Landwirtschaft zugunsten der Chemieindustrie etc.
Erinnern wir uns: Im Kapitalismus werden Güter nicht wegen ihres Nutzens und ihres Gebrauchswerts produziert, sondern als Ware, um damit Profit zu machen. Mittlerweile gibt es Konzerne die die Informationen über unser privates Konsumverhalten zu Profit generieren und ein Finanzminister Scholz sieht sich außerstande diese Konzerne zu besteuern. Sowas führt dazu, daß die Leute PROTEST wählen. Eure Politik ist die Ursache für die Akzeptanz der Rechten. Besinnt Euch endlich ! Macht SOZIALDEMOKRATISCHE Politik !

Richtig !

Ganz genau!

Aber was bringt es, wenn wir uns in diesem Forum mehrheitlich einig sind, aber diejenigen, die es betrifft, weitermachen wie bisher und sich dann wieder über die Wahlergebnisse wundern?

Die ganzen Erneuerungsdebatten sind doch für die Katz, entsprechende Papiere für die Mülltonne, wenn Regierung und ein Finanzminister mit SPD-Parteibuch sowie die Bundestagsfraktion unverdrossen diese Politik weiterbetreiben wie Du sie treffend beschrieben hast.

Kollisionen

Wenn längst die eigenen Genoss/inn/en nicht mehr wissen welches Europa mit ihrer SPD-Stimme gewählt wird, wie sollen es dann erst die Wähler/innen verstehen? Und: Was sollen erst die zahlreichen Wahlkämpfer/innen den Bürger/innen vermitteln wenn die Überschriften des Parteiprogrammes massiv mit den geplanten und tatsächlichen Umsetzungen und Blockaden kollidieren ? Der Parteispitze fehlt Haltung, Mut und Konsequenz. "Erneuerung" bleibt nur eine Floskel !