

„Die Zeit, in der Umweltminister*innen bitte bitte sagen mussten, die war schon 2019 vorbei“, sagt Svenja Schulze mit einem Grinsen am Mittwoch, „Alle Ministerien sind jetzt Klimaschutzministerien“. Es ist einer dieser Verweise, die sie immer wieder nutzt, um darauf hinzuweisen: Das Bundesverfassungsgericht hat große Teile des Klimaschutzgesetzes, für das sie vor zwei Jahre noch vor allem vom Koalitionspartner gescholten wurde, bestätigt. Schulze konnte gestärkt in die Verhandlungen für eine Verschärfung des Klimaschutzgesetzes gehen und nun durchsetzen, woran sie 2019 noch gescheitert war.
Herausgekommen ist: Deutschland will 2045 schon klimaneutral wirtschaften, fünf Jahre früher als noch 2020 beschlossen worden war. 2030 sollen mit 65 Prozent schon zehn Prozent mehr CO2-Emissionen eingespart werden. Und der Pfad von 2030 bis 2045 enthält jetzt auch klare Ziele, unter anderem Minus 88 Prozent CO2 bis 2040. Schärfer als 2019 angedacht, grundsätzlich hatte Schulze diese Zwischenziele allerdings tatsächlich schon 2019 gefordert. Ziele, die bis 2030 bereits schon für Sektoren wie Wirtschaft, Energie, Verkehr und Bauen ausdifferenziert sind. „Ein Gesetz mit Zähnen“ sei das neue Klimaschutzgesetz, so Schulze.
Schulze: „Wir entschärfen die Klimakrise“
Die Gesetzesnovelle will sie allerdings nicht nur als Verschärfung verstanden wissen: „Die wahre Verschärfung wäre, nichts zu tun. Denn wir entschärfen so die Klimakrise.“ 2050 könnte Deutschland nach dem aktuellen Plan womöglich mehr CO2 binden als ausstoßen, hofft Schulze. Dafür sollen natürliche CO2-Senken ausgebaut werden – also Moore vernässt, Wälder fit gemacht werden für die Zukunft. Das CO2, das dort gebunden werden soll, soll allerdings bei der aktuellen Berechnung der Emissionsziele nicht verrechnet werden, betont die Umweltministerin.
Im Kabinett konnten sich die Sozialdemokrat*innen außerdem in einem für sie wichtigen Punkt durchsetzen: Der CO2-Preis bei den Heizgskosten soll künftig nur noch anteilig von Mieter*innen getragen werden, da sie bei der Anlage nicht mitentscheiden können, sondern der Vermieter über energetische Sanierungen entscheiden muss. Für solche Maßnahmen sollen Förderprogramme aufgelegt werden, die auch genutzt werden sollten, mahnt Schulze. Denn später schreibe das Ordnungsrecht die Heizungstechnik vor.
Dabei wehrt sich Schulze am Mittwoch in der Bundespressekonferenz auch gegen den Vorwurf, seit 2019 sei man in Sachen Klimaschutz nicht vorangekommen. „Wir haben nicht die Hände in den Schoß gelegt.“ Vielmehr habe man auf EU-Ebene weiterverhandelt, das neue deutsche Klimaschutzgesetz sei jetzt die Umsetzung der höheren EU-Ziele, bei der Klimaneutralität gehe man sogar etwas voran. Das Gesetz sei ein „faires Angebot an die junge Generation“, so Schulze – es ist auch eine Entgegnung auf die andauernde Kritik von „Fridays for Future“ und Umweltverbänden, dass die Novelle weiterhin nicht ausreiche.
Gesetz auf dem Weg in den Bundestag
„Das ist nicht weniger als eine Verdopplung des Tempos beim Klimaschutz“, verteidigt Schulze ihren Plan. Der Entwurf ist unter den Bundesministerien inzwischen geeint, kann also zur weiteren Beratung dem Bundestag vorgelegt werden.
Eine gigantische Herausforderung, die aus Sicht von Schulze an einem Schlüsselelement hängt: Dem Ausbau der Erneuerbaren Energien. Hier entscheide sich, ob es gelingt, früher aus der Kohle-Verstromung auszusteigen und dabei auch nicht von fossilen Energieträgern im Ausland abhängig zu sein – vom russischen Gas und Kohlekraftwerken in Polen etwa. Und nach dem abgeschlossenen Atomausstieg im kommenden Jahr wolle man natürlich auch nicht von Atomstrom aus Kraftwerken in Frankreich abhängig sein. „Es muss uns gelingen, beim Ausbau der Erneuerbaren schneller zu werden“, fordert Schulze, „das ist der Engpunkt“.
Über den Ausbau von Windkraft und Photovoltaik werde allerdings noch beraten, verwies Schulze auf die ausstehende Novelle des Erneuerbare-Energien-Gesetzes – schon vor dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts hatten sich Union und SPD-Bundestagsfraktion auf neue Ausbauziele geeinigt. Unabhängig davon ist für Schulze klar: Mit Debatten von Abstandsregeln für Windkraftanlagen werde man die Probleme jedenfalls nicht lösen.
Höherer CO2-Preis – nicht ohne Alternativen
Ebenso verteidigt Schulze, dass ein höherer CO2-Preis vom Tisch ist. „Der CO2-Preis soll ja eine Lenkungswirkung entfalten. Dafür muss es aber Alternativen geben“, gibt Schulze etwa mit Blick auf die Mobilität zu Bedenken. Sonst würden nur alle mehr zahlen müssen. „Davon wird keine Tonne CO2 eingespart.“ Als Sozialdemokratin gehe es ihr darum, dass künftig nicht nur die Reichen reisen oder heizen könnten. „Das kann sonst gesellschaftlicher Sprengstoff werden“, warnt Schulze, „und diesen Sprengstoff will ich nicht“.
Deswegen freut sie sich auch über die Debatte: So werde Klimaschutz Wahlkampfthema. Man streite nicht mehr über das Ob, sondern vor allem das Wie. Wie Klimaschutz fair und gerecht ablaufen könne, das sei jetzt das Thema.