Diskussionsveranstaltung

Klimaneutralität bis 2050: Wie das in der EU gelingen kann

Jonas Jordan02. Oktober 2020
Damit die EU bis 2050 klimaneutral werden kann, muss der Ausbau erneuerbarer Energien forciert werden.
Damit die EU bis 2050 klimaneutral werden kann, muss der Ausbau erneuerbarer Energien forciert werden.
Mit dem European Green Deal hat sich die EU-Kommission das Ziel gesetzt, bis 2050 klimaneutral zu werden. Doch wie kann das gelingen und welche Schwierigkeiten liegen auf dem Weg? Darum ging es bei einer Diskussionsveranstaltung der Friedrich-Ebert-Stiftung.

„Wir müssen nachhaltige Jobs schaffen“, sagt Frans Timmermans. Der niederländische Sozialdemokrat ist Vizepräsident der EU-Kommission und im Kabinett von Ursula von der Leyen die nächsten Jahre für den European Green Deal zuständig. Doch die Ziele, die dieser umfasst, reichen weit über Timmermans' Amtszeit hinaus. Das wichtigste: Bis 2050 soll die EU klimaneutral werden. Mit der Frage, wie das gelingen kann und welche Schwierigkeiten auf dem Weg dahin liegen, befasste sich das Global Green Deals Forum der Friedrich-Ebert-Stiftung.

Ausbau der Erneuerbaren Energien

„Wenn ich eine co2-freie chemie- oder Stahlproduktion haben will, brauchen wir massive Investitionen in erneuerbare Energien“, fordert Reiner Hoffmann, Vorsitzender des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB). Damit liegt der Gewerkschaftsboss in diesem Fall voll auf Linie mit Saori Dubourg, Managerin beim Chemiekonzern BASF. Auch Dubourg fordert einen viel weitgehenderen Ausbau der erneuerbaren Energien. Um die Industrieproduktion auf dem momentanen Niveau fortsetzen zu können, würde zehn Mal mehr erneuerbare Energie benötigt als bislang zur Verfügung stehe. Daher sagt sie: „Das größte Risiko ist, den Übergang zeitlich vernünftig zu gestalten. Wenn das gelingt, gelingt es auch, die Bevölkerung mitzunehmen.“

Investitionen

Um das Ziel der Klimaneutralität zu erreichen, sei sehr viel Geld notwendig, sagt Timmermans. Er fügt an: „Das haben wir jetzt mobilisiert, aber das können wir auch nur einmal machen. Wenn wir das falsch machen, verschulden wir unsere Kinder und Enkelkinder in einer Art und Weise, von der sie nichts haben.“ Daher mahnt er, für nachhaltige Investitionen zu sorgen. Ähnlich argumentiert auch Hoffmann, der fordert, die EU-Konvergenzkriterien auf den Prüfstand zu stellen, damit in den nächsten zehn Jahren „massive Investitionen“ getätigt werden können, um Europa zu modernisieren. „Wir brauchen Spielräume für massive öffentliche und private Investitionen. Diese Spielräume müssen wir schaffen“, sagt Hoffmann. Der DGB-Chef fügt an: „Der öffentliche Kapitalstock ist dermaßen veraltet. Wenn wir jetzt nicht investieren, hinterlassen wir unseren Kindern und Enkeln viel höhere Schulden.“

Qualitatives Wachstum

„Wenn heute das Wort Wachstum fällt, zucken alle intuitiv zusammen. Das ist ein guter Impuls“, sagt der stellvertretende SPD-Vorsitzende Kevin Kühnert. Es dürfe nicht mehr darum gehen, Wachstum um jeden Preis zu schaffen. Zentral sei die Frage, wie qualitatives Wachstum geschaffen werden könne. In diesem Kontext müsse auch über eine stärkere Demokratisierung der Wirtschaft nachgedacht werden. Als Beispiel nannte Kühnert den Bereich der erneuerbaren Energien, in dem die Marktmacht der vier vorherrschenden Energiekonzerne durch lokale Genossenschaften gebrochen werden könne, von denen wiederum die Bürger*innen vor Ort direkt profitierten.

Auch Luisa Neubauer, Sprecherin der Protestbewegung „Fridays for future“, bringt in die Debatte ein, stärker über alternative Wirtschaftsformen nachzudenken. „Fossiler Kapitalismus ist bislang daran gescheitert, innerhalb der planetaren Grenzen zu agieren. Wir brauchen Wirtschaftssysteme, die innerhalb der planetaren Grenzen agieren können.“ BASF-Vorstandsmitglied Dubourg verwendet stattdessen den Begriff des „Wertewachstums“. Dabei gehe es insbesondere um eine intelligente Form der Ressourcennutzung. 

Soziale Sicherheit

Frans Timmermans warnt: „Es gibt ein hohes Risiko, dass wir in 10 bis 20 Jahren viele neue Jobs, aber auch viele Arbeitslose haben.“ Deswegen plädiert er für ein europäisches Programm zur Qualifizierung, damit sich die Menschen entsprechend weiterbilden können und im wirtschaftlichen Transformationsprozess nicht den Anschluss verlieren. Auch Neubauer sagt: „Die Klimakrise ist immer als erstes eine Gerechtigkeitskrise. Das sehen wir schon heute, wenn Bauern ihre Höfe wegen Dürre aufgeben müssen. Dann sind es immer zuerst die kleineren Betriebe.“ Deswegen sei Klimaschutz immer auch eine soziale Maßnahme. Allerdings spiele das in der öffentlichen Debatte bislang zu wenig eine Rolle.

weiterführender Artikel

Kommentare

"Wachstum" über alles ?

Schon wieder wird eine "Qualifizierung" ungenannter Definition beschworen, um die zu erwartenden massiven Arbeitsplatzverluste (sofern weiterhin die 40 Stunden Woche nicht nur als Minimum zementiert wird sondern faktisch wieder auf die 48 Stunden Woche hinlobbyisiert wird) irgendwie zu bedämpfen.
Wie genau nun wie von den Industrievertretern gewollt eine gleichbleibende Produktionsmenge erhalten bleiben soll wird wie immer nicht ansatzweise hinterfragt.
WARUM die Überproduktion mit Wegwerfartikeln in mindestens gleicher Höhe (plus "Wachstum" als gewollte Minimalverzinsung) mit "alternativen Energien" weitergeführt werden soll und ob nicht sehr zeitnah der wichtigste "Rohstoff" ausgerottet sein wird - nämlich Kunden die sich nicht mal mehr überschulden können um "der Wirtschaft" den ganzen Schrott auch abzunehmen - darüber wird ebenfalls nicht nachgedacht.

Rohstoffverbrauch senken/Recycling verbessern widerspricht nahezu allen aktuellen Produktdesigns bei denen die Unmöglichkeit zur Reparatur oberste Priorität zusammen mit garantiert niedriger Lebensdauer hat.

Bisher sieht es nur nach immer höheren Strafabgaben für den Endverbraucher aus statt nach wirksamen Konzepten.

ja genau,

schmeiss weg den alten Scheiss, dann hast du Platz für neuen Scheiss

Wer soll den das viele Geld

Wer soll den das viele Geld aufbringen wovon die Rede ist? Ich habe nicht den Eindruck, dass die EU bzw. auch DE wirklich einen Plan haben, der umsetzbar wäre. Vielmehr entsteht der Eindruck, dass eine beschleunigte Umverteilung von unten nach oben betrieben wird, was mit dringend notwendigen Natur- und Umweltschutz nichts zu tun hat.

Unverständlich in diesem Zusammenhang ist auch die Einwanderungspolitik der EU, hier insbesondere die von Deutschland. Mehr Einwohner bedeutet auch mehr Energie- und Konsumgüterverbrauch. Das ist nun mal Fakt.

Einwanderungspolitik der EU und von Deutschland

Frau Merding, unverständlich, weil nicht faktenbasiert, ist der zweite Absatz Ihres Kommentars!

Ja nun, 83 Millionen

Ja nun, 83 Millionen Einwohner verbrauchen mehr Ressourcen als 80 Millionen. Ich glaube, da braucht man keinen Taschenrechner.

Wer als verantwortliche Regierende Kriege anzetteln, umfangreiche Waffenexporte in Kriesenregionen tätigen, abstruse Freihandelsverträge abschließen und so einer Unzahl von Menschen die Lebensgrundlage entziehen, was zu einer Völkerwanderung in Richtung EU/DE geführt hat und noch immer anhält, kann ich nicht erkennen, dass diejenigen irgendwas mit Klima- und Umweltschutz im Sinne haben.

leider ist es so, wie

Sie es sagen. Das Bevölkerungswachstum ist der alleinige Hebel- und da bewegen wir uns nun hier im Lande auch in die falsche Richtung mit den nun wieder steigenden Geburtenzahlen. Kindergeld nur noch für 1, max 2 Kinder, sind es mehr, wird wieder reduziert- vier oder noch mehr Kinder und es gibt kein Kindergeld mehr- das wäre mal ein Ansatz - um Fehlentwicklungen zu mindern

Mag auf den ersten Blick

Mag auf den ersten Blick logisch erscheinen, das Kindergeld zu begrenzen um das Bevölkerungswachstum zu regulieren. Anders herum gilt zu bedenken, dass ggfs. dann mehr HartIV bzw. Lohnzuschläge bezahlt werden müssten, um eine "Großfamilie" über die Runden zu bringen. Mir schein eher, es ist Jacke wie Hose wo das Geld herkommt. Eine sehr gute Schulausbildung/Berufsausbildung und somit bessere Perspektiven könnte m.E. eher wirken. Das wird aber Generationen dauern, bis das mitgebrachte soziale Erbe sicht dreht.

genaus das ist der Punkt

die enormen Mittel zweckgerichtet einsetzen, Sachleistungen für die Kinder- mit voller Wucht in die Schulausbildung, Sportvereine uäm, das würde wohl die erreichen der erhofften Ziele besser ermöglichen. mehr Kindergeld kommt nicht den Kindern zugute, es dient dem Konsum der Eltern

Da stimme ich zu. Allerdings

Da stimme ich zu. Allerdings meine ich eine klassische Schulausbildung, Berufsausbildung oder auch ein Studium. Die derzeit vorherrschenden Gender-Studies sind doch für den A.... Das wäre noch einmal ein sep. Thema.

83 Millionen

Die Tatsachenbeschreibung des zweiten Absatzes Ihres jetzigen Kommentars ist völlig richtig.

Nur:
Die Differenz von 3 Millionen Einwohnern, die Sie ausmachen: wenn die nicht in der EU oder in Deutschland wohnen,
sondern außerhalb dieser Territorien, verbrauchen die dann dort keine Ressourcen? Und wenn sie dann dort weniger
Ressourcen verbrauchen sollten - liegt das dann an deren größerem Ressorcenverbrauchsbewusstsein oder an ihrer oft, viel zu oft bestehenden himmelschreienden Armut? Richtig ist: Deutschland kann alleine nicht das globale Elend korrigieren. Aber Deutschland kann sich als eine der reichsten Nationen der Welt mit den Armen dieser Welt solidarisch zeigen, viel solidarischer als gegenwärtig! Und natürlich darf dabei nicht das heimische Elend gegen das globale Elend ausgespielt werden.

Gefordert ist eine allumfassende Solidarität mit den Armen dieser Welt. Deutschland, die EU und der "globale Norden"
haben unstreitig die Mittel dazu. Diese Mittel müssen nur rational, gerecht und solidarisch eingesetzt werden und nicht nach dem vermeintlichen Naturgesetz des kannibalistischen Neoliberalismus. Der Demokratische Sozialismus muss hier
Führung zeigen!

Die Differen von 2 Mio

Die Differen von 2 Mio Einwohner war als Beispiel gedacht, mehr nicht.

Natürlich verbrauchen die Menschen in den Herkunftsländern auch Ressourcen, aber eben an Ort und Stelle, da wo sie leben. Derzeit ist es doch so, dass diese s.g. Ressoursen, ob nun Rohstoffe oder Arbeitskräfte, von uns import werden und zwar in einen bereits dicht besiedelten Kontinent. Afrika z.B. hat alles, Fläche, Rohstoffe, Arbeitskräfte usw.

Ist es nicht so, dass aus reiner Profitgier den Menschen dort keine Chance gegeben wird um sich zu entwickeln? Ich denke, da brauchts keinen Sozialismus sondern es reicht seinen Verstand einzusetzen um ein gerechtes Miteinander zu ermöglichen.

Deutschland ist einer der reichsten Nationen der Welt sagen Sie. Aber wer ist in Deutschland denn reich? Etwa die Bevölkerungsmehrzahl, die hier täglich malochen geht? Ich denke, der Neoliberalismus mit seinem mörderischen Finanzsystem hat deutlich überzogen, sowohl hier im Lande als auch in den s.g. Entwicklungsländern. Die Klimavorhaben haben deutlich mit diesem Finanzsystem zu tun, weniger mit einer intakten Umwelt.

83 Millionen minus 80 Millionen sind 3 Millionen Differenz

Ich habe ausdrücklich geschrieben, dass das heimische Elend natürlich nicht gegen das globale Elend ausgespielt werden darf!

Der letzte Satz Ihres jetzigen Kommentars verkennt die deutsche, europäische und globale Klimasituation/Umweltsituation total.

Richtig ist, dass jetzt der "Grüne" Kapitalismus versucht, sich eine goldene Nase zu verdienen. Das ändert aber nichts an der Richtigkeit der Forderungen, die von einem Demokratischen, ökologischen Sozialismus an die Bearbeitung der globalen Umweltkrise/Klimaproblematik durch die Staaten gestellt werden.

Und natürlich kann das Ganze nur in einer Sozial-ökologischen Transformation geschehen, die weltweit sozial gerecht, solidarisch ist und gleichzeitig das ökologisch Notwendige, das zwingend geleistet werden muss, tut. Im Neoliberalismus
ist das nicht möglich. Es muss aber geschehen, weil uns sonst die Welt in absehbarer Zeit sozial und ökologisch um die Ohren fliegt!

Zweifel

Wir sehen gerade die Auseinandersetzungen um die A49, seit 2 Jahren wird die A10 ausgebaut (da gibt es noch mehr Beispiele) und ich sehe daran, daß die großen Worte von der Verkehrswende eben nur Worte sind.
Skandale in der Fleischindustire samt industriellen Mastanlagen - es tut sich wenig. Osteuropäische LKW Fahrer, entlohnt zum rumänischen Mindestlohn + ein paar € Spesen, transportieren Güter von A nach B und von B nach A (meist dieselben).
Dank Coronal ging das Steinkohlekraftwerk Datteln 4 klammheimlich ans Netz. Elon Musk wird gehyped für den Bau einer Elektroautofabrik, in der dann Elektroautos der SUV Klasse gebaut werden, und ein Großteil der Elektrizität stammt aus fosilen Quellen. CO2-freier Staht - technisch geht das, aber mit welchem Aufwand und welchen Folgen.
Eine wirkliche Wende Richtung Klimaneutralität kann ich nicht erkennen, stattdessen werden technologische Lösungen propagiert, die das bestehende resourcenverbrauchende System weiterhin aufrechterhalten. Die Probleme gibt es nicht erst seit heute und ich erwarte entlich mal sinnvolle Schritte zu einer Mensch und Umwelt gerechten Wirtschaft - weltweit; ohne Rücksicht auf die Börsenkurse.