Gastbeitrag

Klimakonferenz in Glasgow: Warum Ziele allein uns nicht retten werden

Stefan Schneidt12. November 2021
SPD-Mitglied Stefan Schneidt bei der Weltklimakonferenz in Glasgow.
SPD-Mitglied Stefan Schneidt bei der Weltklimakonferenz in Glasgow.
Bei der Weltklimakonferenz geht es mal wieder um nicht weniger als die Rettung der Welt. Frühere Konferenzen zeigen, dass die Formulierung von Zielen dafür nicht reicht. Soll Glasgow zum Wendepunkt werden, müssen Taten her.

Als ich im Dezember 2019 von der Weltklimakonferenz aus Madrid zurückkam, war ich frustriert. Ich fühlte mich machtlos, vollkommen unterlegen und verspürte ein Gefühl von Ohnmacht. Ich zweifelte, inwieweit führende Politiker*innen noch Teil der Lösung der Klimakrise sein könnten. Sie waren es schließlich auch, die die Krise mitverursacht haben und die es zu verantworten hatten, dass nach dem katastrophalen Hitzesommer 2019 eine Weltklimakonferenz vor die Wand gefahren wurde. Sie sind es, die mitverantwortlich sind, dass kein Klimaschutzgesetz der Welt ausreicht, um das 1,5-Grad-Ziel des Pariser Abkommens zu erfüllen. Die Beschlüsse in Madrid waren bizarr und – man muss es so drastisch sagen – zum Teil menschenverachtend, aber nie wurde mir eins klarer: Die ökologische Krise ist die soziale Frage unserer Zeit und wer nicht handelt, gefährdet Menschenleben und provoziert Konflikte.

Nicht die Welt retten, aber einen klaren Rahmen setzen

Wird Glasgow auch zu einem Fiasko? Um die Frage final beantworten zu können, ist es noch zu früh. Ich weiß, dass mögliche Beschlüsse auf einer Weltklimakonferenz nicht die Welt retten werden, aber eine Weltklimakonferenz kann klare verbindliche Rahmenbedingungen setzen. Diese würden dazu führen, dass jedes Land seinen Teil dazu beitragen kann, damit die Welt dem 1,5-Grad-Ziel deutlich näherkommt.

Das UN-Umweltprogramm (UNEP) hat vor zwei Wochen einen Bericht veröffentlicht. Demnach steuert die Welt auf 2,7 Grad Erderhitzung zu, wenn die aktuellen nationalen Klimaziele eingehalten werden. Die Weltgemeinschaft müsste ihre aktuellen Klimaschutzbemühen versiebenfachen, um das 1,5-Grad-Ziel noch einzuhalten. Und dabei werden nicht einmal die aktuellen, unzureichenden Klimazielen von den meisten Staaten eingehalten.

Werfen wir einen Blick nach Deutschland: Wir möchten unsere Emissionen bis 2030 um 65 Prozent gegenüber 1990 reduzieren. Laut Bericht des Bundesumweltministeriums schaffen wir aber ohne neue Maßnahmen nur eine Reduktion von 49 Prozent. Ziele, egal auf welcher Ebene, zu formulieren ist gut, wichtig und richtig, aber ohne auch die notwendigen Maßnahmen auf den Weg zu bringen, erreichen wir diese Ziele nicht.

Keine Verbindlichkeit beim Kampf gegen Abholzung

Die letzten COPs (Conference of the Parties) haben gezeigt, dass immer wieder neue Ziele ohne verbindliche Regeln formuliert wurden. In diesem Jahr ist es ähnlich. Schon 2014 gab es eine Initiative, die New York Declaration on Forests. Das Ziel war, bis 2020 den Verlust der Wälder zu halbieren und bis 2030 ganz zu stoppen. Erfreuliche Ergebnisse kann man bis heute nicht verkünden. Wenn jetzt erneut in Glasgow verkündet wird, wieder ohne klare Verbindlichkeit, dass man ab 2030 keine Abholzung mehr dulden möchte, dann ist es zu spät. Brasilien möchte zwar schon ab 2028 der Abholzung den Kampf ansagen, aber wie geht es der Lunge des Planeten aktuell?

Schon jetzt ist der Regenwald in einem desaströsen Zustand. Er emittiert mittlerweile mehr CO2 als er aufnimmt und noch nie wurde im Amazonas so viel abgeholzt wie in den letzten Jahren. Wissenschaftler*innen warnen seit Jahren davor, dass der Amazonas bei einer Abholzung von 20 bis 25 Prozent nicht mehr zu retten ist. Er würde kippen, das heißt, man könnte den alten Zustand nicht mehr herstellen, er wäre irreversibel geschädigt. Seit 1970 wurden circa 20 Prozent des Amazonas gerodet. Ich frage mich: Wie offensichtlich wollen wir unsere eigene Existenz gefährden?

Wir brauchen nicht nur einen Abholzungsstopp ab 2030. Wenn wir es ernst mit der ökologischen Krise meinen, wie es die führenden Politiker*innen hier vor Ort immer wieder betonen, dann müssen wir jetzt die Abholzung stoppen und neue Bäume pflanzen. Doch das Problem ist nicht nur der Amazonas, er ist nur ein Beispiel von vielen.

Glasgow muss ein Wendenpunkt werden

Wir müssen uns fragen, in was für einer Welt wir leben möchten. Die Projektionen des Weltklimarats lassen uns noch viel Spielraum. Im besten Fall schaffen wir es noch, dass 1,5-Grad-Ziel einzuhalten, aber im schlechtesten Szenario ist ein Anstieg von 5,7 Grad bis zum Ende des Jahrhunderts möglich. In diesem Fall wäre ein Großteil der Erde unbewohnbar und unser Planet würde sich in einen Apokalypse-Film verwandeln. Wie ernst es die Weltgemeinschaft mit dem Planeten meint, dass sehen wir in einigen Tagen, aber ich wünsche mir für unsere Erde, dass Glasgow ein Wendepunkt wird und in die Geschichte eingeht.

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Kommentare

Allein die Änderung ist beständig.

Die Welt war nie, ist nicht und wird nie ein Ort sein, an dem irgend etwas beständig ist. Die physikalisch-chemisch-biologischen und gesellschaftlichen wie technisch-industriellen Bedingungen sind überall auf der Welt unterschiedlich, deshalb nützen auch Ziele einer Klimakonferenz nichts.

Sicher ist nur, was schon in der Internationalen ausgedrück wurde: "...
Es rettet uns kein höh’res Wesen,
kein Gott, kein Kaiser noch Tribun
Uns aus dem Elend zu erlösen,
können wir nur selber tun! ..."

Um etwas selbst tun zu können, benötigt man entsprechendes Fachwissen und technisches Können. Wir benötigen also mehr Physiker, Chemiker, Biologen, Geologen, Ingenieure und viele andere Fachkräfte.

Da es auf der Erde immer schon Klima-änderungen gab, seit es das Klima gibt, müssen die Menschen sich dem sich stetig ändernden Klima anpassen, was sie auch taten. Deshalb gibt es gegen Kälte schützende Kleidung, wetterfeste Behausungen, Deiche ... .

Es geht also zuerst um notwendige Anpassungen, die zu bewerkstelligen sind.

Weiterreichende Eingriffe können hingegen sehr gefährlich werden. Man braucht also vor allem fundierte Erkenntnisse über langfristige Folgen der Eingriffe.

Fachleutebedarf

In meinem Berufsleben als Diplom Biochemiker habe ich leidlich gelernt, daß engagierte kritische Wissenschaftler nicht unbedingt gebraucht werden. Auch die SPD hatte keinen Bedarf an solchen Experten. Sieht man sich die früheren Beiträge von Harald Lesch odr Mai Ti Nguyen Kim an, und dann die jetzigen - dann ....... .
Allerdings werden wir technikfanatisch die Probleme die uns unsere geeschundenen Umwelt bereite nicht lösen.
Frei nach Einstein: Man kann die durch Technik verursachten Probleme nicht mit der selben Technik lösen.

Zu Herrn Hallmoser

Herr Hallmoser sollte mal jeweils nur für vier Wochen in: Flutgebieten,
Dürrezonen, Hitzegebieten, Waldrodungsflächen wie im Amazonasgebiet,
Wirbelsturmregionen etc. leben. Vielleicht wird dann sein Umwelt-, Klimawandelverständnis etwas zurechtgerückt?! EIKE - Argumentationen helfen nicht weiter!

CO2-Fetischist auch sinnfrei

Ursächliche Faktoren wie Luftverkehr, Abbau von Manganknollen aus der Tiefsee mit einhergehender PH-Wertänderung des Meerwassers sowie Freisetzung gebundenen Methans tauchen komischerweise genausowenig auf wie das Humusproblem oder die Vermehrung von Quallen/Rückgang von Grünalgen und vergleichbaren CO2-Verwertern.
Auch der Raubbau an großflächigen Ökoregulatoren wie Regenwälder aller Art ist irgendwie kein Thema beim vorgeblichen "Klimaschutz".

Kurz: Alles was Konzernen die Profite verhageln könnte wird in jeder "Klima"debatte ausgeblendet wohingegen irgendwelche sinnfreien Preisverteuerungen für die Endverbraucher ebenso "Öko" sein sollen wie technologische Giftbomben wie die im Umweltsinne tödliche "E-Mobilität". Und wenn überhaupt gehts bestenfalls um Lithium, man ignoriert die Umweltferkeleien beim Abbau so profaner Rohstoffe wie Zinn und Kupfer.

Anprangerung von geplanter Obsoleszenz oder tatsächliche "Software-Zeitbomben" in Hardware, die noch Jahrzehnte weiter funktionieren könnte wenn sie dürfte habe ich noch von keinem Umweltprediger vernommen.

Ja, man braucht technologischen Innovationen aber nicht zwingend bei "neu" sondern auch bei der Nutzungsdauer.