„Neues Kapitel“

Klima und Corona: SPD setzt auf neue Partnerschaft mit USA unter Biden

Benedikt Dittrich08. Januar 2021
Nach der Stürmung des Capitols stehen in Amerika die Zeichen auf Aufräumen und Erneuern – das dürfte auch für die internationale Politik der USA gelten, sobald Donald Trump aus dem Amt des Präsidenten ausscheidet.
Nach der Stürmung des Capitols stehen in Amerika die Zeichen auf Aufräumen und Erneuern – das dürfte auch für die internationale Politik der USA gelten, sobald Donald Trump aus dem Amt des Präsidenten ausscheidet.
Vier Jahre Donald Trump haben die Demokratie in den USA und weltweit beschädigt – das ist vielen Menschen spätestes nach der Stürmung des Kapitols klar. Doch es lohnt, nach vorne zu schauen, sagen US-Gouverneur Phil Murphy und SPD-Vizekanzler Olaf Scholz.

Phil Murphy hat an diesem Donnerstagabend nicht viel Zeit. Der Governeur aus New Jersey ist nur eine halbe Stunde zu der Diskussionsrunde der SPD-Bundestagsfraktion zugeschaltet, danach wird er wieder zuhause gebraucht. Trotzdem sagt er in dieser Zeit so vieles, was in den vergangenen vier Jahren so selten zu hören war: Er benutzt Wörter wie „Freundschaft“, „Partnerschaft“ oder „Augenhöhe“ im Bezug auf Deutschland, auf Europa. Mit wenigen Sätzen kann er, der einst unter Obama Botschafter in Deutschland war, Hoffnung machen auf das, was mit dem demokratischen US-Präsidenten Joe Biden und Vize Kamala Harris kommt.

Es ist die Hoffnung auf eine Rückkehr zu Diplomatie, zu partnerschaftlichem Umgang und gegenseitigem Verständnis, kurz: Die USA könnte in den kommenden Jahren wieder zu einem verlässlichen Partner in der internationalen Politik werden.

Rückkehr zu Diplomatie und Kooperation

„Ich habe wirklich das Gefühl, dass ich bei alten Freunden bin“, sagt Murphy mit einem Lächeln in Richtung von Bundesfinanzminister Olaf Scholz und SPD-Fraktionschef Rolf Mützenich. Besonders an Scholz erinnert sich Murphy: Er lernte ihn noch als Ersten Bürgermeister von Hamburg kennen. Murphy war unter der Regierung von Barack Obama von 2009 bis 2013 Botschafter der Vereinigten Staaten in Deutschland, 2017 wurde er in New Jersey zum Governeur gewählt.

US-Gouverneur von New Jersey, Phil Murphy.
US-Gouverneur von New Jersey, Phil Murphy.

Bevor es in der Runde um die Zukunft, also um die Kooperation zwischen den USA, der EU und Deutschland geht, müssen Murphy, Scholz und Mützenich allerdings noch einmal über die verstörenden Bilder aus dem Kapitol in den USA sprechen. Da ist Murphy um klare Worte nicht verlegen: „Das war einer der dunkelsten Tage in der Geschichte unseres Landes.“ Der Amerikaner erinnert daran, dass es mehr als 200 Jahre zurückliegt, dass das Kapitol von Feinden besetzt worden war. „Das war im Krieg gegen ausländische Feinde, das jetzt war einheimischer Terrorismus.“ Und, soviel ist für den US-Demokraten klar: „Angezettelt wurde das von Donald Trump, daran gibt es keine Zweifel.“ Darin stimmt auch Scholz überein: Die Verantwortung dafür trage der scheidende US-Präsident.

Umso mehr bemüht sich die Runde im Anschluss, nach vorne zu schauen. Denn eigentlich war die Diskussionsrunde dafür ursprünglich angelegt: Um einen „New Deal“ sollte es gehen, eine neue Perspektive für die internationale Partnerschaft zwischen den USA, Europa und Deutschland. „Ein neues Kapitel“ werde mit dem neuen Präsidenten Joe Biden aufgeschlagen, darin sind sich der designierte SPD-Kanzlerkandidat Scholz und der Gouverneur einig – und diese Hoffnung formuliert auch die Fraktion in einem Positionspapier, mit dem sich die Budestagsabgeordneten während der aktuellen Klausur noch beschäftigen.

Murphy dämpft Erwartungen: „Es wird nicht leicht werden.“

Murphy, ganz Diplomat, dämpft derweil aber die Erwartungen etwas. „Es wird nicht leicht werden.“ Unter Trump seien Institutionen beschädigt worden. „Es wird zunächst gedimmt anfangen, aber dann wird es nach und nach heller werden“, verspricht er. Dafür würden nicht nur Biden sowie Vizepräsidentin Kamala Harris kämpfen, sondern die gesamte Regierung, die die beiden derzeit aufstellen.

Wie wichtig die USA als verlässlicher Partner auf der internationalen Bühne sind, betont Olaf Scholz: „Unverändert sind die USA ein wichtiger Staat unter den Demokratien in der Welt.“ Dabei geht es dem Vizekanzler nicht um vollkommene Harmonie oder eine Partnerschaft mit Europa ohne Differenzen, wohl aber um verlässliche Diplomatie und gemeinsame Werte: „Wir müssen zurechtkommen mit allen, die in der Welt da sind. Das funktioniert, wenn wir uns über unsere gemeinsame Werte einig sind.“ Er setze auf eine multilaterale Politik, auch in der Verständigung zu Russland, China und vielen weiteren erstarkenden Staaten in Asien, Südamerika und Afrika. „Dafür brauchen wir die USA als starken Partner.“

New Deal zwischen Europa und den USA?

Was das im Politischen konkret bedeuten kann, dazu nehmen schließlich Bundesumweltministerin Svenja Schulze sowie Fraktionsvize Gabriela Heinrich Stellung. Mit dem Sonderbeauftragen der US-Regierung für Klimaschutz, John Kerry, stehe man bereits im Kontakt, erzählt Schulze, auch über die angekündigte Rückkehr zum Pariser Klimaschutzabkommen zeigt sie sich erfreut: „Ich bin erstmal froh, wenn wir die USA wieder als Partner gewinnen.“ Wenn die USA ihren eigenen Anteil an den weltweiten CO2-Emissionen senkten, „dann werden wir das weltweit merken“.

Heinrich indes hofft auf das WHO-Engagement der USA mit Blick auf die Corona-Pandemie. „Wir müssen gemeinsam sicherstellen, dass nicht nur die Länder profitieren, die sich Impfstoffe und Medikamente leisten können“, so die Sozialdemokratin. Multilateralismus ohne diesen Ansatz sei global nichts mehr denkbar.

Unter Trump hatten die USA die finanzielle Unterstützung der WHO eingestellt und waren auch aus dem Klimaabkommen ausgetreten. Joe Biden hatte bereits im Wahlkampf angekündigt, diese Entscheidungen rückgängig zu machen und den Kampf gegen die Pandemie und den Klimawandel gemeinsam mit den anderen Staaten wieder aufzunehmen.

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Kommentare

Hoffnungsträger Josef Biden

Auch wenn mir überzeugte Neoliberale und Atlantiker widersprechen mögen, in Josef Biden als USA-Präsident kann ich leider keinen Hoffnungsträger erkennen. Diesem Irrtum bin ich mit William Clinton und Barak Obama aufgesessen, aber ein 3. Mal ... ? Mit den Ereignissen der letzten Tage sehen wir, aber auch die Bürger der USA, wie das so ist mit der Regimechangepolitik - ich hoffe trotz allem auf Deeskalation. Die BRD wie auch die EU müssen sich endlich von der Außen- wie der Wirtschaftspolitik unabhängiger von diesem exceptionalistisch Staat machen - das heißt auch gleiche Rechte für alle Staaten. Ein besonderer Fokus ist darauf zu richten, daß Außenpolitik wieder was mit Diplomatie zu tun hat. Dem Interventionismus, den Regimechangekriegen und Sanktionismus muss endlich einhalt geboten werden. Atomwaffen etc. eines Staates, der in Sachen Stabilität und Demokratie mittlerweile ein unsicherer Kantonist ist haben auf deutschem Boden nichts zu suchen ! Ich fürchte, daß J. Biden vielleicht ein kleines Intermezzo ist zwischen jetzt und einem neuen Trump, denn ich erwarte von ihm weder eine aktive Friedens- noch eine Sozialpolitik, die die Widersprüche wenigsten mindern könnten.

Hoffnungsträger Josef Biden

Wenn man auch froh sein muss, dass ein unberechenbarer und, wie schon offiziell verlautbart, geistesgestörter Trump abgewählt wurde, teile ich dennoch die von Armin Christ wohl begründete Skepsis.