Mitgliederbefragung

Warum Klara Geywitz und Olaf Scholz Parteivorsitzende werden wollen

Jonas Jordan05. September 2019
Die brandenburgische Landtagsabgeordnete Klara Geywitz und Bundesfinanzminister Olaf Scholz bewerben sich gemeinsam um den Parteivorsitz.
Die brandenburgische Landtagsabgeordnete Klara Geywitz und Bundesfinanzminister Olaf Scholz
Wer kandidiert für den Parteivorsitz? Der „vorwärts“ stellt alle nominierten Kandidat*innen in einem Interview vor. Alle bekommen identische Fragen und haben gleich viel Platz für das Interview. Klara Geywitz und Olaf Scholz wollen die SPD wieder zu einer starken linken Volkspartei machen und fordern einen solidarischeren Umgang innerhalb der Partei.

Nach der ersten Runde der Mitgliederbefragung haben es die Duos Klara Geywitz mit Olaf Scholz und Saskia Esken mit Norbert Walter-Borjans ins Finale geschafft. Alle übrigen Kandidierenden sind ausgeschieden.

Warum wollen Sie Parteivorsitzende werden?

Als Team wollen wir die SPD wieder zu einer starken linken Volkspartei machen, die stolz sein kann auf sich selbst. Das ist eine zentrale Voraussetzung, um wieder mehr Vertrauen von den Bürgerinnen und Bürger zu erhalten. Denn die SPD wird gebraucht, um unsere zunehmend gespaltene Gesellschaft zusammenzuführen. Gemeinsam wollen wir daran arbeiten, dass die SPD klar und erkennbar für den sozialen Fortschritt steht und eine politische Mehrheit in Deutschland möglich ist – ohne die Union. Als Team stehen wir für Erneuerung und Erfahrung.

Wie haben Sie sich zu diesem Duo zusammengefunden und wo unterscheiden Sie sich?

Wir kennen uns schon eine ganze Weile. In den vergangenen zwei Jahren hat sich unsere Bekanntschaft durch die gemeinsame Arbeit im Parteivorstand noch einmal verstärkt. Und wir wohnen beide in Potsdam, da sind die Wege kurz.

Olaf Scholz: Zunächst habe ich ja keine eigene Kandidatur in Erwägung gezogen, aber Klara ist mir stets als eine gute Kandidatin für den Parteivorsitz erschienen. Als ich mich dann entschieden habe, nun doch zu kandidieren, erschien sie mir als ideal für ein gemeinsames Team.

Klara Geywitz: Ich glaube, wir sind beide sachliche Politiker und eher pragmatisch – auch wenn die Unterschiede sicherlich überwiegen, ergänzen wir uns gut. Olaf ist ein erfahrener Macher aus dem Norden, ich bin eine junge Frau aus dem Osten, die Dinge gut auf den Punkt bringen kann.

Warum sind Sie zur SPD gekommen?

Klara Geywitz: Ich bin ein Kind der Wende, nach dem Mauerfall waren wir alle sehr politisch und ich war sehr links und in der Hausbesetzerszene in Potsdam engagiert. In meiner Klasse war ein ganz schlimmer JU-Schnösel, und deshalb war für mich als 16-Jährige klar, dass ich zu den Jusos gehe. Denn die SPD kümmert sich um die Leute, denen es weniger gut geht, das war mir immer wichtig.

Olaf Scholz: Ich war Schulsprecher auf meinem Hamburger Gymnasium, das war eine hochpolitische Zeit, wir haben viel über Gerechtigkeit gestritten und ich mochte Politiker wie Willy Brandt und Helmut Schmidt. Die SPD war für mich der nächste logische Schritt – und so bin ich als 17-Jähriger in die Partei eingetreten und bin der SPD immer treu geblieben.

Persönlich

Klara Geywitz

Geboren: 18. Februar 1976 in Potsdam

Landesverband: Brandenburg

In der SPD: seit 1994, seit 2017 Mitglied des Parteivorstands

Beruf: Landtagsabgeordnete

 

Olaf Scholz:

Geboren: 14. Juni 1958 in Osnabrück

Landesverband: Hamburg

In der SPD: seit 1975, seit 2009 stellvertretender Bundesvorsitzender

Beruf: Bundesfinanzminister

Was sind für Sie die drei wichtigsten Themen?

Es geht um ganz konkrete Themen, aber in erster Linie darum, die große Idee der SPD als linker Volkspartei des sozialen Zusammenhalts für die 20er-Jahre dieses Jahrhunderts wieder zu erneuern und dabei eine erkennbare Alternative zu den anderen Parteien zu sein. Da ist Haltung ebenso wichtig wie das Programm. Erstens: Wir sind die Partei, die für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer eintritt. Es geht um gute Löhne, aber auch Respekt und berufliche Perspektiven, gerade im digitalen Wandel. Zweitens: Wir sind die Partei des Sozialstaats und der öffentlichen Daseinsvorsorge. Drittens: Die große Klimafrage kann nur in Verbindung mit den ersten beiden Themen gelöst werden, wollen wir unsere Gesellschaft wieder zusammenführen.

Was wollen Sie als Parteivorsitzende verändern?

So etwas lässt sich immer so leicht behaupten, umzusetzen ist es schwieriger. Wir alle, in Bund und Ländern, müssen uns hinterfragen, was wir besser und anders machen müssen. Dazu gehört für uns bei allen Unterschieden, die wir in einzelnen Fragen zueinander haben möchten, nie zu vergessen, dass wir alle Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten sind. Die Härte, mit der inzwischen manche innerparteiliche Auseinandersetzung geführt wird, schadet uns allen. Wir müssen wieder solidarischer miteinander umgehen gut übereinander sprechen. Der Wettbewerb um den Parteivorsitz ist ein guter Anlass, diesen neuen Stil gemeinsam vorzuleben.

Wo sehen Sie die größte Herausforderung, vor der die SPD steht?

Die SPD muss wieder die Partei sein, in der die relevanten Diskussionen unserer Zeit stattfinden. Also die Debatten, bei denen es um die Zukunft unserer Gesellschaft geht. So gewinnen wir wieder Anziehungskraft. Wenn wir uns vorwiegend mit uns selbst beschäftigen, wird es uns nicht gelingen, Vertrauen zu gewinnen. Die SPD wird dann wieder stark, wenn die Bürgerinnen und Bürger ihr am stärksten zutrauen, die Probleme des Landes zu lösen. Was tun wir gegen den Klimawandel? Wie halten wir die Gesellschaft zusammen? Wie stärken wir Ostdeutschland? Wie fühlen sich alle hier lebenden in Deutschland zu Hause? Wie schaffen wir mehr Gleichheit zwischen Frauen und Männern? Wie sorgen wir dafür, dass trotz des rasanten technischen Fortschritts unsere sozialen Errungenschaften nicht auf der Strecke bleiben, sondern auch im digitalen Zeitalter gelten? Wenn wir Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten unsere Antworten darauf geben, anständig miteinander umgehen und unseren Kurs halten, werden wir zu neuer Stärke finden.

Wie stehen Sie zu einer Regierungsbeteiligung der SPD im Bund?

Die SPD muss aus eigener Kraft stark sein wollen und nicht zuerst in Parteibündnissen oder Regierungskonstellationen denken. Unsere wichtigsten Partner finden wir in der Gesellschaft, nicht unter konkurrierenden Parteien. Es kann sich durchaus sehen lassen, was wir an Vorhaben umgesetzt haben. Vieles übrigens über den Koalitionsvertrag hinaus. Aber es geht ja darum, dass wir in Zukunft wieder eine Regierung ohne die Union bilden wollen. Nur gut regieren allein reicht daher bei weitem nicht. Unser Blick muss über diese Legislaturperiode hinausreichen. Wir brauchen Ideen für die Zeit danach, auch für die nächste Bundestagswahl. Die entwickeln wir in der Partei parallel und diskutieren sie öffentlich. Etwa für eine gerechte Steuerpolitik, anständige Löhne, bezahlbare Mieten, eine ordentliche Rente oder für den Sozialstaat der Zukunft. Es muss wieder klar und einfach verständlich sein, wofür die SPD steht.

Wir haben nach dem Ergebnis der ersten Befragungsrunde mit dem Duo über ihr Ergebnis, die Tour und ihre Pläne für die Zukunft der SPD gesprochen.

Hinweis in eigener Sache:

Liebe Leserinnen und Leser,

der „vorwärts“ hält Sie über das Verfahren für die Wahl des Parteivorsitzes auf dem Laufenden. Das betrifft das Verfahren genauso wie die Vorstellung der Kandidierenden oder später die Berichterstattung über Regionalkonferenzen. Anders als die klassischen Medien berichten wir als Mitgliederzeitung aber erst, wenn die Kandidierenden offiziell vom Wahlvorstand nominiert worden sind und damit auch alle vom Parteivorstand beschlossene Kriterien erfüllt haben. Dabei ist uns die Gleichbehandlung aller Kandidierenden wichtig. Deswegen stellen wir allen identische Fragen, und alle haben gleich viel Platz für das Interview. Über die Länge der Antworten zu den einzelnen Fragen können die Kandidierenden selbst entscheiden. Auf weitere Berichterstattung über einzelne Kandidierende (Einzelne oder Teams) verzichten wir im Sinne der Gleichbehandlung, bis die Bewerbungsphase abgeschlossen ist.

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Kommentare

Olaf Scholz

Olaf Scholz ist exakt 30 Jahre jünger als Ernesto Che Guevara (wenn der 14.6.1928 stimmt). Olaf Scholz will die SPD wieder zu einer starken linken Volkspartei machen. Warum macht er das nicht schon seit 30 Jahren? Wenn ich bisher Olaf Scholz höre, fällt mir sofort das Wort Neoliberalismus ein. Ich denke an Schwarze Nullen und seine unsensible Rolle beim G-20-Gipfel 2017 in Hamburg. Dieser G-20-Gipfel hätte niemals in Hamburg stattfinden dürfen! In jüngster Zeit sendet Olaf Scholz auch hie und da kleine 'soziale Zeichen' aus. Aber dies sind kleine soziale Inseln in einem Meer von Neoliberalismus. Olaf Scholz wird in diesem Leben kein Ernesto Che Guevara (seien wir realistisch, versuchen wir das Unmögliche) mehr - muss er auch nicht! Aber etwas revolutionäres Feuer zur Einleitung einer unverzichtbaren Sozial-Ökologischen, solidarischen Transformation muss man schon von Olaf Scholz fordern. Scholz sollte sich beraten lassen von Hans-Jürgen Urban von der IG-Metall, dann könnte vielleicht, aber nur vielleicht, sogar ein Olaf Scholz die SPD wieder zu einer wahrhaft linken Volkspartei hinführen. Zur Zeit ist das noch Utopie. Aber - wie sagt Oskar Negt: Nur noch Utopien sind realistisch!

Olaf Scholz

Helmut, mal wieder volle Zustimmung.

Nur kann ich mir kaum vorstellen, dass Scholz sich von Hans-Jürgen Urban beraten ließe, da deren Vorstellungen von einer gerechten Gesellschaft, insbesondere einer gerechten Steuerpolitik, völlig konträr zueinander sind. Hans-Jürgen Urban ist - im Gegensatz zu Scholz - ein renommierter Ökonom, der vielfach mit anderen wie Rudolf Hickel, Axel Troost, Heinz J. Bontrup sehr gute Analysen der gegenwärtigen, jedoch leider völlig untauglichen, Wirtschaftspolitik herausgibt und überfällige Forderungen an eine menschenwürdige und gerechte, den Grundsätzen der SPD entsprechende Politik stellt, die jedoch von den Neoliberalen, die sich lieber von der INSM und der Bertelsmann-Stiftung infiltrieren lassen, ignoriert wird.

Erst heute morgen, am 07.09., musste ich den Nachrichten entnehmen, dass Scholz eine Steuerpflicht für Weiterbildungsmaßnahmen plant. Ist das eine sozialdemokratische Politik? Anstatt eine wirksame gerechte Steuerpolitik zu betreiben, sollen nun Weiterbildungsmaßnahmen für das normale Volk und Probleme für die Volkshochschulen, kirchliche Bildungsstätten herhalten, um Haushaltslöcher zu stopfen oder Kriegseinsätze zu finanzieren.

Die SPD wieder als linke

Die SPD wieder als linke Volkspartei aufstellen. Das klingt gut. Mit Olaf Scholz? Sorry, aber dazu fehlt mir einfach die Phantasie ...

Fähnlein im Wind

Ob Schröders Installateur der Hartz-Gesetze, der zwar nach außen manche Wohltaten propagiert, gleichzeitig auf der Schwarzen Null brütet und die wirkliche Reichensteuer, die Finanztransaktionssteuer, mit "Warten auf Europa" bis heute aussitzt, die SPD in eine rosige Zukunft führt, nachdem er gerade seine Glaubwürdigkeit öffentlichkeitswirksam endgültig ruiniert hat, kann - und das ist gut so - jetzt jede/r Genoss/e/in mit eigener Stimme entscheiden. Sein Fähnlein hat er inzwischen in den linkeren SPD-Wind gehängt !

Für alle die´mehr über den Groko-Anhänger und Agenda-Polltiker wissen wollen::

https://de.wikipedia.org/wiki/Olaf_Scholz

Erinnert sei nochmals daran, dass die SPD mit jeder Groko-Neuauflage wesentlich an Wählerstimmen verloren hatte. Momentan hinkt sie mit Vizekanzler Scholz nach Umfragen weit hinter dem zur Katastrophe erklärten "Schulz-Ergebnis" hinterher !

Scholz und Geywitz stellen vor allem Fragen

wo sie als Kandidaten eigentlich Antworten geben müssten. Da will ich gerne mit meinen Fragen bei der Positionierung helfen: Im Handelsblatt vom 5.9.2019 zum Bankengipfel ist Olaf als Finanzminister zitiert mit der Aussage "Wenn man Schulden macht verdient man nie".

Für einen Finanzminister, der bei der Ausgabe von Staatsanleihen aktuell schon Zinsen zurück bekommt, ist die Aussage schon glatt gelogen. Noch absurder wird sie, wenn man sich den exorbitanten Investitionsstau bei Bund, Ländern und Kommunen vor Augen führt, der zu einem sichtbaren Verfall unserer Infrastruktur und Leistungsfähigkeit führt und sich vorstellt, welche sinnvollen Sachen man mit Krediten bezahlen könnte. Wenn man darüber hinaus bedenkt, dass es angesichts Klimakrise und zunehmender sozialer Schieflage eigentlich höchste Zeit für beherztes politische Handeln der SPD ist, dann wird die Aussage von Scholz zu reiner Politikverweigerung. Weil wir überhaupt kein ambitioniertes politisches Programm umsetzen werden, wenn der Finanzminister keine ambitionierten Mittel dafür bereitstellt.

Lieber Olaf, für was sollen wir dich als Vorsitzenden wählen? Für Fragen ohne Antworten? Oder für Politikverweigerung?

Karriere retten ?

Es wäre ja schon ein großer Erfolg wenn endlich die richtigen Fragen gestellt werden würden. Zum Beispiel woher die Mittel beschafft werden um kurzfristig die gewaltigen aufgelaufenen Miss- und Notstände zu beheben die unsere Lebensgrundlagen und, den Zusammenhalt der Gesellschaft in höchsten Masse bedrohen ! Bisher überwiegend Symbolpolitik ohne wirkliche Steuergerechtigkeit, bei weiter anwachsenden Problematik ! Es nutzt uns in der Gegenwart nichts wenn Olaf Scholz einstmals in seiner Zeit in Hamburg den sozialen Wohnungsbau vorangebracht hat, wenn in seinen Groko-Jahren das Gegenteil passiert. Leiharbeit: Nach aktueller Untersuchung ca. 1000 EUR Differenz zu Durchschnittslohn.!!! Olaf Scholz denkt und handelt in seinem Sinne karriereorientiert. Wenn er wirklich die SPD retten wollte, hätte er jetzt personell den Weg frei gemacht für Erneuerung, statt für die Fortsetzung einer zu langen Groko-Ära zu werben die in hohen Masse für all das verantwortlich ist, was wir heute und wohl noch eine ganze Weile zurechte beklagen müssen !!!

Wo sind die Ideen ?

"Als Team wollen wir die SPD wieder zu einer starken linken Volkspartei machen, die stolz sein kann auf sich selbst. Das ist eine zentrale Voraussetzung, um wieder mehr Vertrauen von den Bürgerinnen und Bürger zu erhalten".
Stolz soll also die zentrale Voraussetzung sein um das Vertrauen wieder zurück zu gewinnen ?
Das ist Berufspolitikerarroganz.
Wenn Ideen gebraucht werden:
Wir müssen in Bündnisfragen wieder das Verursacherprinzip anwenden. Wer völkerrechtswidrige Kriege und Erpressungsdrohungen anwendet kann kein Bündnispartner für Sozialdemokraten sein und gehört vor ein Kriegsverbrecher Tribunal.
Da letzte Woche schon wieder ein Dissident mutmasslich von einem Gehemdienstagenten in Berlin ermordet worden ist und seitdem wir spätestens seit 2013 wissen , wer alles als potentielles Erpressungsopfer im Fokus von Geheimdiensten steht, müssen wir international auf eine Eindämmung, Reduzierung und letztlich Ächtung aller Geheimdienstaktivitäten eintreten.
Wie hat schon Brandt gesagt:" Ohne Brot und mit Geheimpolizei keine Demokratie. Ohne Pluralismus und mit Monoplanspruch auch nicht " .
( Erinnerungen Seite 499 ).
Gegen Kriminalität sollte nur Polizei zuständig sein.