Felix Kramer ist Stress gewöhnt. Seit 2013 ist der Neurochirurg Arzt am „Klinikum im Friedrichshain“ in Berlin. Arbeit im Schichtdienst gehört für Kramer zum Alltag. Und da seine Frau Ärztin im selben Krankenhaus ist, sind beide froh, dass sie für ihre Tochter einen Platz in der Kita auf dem Klinikgelände ergattern konnten. Sie wurde 2013 eröffnet, bietet 43 Kindern Platz und hat von 5:45 bis 18 Uhr geöffnet. „Wir nutzen die ganze Bandbreite, bringen unsere Tochter mal früh, mal spät“, sagt Felix Kramer. „Das erleichtert uns die Arbeit im Schichtdienst sehr.“
An Menschen wie Felix Kramer haben Bundesfamilienministerin Manuela Schwesig und Bundesarbeitsministerin Andrea Nahles gedacht, als sie gemeinsam mit Gewerkschaften, Arbeitgebern und der Bundesagentur für Arbeit das Programm „KitaPlus“ entwickelt haben. Mit ihm sollen Kitas und Kindertagespflegestellen gefördert werden, die ihre Betreuungszeiten ausweiten und an den Arbeitsalltag der Eltern anpassen wollen. 100 Millionen Euro stehen dafür bis 2018 zur Verfügung.
561 Bewerbungen für KitaPlus
„Es gibt viele Frauen und Männer, die in Branchen arbeiten, in denen keine üblichen Arbeitszeiten herrschen“, sagt Manuela Schwesig. Gemeinsam mit ihrer Kabinettskollegin Nahles ist sie Dienstag Vormittag in die Kita gekommen, in der Felix Kramer seine Tochter betreuen lässt. Sie ist eine von 561 Einrichtungen bundesweit, die sich um eine Förderung aus dem KitaPlus-Programm beworben haben. „Wir wollen unsere Betreuung bis 20:30 Uhr ausdehnen“, nennt Kita-Leiterin Katrin Junge-Herberg den Grund. So könnten auch Beschäftigte der Spätschicht ihre Kinder in Ruhe abholen.
Junge-Herbergs Kita ist eine von 160 Einrichtungen, für die die Förderung bereits bewilligt wurde. „Die anderen müssen noch etwas an ihrem Konzept nachbessern“, sagt Manuela Schwesig. Bis zum 31. Oktober vergangenen Jahres konnten sich Einrichtungen um Geld aus dem neuen Programm bewerben. Pro Kita stehen bis zu 200.000 zur Verfügung – für Personal, Ausstattung oder Sachkosten. „Die Nachfrage nach dem Programm war riesig“, berichtet Schwesig. Besonders viele Anträge habe es aus Nordrhein-Westfalen, Baden-Württemberg und Bayern gegeben. „Das zeigt, dass Familien manchmal andere Bedürfnisse haben als die Politik denkt“, mit Blick auf das Betreuungsgeld der CSU.
Große Unterstützung für Alleinerziehende
„Der Wandel der Arbeitswelt ändert auch den Bedarf von Familien“, weiß Andrea Nahles. 26 Prozent der Arbeitnehmer würden zwischen 18 und 23 Uhr arbeiten, jeder vierte auch am Wochenende. Arbeitszeiten, die früher als ungewöhnlich galten, seien inzwischen normal geworden. „Die Kinderbetreuung hat sich aber bisher nicht angepasst.“ Vor allem für alleinerziehende Frauen sei das ein Problem: Wer in der Pflege oder im Einzelhandel arbeite, könne sein Kind oft nicht um 16 Uhr aus der Kita abholen.
„Die 100 Millionen Euro von KitaPlus sind gut investiertes Geld“, ist Nahles deshalb sicher. Wisse eine Mutter, dass ihr Kind gut betreut sei, falle es ihr auch leichter, eine Stelle über einen Minijob hinaus anzunehmen. „Mehr und bessere Kinderbetreuung auch abseits der üblichen Stunden schafft Chancen“, ist Nahles überzeugt. Kitas mit längeren Öffnungszeiten könnten so auch helfen, etwas gegen den Fachkräftemangel zu tun.
Katrin Junge-Herberg, die Leiterin der Friedrichshainer Kita, kann das nur unterstützen – schon aus Eigennutz. Ihr fehlt seit Monaten eine Erzieherin, weil sie keinen geeigneten Betreuungsplatz für ihr eigenes Kind findet. „Alle Kitas, in denen etwas frei ist, schließen spätestens um halb fünf.“