Palästina

Kein Staat, ohne Israel vom Frieden überzeugt zu haben

Jérôme Cholet28. September 2011

Der Präsident der palästinensischen Autonomiebehörde Mahmud Abbas hielt eine fulminante Rede vor der UN-Vollversammlung und konnte der Stimme seines Volkes umfassend Gehör verleihen. So trug
er sein Leid vor, beschuldigte die Israelis schwerer Verbrechen und pochte auf das Recht auf einen Staat innerhalb der Waffenstillstandslinien von 1967 mit Ost-Jerusalem als Hauptstadt.

Dabei betonte er den Wunsch der friedlichen Koexistenz und ging sogar so weit, das Recht der Israelis auf Sicherheit und Wohlstand zu erwähnen - für den Palästinenserpräsidenten von der
Fatah ungewohnte Worte. Denn sein Koalitionspartner Hamas, die den Gaza-Streifen kontrolliert, weigert sich noch immer, das Existenzrecht Israels anzuerkennen.

Vor der internationalen Gemeinschaft bekannte sich Abbas jedoch zur Ablehnung von Gewalt und Terrorismus und betonte seinen Willen und seine Bereitschaft zu Verhandlungen. Diese bot ihm auch
der israelische Ministerpräsident Benjamin Netanjahu an, der etwa eine Stunde später vor der UN-Vollversammlung sprach, jedoch wesentlich arroganter und auch aggressiv wirkte.

Gleich zu Beginn seiner Rede kritisierte er, "Israel wird mehr als jedes andere Land der Welt verurteilt." Netanjahu warf Abbas vor, die Verhandlungsangebote der Israelis vielfach ignoriert
zu haben und betonte, die Palästinenser wollten einen Staat ohne Frieden. "Präsident Abbas sagt, wenn wir Land geben, bekommen wir Frieden. Wir haben es probiert, es hat nicht funktioniert. Wir
haben den Palästinensern Land gegeben mit dem Ergebnis, dass die Radikalen nur dichter an uns herangerückt sind," sagte er vor dem Gremium. Wiederholt verlangte Netanjahu, die Palästinenser
sollten erst einmal Israel als jüdischen Staat anerkennen.


Hintergrund

So ist die Palästinenserfrage nach vielen Monaten zwar wieder auf die Agenda der Weltpolitik zurückgekehrt. Die Antwort der Welt lautet allerdings: erst Frieden, dann wird auch ein
palästinensischer Staat anerkannt. Und Frieden gibt es nur mit den Israelis. Im UN-Sicherheitsrat haben die USA ihr Veto angekündigt, die Europäische Union ist gespalten, eine Mehrheit für einen
Staat Palästina äußerst knapp.

Die Israelis fürchten durch die Anerkennung eines palästinensischen Staates vor die UN- Gremien gezogen und am Ende beispielsweise wegen ihrer Siedlungspolitik im Westjordanland vor dem
Internationalen Gerichtshof in Den Haag angeklagt zu werden. "Es würde eine weitere Bühne geschaffen, um Israel vorzuführen," sagt Hans-Ulrich Klose, SPD-Außenpolitiker.

Ministerpräsident Netanjahu bekannte, die Siedlungspolitik sei nicht die Ursache des Konfliktes, sondern nur ihr Symptom. Hans-Ulrich Klose sieht das anders: "Bei der Siedlungspolitik wissen
alle, dass sie ein wesentliches Hindernis ist. Die Art und Weise wie die Besiedlung des Westjordanlandes läuft macht fast unmöglich, dass dort ein unabhängiger Staat entsteht."

"Der Alptraum der Israelis ist, dass Raketen aus dem Westjordanland auf Tel Aviv abgeschossen werden und dort kein normales Leben mehr möglich wäre," sagt Yossi Klein Halevi, politischer
Kommentator in Jerusalem, "würde sich das Land dann verteidigen, gelte es als Kriegsverbrecher." Er fordert die Palästinenser auf, bevor sie einen eigenen Staat beantragten, die Israelis zu
überzeugen, dass von diesem Staat keine Bedrohung ausginge. Der israelische Rückzug aus dem Gaza-Streifen hatte im Jahr 2005 nicht zu mehr Frieden sondern vor allem zu mehr Raketen auf Israel
geführt, so der Kommentator.

UN-Generalsekretär Ban Ki-Moon nahm den Aufnahmeantrag der Palästinenser am Freitag entgegen und leitete ihn an das höchste Gremium der Welt, den UN-Sicherheitsrat weiter. Dort wird nun
verhandelt und verschoben. Den Palästinensern bleibt nun, sich entweder mit den Israelis zu Verhandlungen zusammenzusetzen und alle Vorbehalte aus der Welt zu räumen oder aber die Anerkennung als
Palästinenserstaat mit Beobachterstatus in der UN-Generalversammlung zu versuchen. Dort stehen die Chancen besser. Allerdings wäre auch das noch immer keine vollständige Aufwertung, Palästina
hätte dann den Status wie der Vatikan. "Auch wenn die UNO einen Entschluss im Sinne von Abbas fasst, ändert sich in Palästina nichts. So lange die Streitfragen nicht beseitigt sind, wird es
keinen Frieden geben," sagt Hans-Ulrich Klose.

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