Fernseh-Kritik

Katarina Barley: Souverän in jeder Situation

Laura Tirier22. Mai 2019
Zweimal innerhalb weniger Tage ist SPD-Spitzenkandidatin Katarina Barley im Fernsehen aufgetreten. Laura Tirier hat sich sowohl „Anne Will“ in der ARD als auch den „Bürgerdialog“ im ZDF angesehen – und eine in jeder Situation souveräne Politikerin erlebt.

Am Sonntagabend um Viertel vor 10 setzte ich mich mit gemischten Gefühlen vor den Fernseher, standen die letzten Tage doch vollkommen unter dem Stern des Ibiza-Skandals des österreichischen Vizekanzlers H.C. Strache. Folgerichtig wurde auch hinter den Kulissen von „Anne Will“ entschieden, das Thema der Sendung kurzfristig zu ändern. Aus einer Debatte der deutschen EU-Kandidaten wurde kurzerhand eine Diskussion über das Strache-Video und seine Bedeutung für die gesamte europäische Rechte. Anstatt also über europäische Wahlprogramme zu reden, folgte eine Auseinandersetzung mit einem politischen Erdbeben, dessen Auswirkungen noch gar nicht abzuschätzen waren. Ich selbst hatte die Ereignisse in den vergangenen Tagen beinahe wie einen Fußball Live-Ticker verfolgt – nicht ohne ein bisschen politisch unkorrekte Schadenfreude.

In der ARD Justizministerin, im ZDF Spitzenkandidatin

In dieser Talkrunde erlebte ich eine Katarina Barley, die anders war als die, die ich in den Wochen zuvor bei Wahlkampfauftritten gesehen hatte. Sich der Tragweite der Situation und ihrer Rolle als Ministerin bewusst, trat sie viel mehr als Bundesjustizministerin auf. Sie blieb in der Runde durchweg ruhig und souverän und tappte nicht in die Falle, sich persönlich oder subjektiv zu juristischen Fragen im Fall Strache zu äußern. Im „Bürgerdialog“ des ZDF zwei Tage später erlebte ich dann eine ebenso souveräne und dabei erfrischend uneitle europäische Spitzenkandidatin, die klar ihre Positionen vertrat. Auf jede Frage antwortete sie informiert und auf den Punkt. Anders als manch anderer Teilnehmer der Runde verlor sie sich nicht in Monologen oder wich aufs Phrasendreschen aus.

Hinzu kam ihre Fähigkeit, Fehler einzugestehen, anstatt Mängel von sich zu weisen oder auf Vorgänger zu schieben. Barley zeigte sich als überzeugte Europäerin, die sich nicht scheut, Probleme innerhalb der EU zu diskutieren. Anders als bei Anne Will, deren Sendungsausbau kaum Platz für das Artikulieren von Wahlinhalten ließ, konnte Barley sich im Dialog programmatisch sichtbar von den anderen Parteien abgrenzen und die SPD als eigene Option präsentieren.

Barley blieb auch bei Respektlosigkeiten ruhig

Katarina Barley blieb sachlich und faktenbasiert, wurde weder laut, noch persönlich. Nur an ihrem Gesichtsausdruck konnte man manchmal Ungläubigkeit oder Frustration ablesen – und es ihr nicht verdenken. Mehr als einmal konnte ich nicht anders als ihre Ruhe zu bewundern, musste ich mich doch selbst beherrschen, nicht durch den Bildschirm und Jörg Meuthen mit ausgefahrenen Krallen ins Gesicht zu springen.

Dieser schien sich über die Dauer beider Sendungen hinweg nicht entscheiden zu können, welche Rolle er eigentlich spielen wollte. Das gemäßigte Sprachrohr der kleinen Leute? Den euphorischen Wahlkämpfer? Oder doch lieber den giftversprühenden Oberlehrer? Meuthens bisweilen provokant süffisante Art – gepaart mit der typischen hochgezogenen Augenbraue als sei alles, was das Gegenüber äußert, hanebüchener Unsinn – grenzte an einigen Stellen immer wieder an Respektlosigkeit. Zwar verlangte er ausreden zu dürfen, scherte sich aber nicht darum, dass er selbst den anderen Gästen der Runden mehrere Male penetrant ins Wort fiel.

Den Fokus auf die eigenen Stärken legen

Ihre – meiner Meinung nach – wichtigste Aussage tätigte Katarina Barley auch genau in diesem Zusammenhang: „Wenn wir hier jetzt rausgehen und den Eindruck bei den Leuten hinterlassen, es geht wir gegen die AfD, und als sei nur die AfD irgendwie anders, dann spielen wir ihr Märchen mit. Wir, als deutsche Parteien, sind alle in unseren Positionen unterschiedlich und darauf müssen wir den Fokus legen.“

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