Flüchtlingspolitik

Im Kampf gegen Schleuser stößt das Militär an seine Grenzen

Thomas Wiegold11. Juni 2015
Die EU will auch militärisch gegen Schleuser und Schlepper von Flüchtlingen vorgehen. Der Kampf gegen die brutal vorgehenden Kriminellen ist nötig – aber sollte besser von Experten gegen organisierte Kriminalität geführt werden, nicht vom Militär.

Als vor gut drei Jahren die Europäische Union die Möglichkeiten ihrer Antipiraterie-Mission Atalanta vor Somalia ausweitete und das Eingreifen auch an Land erlaubte, gab es in Deutschland heftige Kritik. Vor allem die Sozialdemokraten, damals in der Opposition, wandten sich energisch gegen die Befugnis der Soldaten (auch aus Deutschland), die Ausrüstung von Piraten am Strand zu zerstören. Ein einziges Mal, im Mai 2012, machte das Atalanta-Kommando von den neuen Regeln Gebrauch, gegen „die Piratenlogistik“ vorzugehen, und vernichtete Boote und Treibstofflager an der somalischen Küste.

Was im Kampf gegen die Piraterie nicht mehr blieb als ein Signal, soll jetzt als Vorlage für eine weitaus kompliziertere Aktion dienen: Ein militärisches Vorgehen gegen die Logistik und Infrastruktur der Schleuser und Schlepper, die Migranten von Nordafrika hinaus aufs Mittelmeer schicken, auf den Weg nach Europa. Im Mai beschlossen die Außen- und Verteidigungsminister der EU grundsätzlich den Plan, gegen diese Schleuser auch militärische Mitteln einzusetzen: Auf eine Phase der (militärischen) Aufklärung soll eine Operation folgen, mit der die Boote erkannt und vernichtet, die Netzwerke der Menschenschmuggler zerschlagen werden.

Kampf gegen Schlauchboote?

Nun ist es, technisch gesehen, für Kriegsschiffe ein leichtes, die Nussschalen zu zerstören, mit denen die Schlepper vor allem von Libyen aus die Migranten hinaus aufs Meer schicken. Die Deutsche Marine praktiziert das schon regelmäßig, nachdem die Menschen von den meist überladenen Booten gerettet wurden: Als mögliches Schifffahrtshindernis werden die Gefährte versenkt. Anspruch auf die Boote erhebt ohnehin niemand. Ohnehin wirken vor allem die in libyschen Hinterhöfen zusammengeklebten Schlauchboote meist so, als seien sie nur für den einmaligen Gebrauch gedacht: Gerade eben schwimmfähig genug, um die verzweifelten Menschen aus den Hoheitsgewässern hinauszubringen. Dort, so scheint es das zynische Kalkül, könnten sie dann von den europäischen Schiffen auf Rettungsmission schon gefunden werden.

Doch der EU-Plan kann nur darauf abzielen, diese Boote gar nicht erst ablegen zu lassen. Und da stößt Militär an seine Grenzen. Selbst dann, wenn – wie die EU es plant – die Aktionen gegen Schleuser „in Partnerschaft mit libyschen Behörden“ durchgezogen werden sollen.

Wo sollen die Soldaten ansetzen?

Denn ganz abgesehen davon, dass es in Libyen faktisch keine handlungsfähigen Behörden gibt: Wo sollten die Ziele militärischer Gewalt sein, wo sollten Soldaten ansetzen, die Arbeit der Menschenschmuggler zu unterbinden?

Im von der EU als Beispiel angeführten Vorgehen in Somalia galten – und gelten – klare Regeln für Angriffe auf die Piratenlogistik. Menschen dürfen dabei nicht zu Schaden kommen, und es muss recht eindeutig sein, dass das Material am Strand, maximal 2.000 Meter hinter der Wasserlinie, auch für Piraterie vorgesehen ist und nicht etwa die Ausrüstung einfacher Fischer: Enterleitern an Bord eines Bootes gelten ebenso als klare Indizien wie große Treibstoffvorräte, die Fischer bei ihrer Arbeit nicht brauchen.

Schifferboote vorsorglich versenken?

Schon das ist kompliziert genug, aber selbst diese Indizien dürften im Bürgerkriegsland Libyen nicht so einfach zu bestimmen sein. Schlepperorganisationen haben keinen Hafen, in dem die Boote auf ihre zahlende Kundschaft warten. Kein Hauptquartier mit Sammelplatz für die überladenen Lastwagen, mit denen die Migranten durch die libysche Wüste gekarrt werden. Und ob ein heruntergekommenes Boot in einem der vielen kleinen Häfen noch einem Fischer gehört oder als Schlepperfahrzeug vorbereitet wird, können Soldaten kaum erkennen. Sollen sie es dennoch mit Maschinengewehren oder Geschützen vorsorglich versenken?

Der Kampf gegen die brutal vorgehenden Schleuserorganisationen ist nötig – aber das ist eine Aufgabe, die Experten für organisierte Kriminalität zufällt, nicht dem Militär. Es wäre denn, die EU würde sich eine bewaffnete Intervention in Libyen zutrauen, die das Krisenland mit seinen zwei Regierungen und zahllosen schwer bewaffneten Milizen insgesamt befrieden und stabile Strukturen schaffen soll. Das allerdings steht nicht auf der Tagesordnung.

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Die deutsche und europäische Flüchtlingspolitik ist gescheitert.
Niemand und keine Maßnahmen wird Menschen davon abhalten, aus Elend, Krieg, Todesangst, Perspektivlosigkeit, Hunger und persönlicher Verfolgung zu fliehen. Diese Menschen begeben sich in Todesgefahr, um ein Leben jenseits dieser genannten Dinge zu führen. Ziemlich alle wollen eine Chance, keine Geschenke. Sie wollen so selbstverständliche Dinge wie Frieden, Schule, Möglichkeiten ihren Unterhalt selbst zu verdienen, persönliche Sicherheit und dass ihre Kinder ohne Traumata aufwachsen. Das ist der Reichtum, den sie von uns erhoffen. Und diesen Reichtum können wir mit ihnen teilen, ohne dass wir weniger haben.

Wenn die europäischen Staaten die Gelder, die sie im Augenblick in die vergebliche Abwehr der Flüchtlinge investieren, in sichere Fluchtmöglichkeiten, Sprachunterricht, Berufs- und Schulbildung investieren, kann diese Gesellschaft in wirtschaftlicher, aber gerade auch in moralischer Hinsicht profitieren.

Im Augenblick ist die europäische Gesellschft dabei, die menschliche Ebene zu verlassen. Der Starke überlebt, der Schwache krepiert. Das kennen wir aus dem Tierreich und nennt sich Selektion. Ich habe die z