
Es ist der erste Juso-Bundeskongress seit 2019, der wieder komplett in Präsenz stattfindet. Wie groß ist die Vorfreude?
Natürlich riesig. Das merke ich auch bei den Delegierten, mit denen ich gesprochen habe. Sie sind richtig heiß darauf, mal wieder einen Bundeskongress in Präsenz zu erleben und Debatten wieder richtig auf der Bühne austragen zu können. Das haben viele vermisst, ich auch.
Sie sind seit 2019 stellvertretende Juso-Bundesvorsitzende. Seitdem ist viel in und mit der SPD passiert. Wie haben Sie diese Zeit erlebt?
Wir kamen aus der Rolle derjenigen, die eine innerparteiliche Opposition gebildet haben, hin dazu, selbst Verantwortung übernommen zu haben. Insbesondere 2019, als wir bei der Wahl zum SPD-Parteivorsitz mit Saskia und Norbert erfolgreich ein eigenes Kandidierenden-Paar unterstützt haben. Diese Rolle wurde seitdem weiterentwickelt. Wir als Verband haben uns in vielen Bereichen gefestigt und inhaltliche Positionen auf den Prüfstand gestellt. Das sieht man aktuell beim Thema der Zeitenwende. Außerdem sind jetzt Jusos auch in Parlamenten. Dadurch ist die Verantwortung größer geworden, Dinge selbst umsetzen zu können. Diese Chance muss auch genutzt werden. Wir haben aber weiter den Anspruch, der Partei inhaltlich einen Schritt voraus zu sein.
Mit 50 Abgeordneten stellen die Jusos seit dem vergangenen Jahr knapp ein Viertel der SPD-Bundestagsfraktion. Wie macht sich dieses Gewicht bemerkbar?
Diese Gruppe ist durchaus vielfältig. Auf jeden Fall haben wir jetzt sehr viele junge Menschen in Verantwortung. Der Grad, wie sehr sie sich zu den Jusos bekennen, ist unterschiedlich, aber ich glaube, dass es einen Unterschied macht, wenn die Jusos sich zu Dingen positionieren. Die Forderung, den Paragrafen 219a abzuschaffen, haben die Jusos schon vor vier Jahren auf ihrem Bundeskongress beschlossen, lange bevor die Partei darauf gekommen ist, und jetzt haben es auch die Juso-Abgeordneten geschafft, die Streichung im Bundestag durchzusetzen.
Ist die Strategie der Jusos, mehr Verantwortung zu übernehmen und sichtbarer in der Partei zu sein, aufgegangen?
Die Jusos haben schon immer Verantwortung übernommen, denn das kann man an vielen Stellen tun. Aber ja, ich würde sagen, dass wir das nun auch häufiger in Positionen tun. Man sieht es in der Bundestagsfraktion, aber auch in Landesparlamenten und vor Ort in Stadträten. Mit dieser Strategie muss aber immer auch ein inhaltlicher Anspruch verknüpft sein. Denn es war nie ein Selbstzweck, junge Leute in Positionen zu bringen. Es ist jetzt unsere Aufgabe, zu zeigen, dass es inhaltlich einen großen Unterschied macht.
Was sind die wichtigsten Themen beim Juso-Bundeskongress am Wochenende in Oberhausen?
Der ganze Bereich Zeitenwende ist ganz oben auf der Agenda. Da mussten wir uns als Jusos ehrlich miteinander machen und mit dem Angriffskrieg in der Ukraine Beschlusslagen zum Thema Waffenlieferungen auf den Prüfstand stellen. Wir wollen aber auch die Handels- und Entwicklungspolitik in den Vordergrund rücken. Die Handelspolitik sollte der Strategie folgen, die wir sicherheitspolitisch ausrufen. Es kann nicht sein, dass wir sicherheitspolitische Interessen vertreten und den ganzen Weg mit unserer Handelspolitik konterkarieren, indem wir weiter Abhängigkeiten zementieren. Diesen Fehler haben wir zu lange bei Russland gemacht und dürfen wir in Zukunft nicht wiederholen.
Und mit Blick auf innenpolitische Themen?
Wir sehen, dass dringende Entlastungen auf den Weg gebracht werden. Wir fordern aber weitere, insbesondere für junge Menschen. Die Menschen sollen merken, dass es einen Unterschied macht, wenn die SPD regiert. Die Erhöhung des Mindestlohnes war beispielsweise ein wichtiger Schritt, wird aber direkt von der Inflation wieder aufgefressen. Gerade in dieser Krisensituation ist es Aufgabe der Partei und der Fraktion, sicherzustellen, dass die jungen Leute dabei nicht hinten runterfallen. Deswegen fordern wir zielgerichtete Entlastungen zum Beispiel für Studierende und Azubis.
Ist in diesem Sinne auch das Motto des Kongresses „Solidarisch. Komme was wolle.“ zu verstehen?
Genau. Wir müssen sicherstellen, dass wir in einer solidarischen Gesellschaft leben, in der niemand unter die Räder kommt, komme was wolle. Mit einer internationalen Perspektive bezieht sich das auch auf die Ukraine, mit der wir solidarisch sind, ebenso wie auf progressive Kräfte im Iran, die jetzt auf die Straße gehen.
Ist der internationalistische Gedanke der Jusos aktuell wichtiger denn je?
Ja. Wir wollen langfristig in einer Welt ohne Krieg und ohne Waffen leben. Das ist gerade sehr weit von der Realität entfernt. Deswegen müssen wir mehr über den Weg dahin als über das Ziel sprechen. Das bedeutet, dass wir uns natürlich solidarisch erklären mit der Ukraine und sie unterstützen müssen mit allem, was uns möglich ist. Der internationalistische Gedanke bedeutet auch, Faschisten und Regime, die die Menschenrechte mit Füßen treten, wie es Russland und China tun, weltweit den Kampf anzusagen.
Wir Jusos sehen internationale Konflikte auch immer im Kontext der Verteilungsgerechtigkeit. Das bedeutet, dass wir uns aus einer entwicklungspolitischen, aber auch handelspolitischen Perspektive immer fragen müssen, inwiefern wir als europäische Staaten selbst zur Ausbeutung in destabilisierten Regionen beitragen. Ich glaube, man kann Sicherheitspolitik nie losgelöst davon diskutieren.
Am Freitag wird die Juso-Bundesvorsitzende Jessica Rosenthal 30. Wie wollen Sie ihren Geburtstag feiern?
Ich kann und darf noch nicht verraten, was genau geplant ist, aber ich bin sicher, dass wir das zusammen sehr groß feiern. Wir haben auf jeden Fall eine Überraschung für sie.
Manon Luther ist seit 2019 stellvertretende Bundesvorsitzende der Jusos. Zuvor war sie Vorsitzende der Jusos im Bezirk Braunschweig und sechs Jahre im Bezirksvorstand. Darüber hinaus ist sie vor Ort kommunalpolitisch aktiv und Mitglied der AWO. Die 26-Jährige kommt aus Braunschweig und studiert Rechtswissenschaften. Zum Bundeskongress: Von Freitag bis Sonntag treffen sich die Delegierten der einzelnen Bezirks- und Landesverbände der Jusos in der SPD für ihren Bundeskongress in Oberhausen. Es ist der erste Bundeskongress seit 2019 in Schwerin, der wieder komplett in Präsenz ausgetragen wird. Zu Gast sein werden unter anderem die beiden SPD-Vorsitzenden Saskia Esken und Lars Klingbeil sowie der Generalsekretär und frühere Juso-Vorsitzende Kevin Kühnert.Zur Person