Interview mit der stellvertretenden Vorsitzenden Manon Luther

Jusos: „wollen weiter der Partei inhaltlich einen Schritt voraus sein“

Jonas Jordan28. Oktober 2022
Manon Luther ist stellvertretende Juso-Bundesvorsitzende.
Manon Luther ist stellvertretende Juso-Bundesvorsitzende.
Warum Solidarität auch in Krisenzeiten wichtig ist und wie die Jusos ihre Beschlüsse durch den Krieg in der Ukraine auf den Prüfstand gestellt haben, verrät die stellvertretende Vorsitzende Manon Luther im Interview.

Es ist der erste Juso-Bundeskongress seit 2019, der wieder komplett in Präsenz stattfindet. Wie groß ist die Vorfreude?

Natürlich riesig. Das merke ich auch bei den Delegierten, mit denen ich gesprochen habe. Sie sind richtig heiß darauf, mal wieder einen Bundeskongress in Präsenz zu erleben und Debatten wieder richtig auf der Bühne austragen zu können. Das haben viele vermisst, ich auch.

Sie sind seit 2019 stellvertretende Juso-Bundesvorsitzende. Seitdem ist viel in und mit der SPD passiert. Wie haben Sie diese Zeit erlebt?

Wir kamen aus der Rolle derjenigen, die eine innerparteiliche Opposition gebildet haben, hin dazu, selbst Verantwortung übernommen zu haben. Insbesondere 2019, als wir bei der Wahl zum SPD-Parteivorsitz mit Saskia und Norbert erfolgreich ein eigenes Kandidierenden-Paar unterstützt haben. Diese Rolle wurde seitdem weiterentwickelt. Wir als Verband haben uns in vielen Bereichen gefestigt und inhaltliche Positionen auf den Prüfstand gestellt. Das sieht man aktuell beim Thema der Zeitenwende. Außerdem sind jetzt Jusos auch in Parlamenten. Dadurch ist die Verantwortung größer geworden, Dinge selbst umsetzen zu können. Diese Chance muss auch genutzt werden. Wir haben aber weiter den Anspruch, der Partei inhaltlich einen Schritt voraus zu sein.

Mit 50 Abgeordneten stellen die Jusos seit dem vergangenen Jahr knapp ein Viertel der SPD-Bundestagsfraktion. Wie macht sich dieses Gewicht bemerkbar?

Diese Gruppe ist durchaus vielfältig. Auf jeden Fall haben wir jetzt sehr viele junge Menschen in Verantwortung. Der Grad, wie sehr sie sich zu den Jusos bekennen, ist unterschiedlich, aber ich glaube, dass es einen Unterschied macht, wenn die Jusos sich zu Dingen positionieren. Die Forderung, den Paragrafen 219a abzuschaffen, haben die Jusos schon vor vier Jahren auf ihrem Bundeskongress beschlossen, lange bevor die Partei darauf gekommen ist, und jetzt haben es auch die Juso-Abgeordneten geschafft, die Streichung im Bundestag durchzusetzen.

Ist die Strategie der Jusos, mehr Verantwortung zu übernehmen und sichtbarer in der Partei zu sein, aufgegangen?

Die Jusos haben schon immer Verantwortung übernommen, denn das kann man an vielen Stellen tun. Aber ja, ich würde sagen, dass wir das nun auch häufiger in Positionen tun. Man sieht es in der Bundestagsfraktion, aber auch in Landesparlamenten und vor Ort in Stadträten. Mit dieser Strategie muss aber immer auch ein inhaltlicher Anspruch verknüpft sein. Denn es war nie ein Selbstzweck, junge Leute in Positionen zu bringen. Es ist jetzt unsere Aufgabe, zu zeigen, dass es inhaltlich einen großen Unterschied macht.

Was sind die wichtigsten Themen beim Juso-Bundeskongress am Wochenende in Oberhausen?

Der ganze Bereich Zeitenwende ist ganz oben auf der Agenda. Da mussten wir uns als Jusos ehrlich miteinander machen und mit dem Angriffskrieg in der Ukraine Beschlusslagen zum Thema Waffenlieferungen auf den Prüfstand stellen. Wir wollen aber auch die Handels- und Entwicklungspolitik in den Vordergrund rücken. Die Handelspolitik sollte der Strategie folgen, die wir sicherheitspolitisch ausrufen. Es kann nicht sein, dass wir sicherheitspolitische Interessen vertreten und den ganzen Weg mit unserer Handelspolitik konterkarieren, indem wir weiter Abhängigkeiten zementieren. Diesen Fehler haben wir zu lange bei Russland gemacht und dürfen wir in Zukunft nicht wiederholen.

Und mit Blick auf innenpolitische Themen?

Wir sehen, dass dringende Entlastungen auf den Weg gebracht werden. Wir fordern aber weitere, insbesondere für junge Menschen. Die Menschen sollen merken, dass es einen Unterschied macht, wenn die SPD regiert. Die Erhöhung des Mindestlohnes war beispielsweise ein wichtiger Schritt, wird aber direkt von der Inflation wieder aufgefressen. Gerade in dieser Krisensituation ist es Aufgabe der Partei und der Fraktion, sicherzustellen, dass die jungen Leute dabei nicht hinten runterfallen. Deswegen fordern wir zielgerichtete Entlastungen zum Beispiel für Studierende und Azubis.

Ist in diesem Sinne auch das Motto des Kongresses „Solidarisch. Komme was wolle.“ zu verstehen?

Genau. Wir müssen sicherstellen, dass wir in einer solidarischen Gesellschaft leben, in der niemand unter die Räder kommt, komme was wolle. Mit einer internationalen Perspektive bezieht sich das auch auf die Ukraine, mit der wir solidarisch sind, ebenso wie auf progressive Kräfte im Iran, die jetzt auf die Straße gehen.

Ist der internationalistische Gedanke der Jusos aktuell wichtiger denn je?

Ja. Wir wollen langfristig in einer Welt ohne Krieg und ohne Waffen leben. Das ist gerade sehr weit von der Realität entfernt. Deswegen müssen wir mehr über den Weg dahin als über das Ziel sprechen. Das bedeutet, dass wir uns natürlich solidarisch erklären mit der Ukraine und sie unterstützen müssen mit allem, was uns möglich ist. Der internationalistische Gedanke bedeutet auch, Faschisten und Regime, die die Menschenrechte mit Füßen treten, wie es Russland und China tun, weltweit den Kampf anzusagen.

Wir Jusos sehen internationale Konflikte auch immer im Kontext der Verteilungsgerechtigkeit. Das bedeutet, dass wir uns aus einer entwicklungspolitischen, aber auch handelspolitischen Perspektive immer fragen müssen, inwiefern wir als europäische Staaten selbst zur Ausbeutung in destabilisierten Regionen beitragen. Ich glaube, man kann Sicherheitspolitik nie losgelöst davon diskutieren.

Am Freitag wird die Juso-Bundesvorsitzende Jessica Rosenthal 30. Wie wollen Sie ihren Geburtstag feiern?

Ich kann und darf noch nicht verraten, was genau geplant ist, aber ich bin sicher, dass wir das zusammen sehr groß feiern. Wir haben auf jeden Fall eine Überraschung für sie.

Zur Person

Manon Luther ist seit 2019 stellvertretende Bundesvorsitzende der Jusos. Zuvor war sie Vorsitzende der Jusos im Bezirk Braunschweig und sechs Jahre im Bezirksvorstand. Darüber hinaus ist sie vor Ort kommunalpolitisch aktiv und Mitglied der AWO. Die 26-Jährige kommt aus Braunschweig und studiert Rechtswissenschaften.

Zum Bundeskongress:

Von Freitag bis Sonntag treffen sich die Delegierten der einzelnen Bezirks- und Landesverbände der Jusos in der SPD für ihren Bundeskongress in Oberhausen. Es ist der erste Bundeskongress seit 2019 in Schwerin, der wieder komplett in Präsenz ausgetragen wird. Zu Gast sein werden unter anderem die beiden SPD-Vorsitzenden Saskia Esken und Lars Klingbeil sowie der Generalsekretär und frühere Juso-Vorsitzende Kevin Kühnert.

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Kommentare

JuSos

FRüher, als ich JuSo war, ging es auch schon um Frauenrechte, Schwulenrechte ......... aber es ging auch um Völkerverständigung, Frieden, Abrüstung, sozialen Ausgleich, Bildungschancen, Demokratie und Mitbestimmung in Staat, Gesellschaft und am Arbeitsplatz.
Es wurden auch große Reden gehalten und manche*r machte dann nach der JuSo-Zeit und mehreren ideologischen Handstandüberschlägen seine Karriere. Das hieß dann: von links unten nach rechts oben. Heute hofft man daß bei den JuSos irgendwas von "links unten" zu finden wäre.

zu Armin Christ

Armin Christs Einlassung könnte wie leichte Ironie gelesen werden. Ist es aber nicht.
Der letzte Satz von Christs Einlassung beschreibt die Situation zutreffend. Und Christ beschreibt
nicht nur die Situation bei den JuSos.

JuSos

Ja, leider ist es um die Jusos bedenklich still geworden. Auch ich erinnere mich gerne an meine Juso-Zeit, bei der die Bundeskongresse z.B. während des Vorsitzes von Heidi Wiezcorek-Zeul noch tagelang in den Medien zu vernehmen waren. Von der aktuellen Vorsitzenden hört man kaum etwas, insbesondere seit sie im Bundestag sitzt.

Allerdings liegt dies auch vielfach an den Medien, die häufig mehr von der JU und sogar der AfD berichten als von den anderen Organisationen. Schade.

...der Partei inhaltlich einen Schritt voraus ...

"Der internationalistische Gedanke bedeutet auch, Faschisten und Regime, die die Menschenrechte mit Füßen treten, wie es Russland und China tun, weltweit den Kampf ansagen." G u t !

Ich vermisse in der Aufzählung z.B. USA, Brasilien, Indien, Ukraine, Katar, Saudi-Arabien.

ja, das ist gut, wenn einer vorausgeht , und die

anderen folgen dann. Kann man auch singen, darf man aber nicht überall

.......vermisse in der Aufzählung.....

Also ich vermisse vor der Aufzählung zuerst mal eine Definition von Faschismus.
Ist die EU ein Regime, das die Menschenrechte mit Füßen tritt weil sie in Tateinheit mit libyschen "Grenzschützern" Menschen im Mittelmeer ersaufen läßt, oder das polnische Grenzregime gegenüber Nichtweißen ....... .
Es sollten die Maßstäbe alle gleich sein, und auch hier gibt es Defizite in Sachen Menschenrechte.

Aufzählungen

Die Defintion von Faschismus muss ich hier nicht wiedergeben. Auch die Menschenrechte sind vielfach von der UN, der EU und anderen Institutionen definiert worden, wobei sie leider weder von vielen Mitgliedern und auch in der EU völlig missachtet werden.

Jedoch scheinen irgendwelche Maßnahmen gerade in der EU gegenüber den Menschenrechtsverweigerern nur halbherzig angewendet zu werden, wenn ich die Zeitgeschichte der letzten 10 Jahre betrachte; es sind zumeist immer nur Androhungen, aber keine ernsthaften Vorgehensweisen.

Die Kriterien für eine Aufnahme in die EU müssten ebenso für den Verbleib Anwendung finden, so dass die Länder, die sie ignorieren, ohne größeren Aufwand wieder ausgeschlossen werden könnten. Jedoch dürfte eine diesbezügliche Änderung der Charta der EU kaum durchsetzbar sein.

„Faschisten ... weltweit den Kampf ansagen“.

Seit längerem wundere ich mich über Beiträge junger SPD-Abgeordneter (beiderlei Geschlechts), vermutlich noch den Jusos zugehörig, die mit einer Selbstverständlichkeit im Bundestag über deutsche Kriegsschiffe im Chinesischen Meer parlieren oder mit einer fast schon religiösen Gewissheit über den Ukrainekrieg. Jetzt verstehe ich es: „Eine Welt ohne Krieg und ohne Waffen“, ich übersetze das mal als friedliche Welt, „ist gerade sehr weit von der Realität entfernt“, ja, eigentlich erst am Ende der Geschichte zu erwarten. Mindestens aber muss zuvor „weltweit der Kampf (gegen) ... Russland und China“ ausgetragen werden. Meine Hoffnung, dass uns das erspart bleibe, tendiert nach diesem Beitrag gegen Null.

Ich frage mich (mit Habermas), ob Manon Luther wirklich weiß, worüber sie redet, wenn sie von Krieg und Realität spricht.

Ich kann ihr auch einen Seitenhieb nicht ersparen: Es ist wohlfeil, in diesem arbeitsteiligen Krieg für Geld, Waffen und Applaus von der Seitenlinie zu sorgen, die nötige manpower - muss ich deutlicher werden? - aber der „heldenhaften“ Ukraine zu überlassen.