Pressefreiheit

Warum Journalisten zur Zielscheibe von Pegida werden

Kai Doering23. Dezember 2015
Pegida
Insbesondere bei Aufmärschen der ausländerfeindlichen Pegida-Bewegung werden Journalisten immer wieder zum Ziel von Angriffen.
Erst wurden sie als „Lügenpresse“ beschimpft. Dann folgten körperliche Angriffe auf Journalisten. Der Vorsitzende des Deutschen Journalistenverbands (DJV), Frank Überall, beobachtet die Entwicklung mit Sorge und warnt: „Wer alle staatlichen Gewalten inklusive der Presse ablehnt, ist für die Demokratie nicht mehr zu erreichen.“

Wie gefährlich leben Journalisten in Deutschland?

Frank Überall
Frank Überall ist Vorsitzender des Deutschen Journalistenverbands (DJV) und sieht die jüngste Gewalt gegen Journalisten mit Sorge.

Insgesamt leben Journalisten hierzulande nicht gefährlich – gerade wenn man die Situation mit anderen Ländern vergleicht. In bestimmten Situation beobachte ich allerdings in den letzten Monaten eine zunehmende Neigung zu Gewalt gegen Journalisten – nämlich immer dann, wenn es um die Berichterstattung über Demonstrationen von Pegida und ähnlicher Gruppen geht. Ich berichte seit 20 Jahren über rechte Aufmärsche, aber eine derart angespannte und gewaltbereite Atmosphäre wie bei Pegida habe ich bisher noch nirgends erlebt. Und leider ist die Polizei oft nicht in der Lage, Journalisten bei der Ausübung ihres Berufs zu schützen.

In Dresden und Berlin wurden Journalisten attackiert, in Köln eine Oberbürgermeisterkandidatin, weil sie sich für Flüchtlinge eingesetzt hat. Wie konnte die Hemmschwelle für körperliche Gewalt derart absinken?

Man kann in der aktuellen Situation mustergültig beobachten, wie ein harter Kern Gleichgesinnter zusammenfindet und es schafft, andere Menschen über Parolen einzufangen. Diese richten sich gegen Politiker, aber eben von Anfang an auch gegen Journalisten. Es gibt keine Pegida-Demo, auf der nicht auf die „Lügenpresse“ geschimpft wird. Der Begriff hat nicht nur eine unselige NS-Vergangenheit, sondern schafft auch eine gemeinsame Identifikation. Letztlich ist der Schritt zur Anwendung von Gewalt dann nur noch klein.

Die Identifikation entlädt sich in – wie Sie es nennen – Presseverdrossenheit. Woher kommt dieser Hass auf die Medien?

Viele Menschen, nicht nur bei Pegida, meinen, dass ihre Ansichten in den Massenmedien nicht vorkommen. Bei rechtsextremen Ansichten ist das auch sicher eine richtige Einschätzung. Internetportale wie „Politically Incorrect“ oder die Medien des Kopp-Verlags greifen diese Stimmung auf und geben ihr Auftrieb. Das Internet hat diese Entwicklung beschleunigt.

Das Internet ist ja aber kein ganz neues Phänomen mehr.

Nein, das sicher nicht. Die Stimmung, die ich beschreibe, gab es früher auch, aber eher im Verborgenen. Die sozialen Netzwerke sind ein verlängerter Stammtisch und das Internet bietet auch den krudesten Meinungen eine Bühne und trägt dazu bei, eine Identifikation für Menschen zu schaffen, die diffuse Ängste haben oder einfach enttäuscht sind.

Warum richtet sich die Enttäuschung gerade gegen Journalisten?

Journalisten sind vor Ort, wenn Pegida zur Demo aufruft. Sie machen ihren Job und berichten und geraten so ins Visier. Mich hat die Entwicklung der vergangenen Monate auch nicht überrascht. Viele Studien, etwa die „Mitte-Studie“ der Friedrich-Ebert-Stiftung, sind schon vor einiger Zeit zu dem Ergebnis gekommen, dass rechtsextreme Ansichten in der Gesellschaft weit verbreitet sind. Bei Pegida und zum Teil auch bei der AfD entlädt sich das jetzt. Nur: Wer alle staatlichen Gewalten inklusive der Presse ablehnt, ist für die Demokratie nicht mehr zu erreichen.

Gibt es für Journalisten überhaupt noch Möglichkeiten, ein derart gefestigtes Weltbild aufzubrechen?

Ich selbst habe ja angeboten, mit Menschen, die uns als „Lügenpresse“ bezeichnen, zu diskutieren. Dafür habe ich von Kollegen auch Stirnrunzeln und Kopfschütteln erhalten. Um es klar zu sagen: Mit Rechtsextremen würde ich mich nie an einen Tisch setzen. Ich denke aber, Gespräche mit Enttäuschten können schon etwas bewirken. Politiker und Journalisten sollten Menschen mit wirklichen Nöten oder Ängsten ernst nehmen. Wer sie missachtet, zahlt nur auf das Konto der Politik- und Medienverdrossenheit ein. Oder anders gesagt: Wir Journalisten müssen unseren Job wieder ernster nehmen.

Was meinen Sie damit konkret?

Ich beobachte seit Jahren einen Trend der Boulevardisierung, der dem öffentlichen Diskurs nicht gut tut. Journalisten stürzen sich auf einzelnen Themen, die möglichst personalisierbar sind und zeichnen Sachverhalte zunehmend in grellen Farben. Das gediegene Handwerk – etwa die verschiedenen Seiten eines Themas abzuwägen, alle Beteiligten zu Wort kommen zu lassen und Transparenz herzustellen – kommt dabei zunehmend unter die Räder. In unserer Berichterstattung gehen die verschiedenen Grautöne verloren und damit Meinungen, die dann tatsächlich nicht mehr vertreten sind. Wenn wir uns wieder auf unser Handwerk besinnen, können wir auch Vertrauen zurückgewinnen.

Haben Sie das gemeint, als Sie nach ihrer Wahl zum Bundesvorsitzenden des DJV im November gefordert haben: „Wir müssen zeigen, dass der Journalismus einen Wert für die Gesellschaft hat.“?

Ja, und dazu gehört auch eine Fehlerkultur im Journalismus. Journalisten sind in der Regel hochqualifiziert, aber eben nicht unfehlbar. Das geht jedem in jedem Beruf so. Allerdings sollten wir Fehler, die wir in der Berichterstattung machen, auch offen einräumen.

Neben Ihrer Arbeit als Journalist sind Sie auch Professor für Journalismus an der HMWK in Köln. Wie vermitteln Sie so etwas Ihren Studierenden?

Bei uns an der Fachhochschule gibt es die optimale Mischung aus Theorie und Praxis. In der Theorie sprechen wir natürlich auch über medienethische Fragen. Ich versuche, das dort Erlernte in Rechercheübungen auf die Praxis zu übertragen. Ich habe ja viel über Korruption berichtet. Da muss man sich vor einer Veröffentlichung immer auch der rechtlichen Risiken bewusst sein und aufpassen, nicht vorverurteilend zu berichten. Das versuche ich meinen Studenten zu vermitteln.

Können Sie Ihren Studierenden denn noch guten Gewissens raten, Journalist zu werden?

Auf jeden Fall. Journalist ist ein Beruf, den nur ausüben sollte, wer vollkommen dafür brennt. Wer nur „irgendwas mit Medien“ machen möchte, ist eher nicht so gut im Journalismus aufgehoben. Aber auch für diese Menschen gibt es Berufe, für die eine fundierte journalistische Ausbildung von Vorteil ist, etwa den Beruf des Lektors. Journalist zu sein, ist noch immer mein Traumberuf und ich ermutige jeden, der das auch so sieht, diesen Weg einzuschlagen.

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Kommentare

eenda

Ich habe noch bei keiner PEGIDA-Veranstaltung beobachten können, dass Journalisten von der Menge angegriffen wurden, auch wenn sie sich gelegentlich anmaßend , raubeinig und rücksichtslos den Weg bahnen. Wenn ein solcher Kamerazug zu dritt durch die Menge schiebt, dann gibt es kein Halten. Wenn sie wenigsten rufen würden: "Platz da, für den Kaiser"!
Welchen Platz sollte eigentlich die Presse in der Gesellschaft einnehmen, zwischen Legislative, Judikative usw. Sie wissen schon. Nach ihrem Selbstgefühl zum urteilen, den obersten, gehaltsmäßig wahrscheinlich auch. Der Vorschußlorbeer indes scheint verspielt zu sein.Schauen Sie sich einmal einen Zeitungsartikel oder die Internetseite der Fernsehnachrichten mit Kommentarfunktion an: Diametrialer könnte der Gegensatz heute nicht mehr sein. Hurra, das Volk wacht auf und bildet sich selbst eine Meinung. Der Journalismus von heute ist korrumpiert(Lügenpresse) wie das ganze gesellschaftliche System auch. Erfahrungsgemäß ist bei einem derart hochgradigen Stadium eine Korrektur schier unmöglich. Darum laufe ich auch unentwegt bei PEGIDA, da ich im Jahre 1989 mich selbstverpflichtet habe, niemals wieder eine Ideologie, Konfession, o.ä.

Keine freie Demokratie ohne freie Presse

"Ich beobachte seit Jahren einen Trend der Boulevardisierung, der dem öffentlichen Diskurs nicht gut tut. Journalisten stürzen sich auf einzelnen Themen, die möglichst personalisierbar sind und zeichnen Sachverhalte zunehmend in grellen Farben. Das gediegene Handwerk – etwa die verschiedenen Seiten eines Themas abzuwägen, alle Beteiligten zu Wort kommen zu lassen und Transparenz herzustellen – kommt dabei zunehmend unter die Räder. In unserer Berichterstattung gehen die verschiedenen Grautöne verloren und damit Meinungen, die dann tatsächlich nicht mehr vertreten sind. Wenn wir uns wieder auf unser Handwerk besinnen, können wir auch Vertrauen zurückgewinnen." - Das ist der Kern: Wenn Journalismus nur wirtschaftlich denkt, haben unsere Vorfahren für die Pressefreiheit umsonst gekämpft. Demokratie braucht das Instrument der informierenden Presse, damit ich als Bürger meine Entscheidungen treffen kann. Ohne gute Pressearbeit ist Demokratie nicht möglich. Oder wie ich immer tobe, böse bin mit der Presse, als würde sie ihre Arbeit nicht machen, ihre Verantwortung nicht übernehmen - nach Clicks und Verkaufszahlen gieren - dafür brauche ich keine Pressefreiheit!

Pegida und Anhänger

Es ist eine Schande,daß wir,ausgerechnet wir Deutschen,solche Leute unter unserem Volk dulden müssen,die immer noch die Doktrien des grössten Massenmörders aller Zeiten vertreten und gutheissen,nehmt ihnen den Deutschen Pass ab und schickt sie in Hölle des Krieges,ohne Recht auf Umkehr,damit sie merken wie es ist wenn man jede Sekunde seines Lebens nur noch in Angst und Schrecken verbringen muss.
-wenn man seine Familie,Freunde nie mehr sehen kann ,weil sie getötet wurden.Mal sehen was sie dann machen oder wo sie hingehen werden um Hilfe zu betteln,es wird keiner da sein ihnen zu helfen,genau wie den armen Kriegsflüchtlingen dort keiner geholfen hat.
Pegida und deren Sorten haben einen IQ von weniger als 35 ,also ungefähr genau so wie die Bonos,wobei deren IQ wenigstens dazu ausreichend ist die Schwachen zu schützen und ihnen zu helfen.Die Schwachmaten habe nichts ,aber auch gar nichts mit unseren Werten zu tun.Also weg mit ihnen !

Sturm Wolfgang