SPD-Doppelspitze

Ein Jahr SPD-Vorsitzende: Esken und Walter-Borjans ziehen positive Bilanz

Kai Doering07. Dezember 2020
Premieren im neuen Video-Studie: Am Montag zogen die SPD-Vorsitzenden Saskia Esken und Norbert Walter-Borjans eine Bilanz nach einem Jahr im Amt.
Premieren im neuen Video-Studie: Am Montag zogen die SPD-Vorsitzenden Saskia Esken und Norbert Walter-Borjans eine Bilanz nach einem Jahr im Amt.
Ein Jahr nach ihrer Wahl zur Doppelspitze der SPD haben Saskia Esken und Norbert Walter-Borjans eine positive Zwischenbilanz gezogen. Bis zur Bundestagswahl wollen beide CDU und CSU in der großen Koalition in zentralen Punkten noch „in die Pflicht nehmen“.

Es ist eine Premiere. Zum ersten Mal findet die digitale Pressekonferenz von Saskia Esken und Norbert Walter-Borjans am Montag aus dem neuen Video-Studio im Willy-Brandt-Haus statt. Die SPD-Vorsitzenden stehen dort, die Journalist*innen sind per Videokonferenz zugeschaltet. Eine für die SPD viel bedeutendere Premiere fand allerdings ein Jahr zuvor statt: Erstmals wurde eine Doppelspitze aus Frau und Mann in den Parteivorsitz gewählt.

„Die SPD steht so geeint da wie selten zuvor.“

Die Bilanz nach einem Jahr fällt aus Sicht der beiden Amtsinhaber sehr positiv aus. „Wir haben viel erreicht“, sagt Saskia Esken gleich zu Beginn. „Die SPD steht so geeint da wie selten zuvor.“ Das Zusammenspiel von Partei, Fraktion und Regierung funktioniere sehr gut. Das habe sich auch in politischen Entscheidungen bemerkbar gemacht. „Viele Regierungsentscheidungen tragen eine klar sozialdemokratische Handschrift“, sagt Norbert Walter-Borjans. Von der Stärkung des Koalitionsausschusses als Entscheidungsgremium habe die SPD sehr profitiert.

Zum ersten Mal bemerkbar gemacht habe sich das im Februar nach den Ereignissen in Thüringen. Nachdem im Landtag der FDP-Politiker Kemmerich mit den Stimmen seiner Partei sowie von CDU und AfD zum Ministerpräsidenten gewählt worden war, habe die SPD im Koalitionsausschuss deutlich gemacht: „Da gibt es jetzt kein Wackeln.“ Die CDU in Thüringen musste zurückrudern und der Ostbeauftragte der Bundesregierung, Christian Hirte, zurücktreten. Er hatte Kemmerichs Wahl öffentlich begrüßt.

„Es darf keine Zusammenarbeit mit Rechtsextremisten geben.“

Umso unverständlicher sei es für ihn, dass sich die CDU „erneut ohne Not in solch ein Position begibt“, sagt Walter-Borjans und meint damit die Vorgänge in Sachsen-Anhalt, wo die CDU-Fraktion gemeinsam mit der AfD gegen eine Erhöhung der Rundfunkgebühr stimmen will. Walter-Borjans kritisiert das „laut hörbare Schweigen“ der Bundes-CDU und stellt klar: „Es darf keine Zusammenarbeit mit Rechtspopulisten und Rechtsextremisten geben.“

„Deutliche Unterschiede zwischen den Koalitionspartnern in Haltungsfragen“, sieht Saskia Esken nach einem Jahr an der SPD-Spitze. Das habe sich auch bei der Bewältigung der Corona-Pandemie bemerkbar gemacht, etwa beim Schnüren des Konjunkturpakets, bei dem sich die SPD erfolgreich gegen eine Kaufprämie für Autos mit Verbrennungsmotoren stark machte.

Für die Zeit bis zur Bundestagswahl gebe es noch einige Punkte, die der SPD wichtig sind – von einem nationalen Lieferkettengesetz über mehr Schutz für Mieter*innen bis hin zu einem sozial-ökologischen Umbau der Wirtschaft. „Da werden wir den Koalitionspartner in die Pflicht nehmen“, kündigt Saskia Esken an.

„Der Austausch mit den Mitgliedern gibt uns Rückenwind.“

Unterstützung erhoffen sich die SPD-Vorsitzenden dabei von den Parteimitgliedern. Obwohl Corona das Reisen zu Ortsvereinen und Unterbezirken schwierig mache, hätten beide seit ihrer Wahl viele gute Gespräche geführt, häufig eben digital. „Der Austausch mit den Mitgliedern gibt uns Rückenwind“, sagt Saskia Esken.

Besonders wichtig sei den beiden die Beteiligung der Mitglieder am Programm für die Bundestagswahl. 4500 Mitglieder hätten sich in den vergangenen Wochen an der digitalen Programmwerkstatt beteiligt, erzählt Saskia Esken. „Der nächste Schritt ist unser Debattencamp am kommenden Samstag.“ Mehrere Tausend Mitglieder und Interessierte sollen einen Tag lang Ideen für das Wahlprogramm diskutieren, coronabedingt digital. „Wir freuen uns auf viele unkonventionelle Diskussionen“, sagt Saskia Esken.

Und damit auch im neuen Jahr genug Zeit zum Diskutieren bleibt, wird der Parteitag, auf dem das Wahlprogramm beschlossen und Olaf Scholz als Kanzlerkandidat nominiert wird, verschoben. Statt Mitte März wird er nun am 9. Mai stattfinden. „Bis dahin wollen wir in eine intensive Debatte mit den Mitgliedern gehen“, sagt Saskia Esken.

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Kommentare

es ist ja nicht so, dass

sich das schlecht anhört. Nur die Ergebnisse sprechen doch für sich, gelingt es doch bestensfalls die 15 % Marke zu halten. Warum wächst das rechte Lager- das muss man doch mal fragen. Ich denke, dies liegt daran, dass der SPD in den Kernthemen keine Lösungskompetenz mehr zugeschrieben wird. Soziales kann die CDU genauso gut, Gründer als die Grünen, oder die LINKE links überholen? das wird nicht. Die SPD lebt von der Substanz, und die löst sich demographisch auf. Gegen rechts agiert in Teilen selbst die AfD, von den anderen Mitstreitern mal ganz zu schweigen, - also das als Schwerpunktthema kann es ja auch nicht sein.

Klingt nett aber was kommt nun ?

Warum wird die CDU nicht im Hinblick auf die Bekämpfung von Steuerbetrug und Steuerschlupflöchern in die Pflicht genommen ? Würde das einer dem Namen nach "sozialdemokratischen" Partei nicht besser zu Gesicht stehen ?

Warum wird die asoziale Zwangsabgabe für die Medienanstalten nicht zu einem "Medien-Soli" bei Wiedereinführung des Sparsamkeitsanspruchs und gleichzeitigem Wegschneiden der "Spartensender" umkonzipiert ?
Die billigen Seitenhiebe auf die CDU, die sich immerhin in Sachsen an ihren Koalitionsvertrag hielt und sichtbare Anstrengungen unternommen hat eben NICHT "mit der AfD" zu stimmen sind ein Bumerang. Hier wäre es ein starkes Signal gewesen die Ursache des Problems - Zwangsbeitrag und Selbstbedienung - mit kreativer, bürgerfreundlicher Umgestaltung zu entfernen.

Inwiefern was auch immer bei den neuen "Debattencamps" an unverbindlichem Zeugs rauskommt dann dem Wähler noch ein Kreuz wert ist sei dahingestellt.

Vielleicht sollte die "Führung" der SPD erst einmal ermitteln, wer sie überhaupt wählen sollte und warum ?
Ach und das Glaubwürdigkeitsproblem, das wird irgendwie mit noch so viel realitätsfernem Eigenlob nicht besser.

Geeint steht die SPD vor allem deshalb da, weil,

wer Wandel erwartet hatte, längst ermüdet ist. Mit Olaf Scholz wurde das leibhaftige Dementi aller Erneuerungsversuche nominiert, wieder ein allzu lange bekannter Mann aus dem Schröder-Kader. Inzwischen wurde offen ausgesprochen, was seither wohl alle denken konnten: Bereitschaft zur nächsten GroKo besteht, sofern die SPD nach der Wahl dafür noch gebraucht werde, was bei 15 % fragwürdig ist. - Begeisternd?
Vom makroökonomisch gebildeten Norbert Walter-Borjans, er hat mit Gustav Horn studiert, hatte ich mehr öffentliche Reflexion erwartet. Die programmatische Abkehr der SPD 1999 vom Keynesianismus und ihr Niedergang infolge der Umsetzung neoklassischer Rezepte verdienten eine ernste Debatte. Diese wurde - soweit ich sehe - bisher nur von Hartmut Elsenhans anzustoßen versucht und ist ohne Resonanz geblieben:
https://archive.org/details/Hartmut-Elsenhans_2018_Erneuerung-der-SPD-ab...
Die Rückkehr zur Bejahung des Sozialstaates war richtig, aber ohne einen konzeptionellen makroökonomischen Rahmen steht die Programmdebatte in der Gefahr, nicht mehr als einen Themen-Salat anzurichten. Ohne Theorie-Reflexion wissen die Praktiker nicht, was sie tun und bleiben bar der Argumente.