
Im Sommer war die Empörung groß: Politik und Öffentlichkeit waren sich einig, die Missstände in der Fleischindustrie, die unter anderem zu hunderten von Corona-Infektionen geführt hatten, zu beenden. Um Beschäftigte besser zu schützen, einigte sich die Koalition daraufhin auf ein von SPD-Minister Hubertus Heil vorgelegtes Arbeitsschutzkontrollgesetz. Werkverträge und Leiharbeit sollten verboten, Standards für Massenunterkünfte und eine digitale Zeiterfassung durchgesetzt werden. Die Maßnahmen sollten bereits zu Beginn des kommenden Jahres in Kraft treten, doch derzeit wird der Entwurf von der Union blockiert.
Heil: Brauchen öffentlichen Druck
„Doch momentan versuchen Lobbyisten Sand ins Getriebe zu bringen“, kritisiert Heil am Montag in Berlin. Trotz aller Notwendigkeit der Zusammenarbeit im Krisenmanagement und bereits getroffener Vereinbarungen versuche der Koalitionspartner zurzeit das Gesetz auszubremsen. Dabei gehe es um Arbeitsverhältnisse, „die schon vor Corona nicht in Ordnung waren, weil vor allem Menschen aus Ost- und Mitteleuropa ausgebeutet worden sind“, betont der Bundesarbeitsminister. Unter den Bedingungen der Pandemie seien diese Arbeitsverhältnisse zu einem allgemeinen Gesundheitsrisiko geworden.
„Als im Sommer die Empörung in der Öffentlichkeit riesengroß war, hatten sich alle in die Hand geschworen, dass wir damit aufhören wollen“, erinnert Heil. Nun, wo der Gesetzentwurf vorliege und sich die Öffentlichkeit anderen Dingen zuwende, versuchten „Lobbyisten uns ins Geschirr zu fahren“. Gemeinsam mit dem Deutschen Gewerkschaftsbund (DGB) und der Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten (NGG) will der SPD-Politiker aber weiter Druck machen. Heil: „Wir sind entschlossen, ein Arbeitsschutzkontrollgesetz durchzusetzen.“ Nicht nur in der Fleischindustrie, sondern in der gesamten Wirtschaft würden damit Kontrollen für den Arbeitsschutz in den Landesbehörden verstetigt. Denn Kontrolle sei notwendig, so Heil. Arbeitsschutzgesetze seien das eine, wenn man aber nicht vernünftig kontrolliere, würden Arbeitnehmer*innenrechte mit Füßen getreten.
SPD-Chef: Union verrät Prinzip der sozialen Marktwirtschaft
Auch SPD-Chef Norbert Walter-Borjans zeigt sich empört: „Wenn ich höre, dass CDU und CSU an einem ausbeuterischen System festhalten wollen, weil sonst zu wenig günstiges Grillfleisch im Angebot ist, bleibt mir die Luft weg“, kritisierte er am Wochenende im Redaktionsnetzwerk Deutschland. „Hier wird nicht einmal mehr der Versuch unternommen, eine seröse Begründung zu finden“, so der SPD-Politiker. „CDU und CSU verraten das Prinzip der sozialen Marktwirtschaft, um die Interessen der Fleischlobby zu verteidigen.“
Auch für NGG-Chef Guido Zeitler ist das Argument der Fleischindustrie, Leiharbeit sei nötig, um Auftragsspitzen zu bewältigen, vorgeschoben: „Ein zusätzlicher Bedarf, etwa in der Grillsaison, lässt sich auch durch andere Instrumente, zum Beispiel Arbeitszeitkonten, stemmen“, betont er. In der gesamten Ernährungsbranche seien solche Modelle seit langem erfolgreich. Dass Fleischunternehmen nun Sturm gegen das Leiharbeitsverbot liefen, sei nur mit dem Wunsch der Branche zu erklären, weiter maximale Gewinne einzufahren.