Frankreich

Hollande will mehr Frauen im Panthéon

Lutz Hermann08. Januar 2014

Wird die Frauenrechtlerin Simone de Beauvoir als Nationalheilige in den Pariser  Panthéon überführt? Staatspräsident Francois Hollande will, dass die Ruhmeshalle Frankreichs weiblicher wird.

Den großen Männern – ein dankbares Vaterland“ (Aux grands Hommes, la patrie réconnaissante). Diese sechs Worte stehen sehr selbstbewußt über den Säulen des Ruhmestempels Panthéon, der im Herzen des Pariser Studentenviertels liegt. 71 Männer und zwei Frauen werden in der Krypta für ihre Verdienste um das Vaterland geehrt. Doch nicht repräsentativ genug für den sozialistischen Präsidenten Francois Hollande: Gleichberechtigung habe auch das Panthéon zu prägen. Als Nationalheilige könnte in wenigen Monaten der Leichnam der 1986 in Paris verstorbenen Frauenrechtlerin Simone de Beauvoir in die Ruhmeshalle überführt werden.

Im 18. Jahrhundert kam der Gedanke auf, großen Franzosen“ einen nationalen Ehrenplatz“ zu widmen. König Ludwig XV schlug als offiziellen Namen Panthéon vor. 1764 gab er den Auftrag, bis 1790 die Vorzeige-Gedenkstätte fertig zu stellen. Im Laufe der Jahrhunderte wurden Berühmtheiten aus verschiedenen Friedhöfen in feierlichen Zeremonien umgebettet. Auch Urnen kamen in die Krypta. Als der hoch angesehene Schriftsteller Victor Hugo 1885 überführt wurde, zogen Tausende Pariser hinter dem Sarg zum Tempel. Heute ist das Panthéon eine touristische Attraktion.

Schon lange war Hollande das Ungleichgewicht der „Repräsentanten der Republik“ ein Dorn im Auge. Im Mai letzten Jahres beauftragte er deshalb den Vorsitzenden des „Zentrum Nationale Denkmäler“ (CMN), Philippe Bélaval, mit der Suche nach einer „Kandidatin“. Das Panthéon, so der Staatschef, solle ein Spiegel der heutigen Gesellschaft werden. Bélaval legte zum Jahresende seine Einschätzung vor: Darin unterstützt er voll und ganz  Hollande, dass der Ruhmestempel sich weiblicher zeigen müsse.

Albert Camus nicht gefragt

Ob es so weit kommt, hängt von den Reaktionen der Franzosen ab. Wer interessiert sich heute noch für die „verdienten Franzosen“ im zwischen 1764 und 1790 erbauten Panthéon? Wer begeistert sich daran, dass hier Berühmtheiten wie Voltaire und Rousseau begraben liegen, der Schriftsteller Victor Hugo (seit 1885), sein Kollege Emile Zola (1906), der Résistancechef Jean Moulin (1964) sowie der Europamitbegründer Jean Monnet (1988)? Andrerseits wurde die spärlich ausgeleuchtete Krypta vielen berühmten und angesehenen Bürgern verweigert, etwa Literaturnobelpreisträger Albert Camus, der Autorin George Sand, der Philosophin Simone Weil, dem Komponisten Hector Berlioz und der Widerstandskämpferin Germaine Tillion.

Die beiden Frauen, die Atomphysikerin Marie Curie und Sophie Berthelot, ruhen zwischen den 71 Männern, eher am Rande als in ihrer Mitte. Madame Berthelot fand den Weg in den Tempel nur deshalb, weil ihr Ehemann und Chemiker Marcellin Berthelot bei der Überführung zur Bedingung machte, sie habe in der Ruhmeshalle an seiner Seite zu liegen. Einige Kritiker fragen, was die Verehrung der großen Toten noch heute bedeute? Als moralische Instanz könne sich nicht dienen, auch nicht als Erinnerungsstätte überzeugter Demokraten. Der Panthéon also ein Relikt der Geschichte, in einem Gebäude der Neoklassik, das heute nur noch Auslandstouristen besuchen?

Und dennoch: Hollande sieht das Denkmal als ein Verneigen vor  berühmten Denkern, Forschern, Schriftstellern, Politikern und Kämpfern für die Menschenrechte. Revolutionäre waren wenig gefragt: Als der radikale Jean Paul Marat nach der Französischen Revolution im Panthéon die letzte Ruhestätte finden sollte, flog er nach kurzer Zeit wieder hinaus. Gegner des Grafen Mirabeau trugen ihn ebenfalls hinaus, aber nach einem Jahr kehrte er in sein Steingrab in der Unterwelt des Monuments zurück.

Wirbel in die Krypta bringen

Und Napoléon Bonaparte, der  „Größte der Großen“, keine Nische für den Kaiser? So symbolisiert das Denkmal gleichzeitig heftige und hitzige Debatten um Akzeptanz und Ablehnung von „Panthéonskandidaten“, die seit Gründung der 5. Republik 1958 nur der Staatschef vorschlagen darf.

Hollande wird mit Polemik und Widerstand rechnen müssen, sollte er die Romanautorin und Lebenspartnerin des Philosophen Jean-Paul Sartre, Simone de Beauvoir, vorschlagen. Es gibt Franzosen, die den Tempel nebst Krypta am liebsten einmotten würden. Mancher fordert den Bruch mit Konventionen. Die Mehrheit der Landsleute jedoch wird Beifall klatschen, dass mit Simone de Beauvoir eine der prominentesten Vorkämpferinnen der Frauenrechte Frankreichs geehrt werden soll.

Doch der Schriftsteller Régis Debray würde den Tempel gern entstauben, wie er sagt. Die Parität der Geschlechter sei „absolut notwendig“. Er würde am liebsten die berühmte farbige Tänzerin Josephine Baker im Panthéon sehen, die zeitweise im Widerstand aktiv war. Seine Begründung: „Sie würde dort die Urnen und Statuen lebendig machen und ein wenig Wirbel und Sonne in die traurige, unterkühlte Krypta bringen!“