Rezension; Stephanie Gleißner: „Einen solchen Himmel im Kopf“

Heimat Hinterland

Dorle Gelbhaar22. Februar 2013

Wieder einmal die Auseinandersetzung mit der heimischen Provinz und dem Erwachsenwerdens. Stephanie Gleißners Debütroman „So einen Himmel im Kopf“  geht über jugendliche Betroffenheitsliteratur jedoch hinaus.

Annemut Murr, die Ich-Erzählerin dieses Buches, überlegt sich genau, wie sie den Bewohnern ihres Heimatortes „Hinterland“ gegenübertreten will, als sie ihren Aufenthalt im Ausland für den Heimattrip unterbricht. Man soll sich ihrer erinnern und ihr Respekt zollen. Mit der Reise kommt die Erinnerung an früher.

An ihre Freundin Johanna Luger, die Annemut stets für ihren Mut, ihre Konsequenz und Unabhängigkeit bewunderte. Johanna, die aus einer freigeistigen Familie kommt, ihre Mutter ist Künstlerin. Annemut dagegen ist in einem Haushalt mit einem autoritären Vater aufgewachsen.

Einmal hat er auch zugeschlagen. Das war als die Tochter von der Polizei nach Hause gebracht wurde, weil sie den Brandstifter Karl Rieder nach einem Brandanschlag auf die Pension Malinowski getroffen hatte. Der Vater schlägt Annemut, weil er sich von seiner Tochter vor den Bewohnern Hinterlands blamiert fühlt. Die Mutter versucht sie zu schützen.

Geheimnisse
Die Eltern wissen nicht, dass Annemut und Johanna gesehen haben wie Frau Luger notdürftig bekleidet aus der brennenden Pension weglief. Johanna leidet darunter, dass ihre Mutter sich in der Pension Malinowski mit ihrem Liebhaber traf.

Karl Rieder waren die Freundinnen nicht zufällig nach dessen Brandstiftung begegnet. Er erwartete sie am Bahnhof. Mit der Brandstiftung hatten sie zwar nichts zu tun, doch Johanna war die einzige, von der Karl sich verstanden fühlte. Sie tröstete ihn, wo andere ihn verspotteten, ausgrenzten und schlugen.

Am Tag des Brandes waren Annemut und Johanna zum letzten Mal gemeinsam unterwegs gewesen. Das ist Jahre her. Bei ihrer Rückkehr nach Hinterland trifft Annemut Johanna als korrekte Krankenkassenmitarbeiterin wieder. Betont distanziert und sachlich spricht sie die frühere Freundin mit „Frau Murr“ an. Annemut will sich nicht damit zufrieden geben, dass ihre Annäherungsversuche konsequent abgewiesen werden. Sie vermisst das Vertrautsein, das ihr einst den Blick auf ganz andere als ihre häuslichen Verhältnisse eröffnete.

Veränderung
Johanna ist für sie zu einer von denen aus dem Hinterland geworden. Verändern könne man ohnehin nichts, hatte sie stets behauptet. Ihr familiäres, soziales und Bildungspotenzial war einem selbstbestimmten Leben viel förderlicher als Annemuts. Und doch hat die schwächere Annemut mit der abstoßenden und verunsichernden Hautkrankheit die früheren gemeinsamen Träume verwirklicht.

Hinterland, das ist vieldeutig. Es kann die Provinz mit all ihrer Enge sein, der es sich zu widersetzen gilt, um ein freies, selbstbestimmtes Leben zu führen. Es kann aber auch verteidigenswerte Heimat sein. Ihre strengen Regeln geben Halt, wo Beziehungen von Unsicherheit geprägt sind.

Buchautorin Stephanie  Gleißner, 1983 in Garmisch-Partenkirchen zur Welt gekommen und in Mittenwald herangewachsen, studierte Literatur- und Religionswissenschaftlerin. In ihrem Roman beschäftigt sie sich mit der Provinz und ihren Bedeutungen.

Stephanie Gleißner: „Einen solchen Himmel im Kopf“, Aufbau Verlag, Berlin 2012, 224 Seiten, 16,99 Euro, ISBN 978-3-351-03506-8