Einflusszonen als neue Ordnung?

Hegemonie der USA vor dem Aus: Wie Russlands Krieg die Welt verändert

Marc Saxer25. Juli 2022
Die globale Weltordnung verändert sich – und stellt auch die Vereinten Nationen auf die Probe.
Die globale Weltordnung verändert sich – und stellt auch die Vereinten Nationen auf die Probe.
Chinas Aufstieg und der Ukrainekrieg beenden die globale Hegemonie der USA. Künftig könnten wieder exklusive Einflusszonen die Weltordnung bestimmen.

Der Ukrainekrieg markiert endgültig das Ende der Pax Americana, der amerikanisch dominierten Weltordnung nach Ende des Kalten Krieges. Moskau und Peking fordern die amerikanische Vorherrschaft nun offen heraus. Russland hat sich in den letzten Monaten zwar als Scheinriese erwiesen, doch die globalen Kräfteverhältnisse verschieben sich dennoch immer weiter zugunsten Ostasiens. Mit China ist den USA in den letzten Jahren ein ebenbürtiger Rivale um die globale Hegemonie erwachsen. Und auch in Moskau, Delhi und Brüssel macht man sich Hoffnungen, zu einem Kraftzentrum in einer multipolaren Konstellation werden zu können. Eins steht fest: Der unipolare Moment nach dem Sieg des Westens im Kalten Krieg ist vorüber.

Aber was kommt danach? Um zu verstehen, wie Weltordnungen entstehen und zerfallen, hilft der Blick zurück. Im langen 19. Jahrhundert sorgte ein Großmächtekonzert für Ordnung in einer multipolaren Welt. Völkerrecht und multilaterale Institutionen waren damals schwach entwickelt. Die relative Stabilität auf dem europäischen Kontinent wurde durch die Aushandlung von Interessensphären auf Kongressen und in Hinterzimmern garantiert. Der Frieden im Inneren wurde jedoch freilich durch die aggressive Expansion der europäischen Kolonialmächte nach außen erkauft.

Erste Zäsur der globalen Ordnung: Erster Weltkrieg

Diese Ordnung zerbrach mit dem Beginn des Ersten Weltkrieges. Es folgten drei Jahrzehnte voller Kriege und Revolutionen. Wie heute wieder prallten im Äußeren die Interessen aufsteigender und absteigender Großmächte ungefiltert aufeinander, während im Inneren die morschen Institutionen nicht in der Lage waren, die wirtschaftlichen Transformationen sozial abzufedern.  

Mit der Gründung der Vereinten Nationen und der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte wurden nach dem Zweiten Weltkrieg die Fundamente einer liberalen Weltordnung gelegt. Der Versuch blieb jedoch schnell im Systemgegensatz des Kalten Krieges stecken. In der bipolaren Ost-West-Konfrontation waren die Vereinten Nation meist blockiert. Doch warum eskalierte der Kalte Krieg nicht zu einem heißen? Der Frieden wurde – vom Ungarischen Volksaufstand über den Prager Frühling bis zur Kubakrise – durch die stillschweigende Anerkennung exklusiver Einflusszonen gesichert.

Nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion beeilte sich die amerikanische Hypermacht, eine neue Weltordnung auszurufen. In der unipolaren Welt wurden fortan Regelverstöße vom Weltpolizisten USA sanktioniert. Freunde der liberalen Weltordnung verweisen auf den Vormarsch von Demokratie und Menschenrechten rund um den Globus in dieser Zeit. Kritiker*innen vermuten hinter den humanitären Interventionen eher imperiale Interessen. Aber auch in progressiven Kreisen setzte man große Hoffnungen auf den Ausbau von Völkerrecht und globaler Kooperation.

Einflusszonen sind zurück auf der Weltbühne

Da der Westen jedoch mittlerweile von Krise zu Krise stolpert, bleiben kooperative Ansätze immer öfter im Dickicht der neuen Systemrivalität stecken. Vom Georgienkrieg über die Annexion der Krim bis zur Niederschlagung des Volksaufstandes in Hong Kong: Die Anerkennung exklusiver Einflusszonen ist zurück auf der Tagesordnung. Die liberalen Elemente der Weltordnung – vom Menschenrechtsrat über die Schutzverantwortung bis zum Internationalen Strafgerichtshof – sind nach kurzer Blüte schon wieder blockiert.

Im kommenden Jahrzehnt dürfte die Konkurrenz zwischen den Großmächten mit unverminderter Härte weitergehen. Doch wie lässt sich verhindern, dass sich an diesen Konflikten ein Weltkrieg entzündet? Und wie kann ein Mindestmaß an wirtschaftlicher und politischer Kooperation sichergestellt werden, die wir so dringend brauchen, um die großen Menschheitsprobleme anzupacken?

In Berlin hört man oft, jetzt gelte es erst recht, Demokratie und Menschenrechte mit robusten Mitteln weltweit durchzusetzen. Aber nach dem Desaster von Kabul haben selbst liberale Zentristen wie Joe Biden und Emmanuel Macron die Ära der „humanitären Interventionen“ für beendet erklärt. Sollte sich in Washington, London oder Paris ein isolationistischer Nationalist vom Schlage Trumps durchsetzen, wäre an eine Verteidigung der liberalen Weltordnung ohnehin nicht mehr zu denken. Den Deutschen drohen also die Verbündeten für ihre wertegebundene Außenpolitik auszugehen.

Liberale Weltordnung in Gefahr

Mehr als genügend Partner*innen finden sich in den westlichen Hauptstädten dagegen für einen härteren Kurs gegenüber den autoritären „Systemrivalen“ China und Russland. Wie die globale Reaktion auf die russische Invasion zeigt, hat der Rest der Welt aber wenig Interesse an einer neuen Blockkonfrontation zwischen Demokratien und Autokratien. Hinter den mitunter bizarren Beifallsbekundungen für Russlands Angriff auf das Selbstbestimmungsrecht und die territoriale Unversehrtheit der Ukraine – Werte, die vor allem von kleineren Ländern geteilt werden – versteckt sich allerdings weniger Sympathie für russische oder chinesische Ordnungsvorstellungen als jahrzehntelang aufgestauter Frust über das „amerikanische Imperium“.

Denn für viele Menschen im Globalen Süden war die „liberale Weltordnung“ weniger eine Verheißung als ein Vorwand für Militärinterventionen, Strukturanpassungsprogramme und moralische Belehrungen. Nun dürfte auch dem Westen dämmern, dass er geopolitisch auf die Unterstützung undemokratischer Mächte – von den Golfmonarchien bis in die Türkei, von Singapur bis Vietnam – angewiesen ist. Die Rhetorik vom Kampf der Demokratien gegen autokratische Staaten ist dafür kontraproduktiv. Aber wenn selbst der Westen den Universalismus von Demokratie und Menschenrechten aufgäbe, was bliebe dann noch übrig von der liberalen Weltordnung?

Unordnung und Chaos kann Konflikte schüren

Schon der altgriechische Philosoph Thukydides wusste, dass aus der Konkurrenz absteigender und aufsteigender Großmächte große Kriege entstehen können. Folgt auf das Ende der Pax Americana eine Phase der Unordnung voller Kriege, Putsche und Revolutionen?

Nicht nur in Moskau und Peking, sondern auch in Washington findet daher das Modell eines multipolaren Großmächtekonzerts Anhänger*innen. In den verschiedenen Formaten von der G7 bis zur G20 gibt es ja bereits solche Ansätze der club governance, in denen die großen Mächte ihre Interessen miteinander abstimmen. Die Anerkennung exklusiver Einflusszonen kann dabei helfen, Konflikte zu moderieren. Allerdings steht zu befürchten, dass Demokratie und Menschenrechte bei diesem Kuhhandel keine Rolle mehr spielen werden. Mit Blick auf die Menschheitsherausforderungen von Klimawandel über Migration bis Pandemien ist dieses System minimaler Kooperation schlicht zu fragil.

Neoimperialismus erinnert an Orwells „1984“

Die auf Verrechtlichung und Aushandlung basierende Europäische Union dürfte eine solche Wolfswelt vor allergrößte Herausforderungen stellen. Denn nicht nur in Moskau fantasieren einige von einer neoimperialen Politik, die kleineren Völkern das Recht auf Selbstbestimmung aberkennt. Diese albtraumhafte Mischung aus technisierter Unterdrückung im Inneren und endlosen Stellvertreterkriegen im Äußeren erinnert auf gespenstische Weise an George Orwells Dystopie 1984. Man kann nur hoffen, dass der russische Neoimperialismus im Schlamm des Ukrainekrieges scheitert.

Die russische Anerkennung abtrünniger Provinzen eines souveränen Staates hat auch in China die Alarmglocken schrillen lassen. Wer garantiert denn, dass sich nicht morgen Taiwan für unabhängig erklärt? Zumindest rhetorisch kehrt China zu seiner traditionellen Linie zurück, betont die nationalstaatliche Souveränität und verurteilt koloniale Einmischung. Vor den Augen einer erstaunten Weltöffentlichkeit wird in Peking offen darüber diskutiert, ob sich China wirklich mit dem geschwächten Paria Russland hinter einen neuen Eisernen Vorhang zurückziehen sollte, oder nicht etwa viel mehr von einer multilateralen Weltordnung profitieren würde.

Was verbirgt sich hinter diesem „chinesischen Multilateralismus“? Einerseits das Bekenntnis zu Völkerrecht, Welthandel und Kooperation zur Lösung großer Menschheitsfragen – vom Klimaschutz über die Sicherung von Handelsrouten bis zu friedenssichernden Einsätzen. Kooperiert werden soll allerdings nur im Rahmen von Institutionen, in denen China auf Augenhöhe mit den Vereinigten Staaten mitentscheiden kann. Das heißt Ja zum Sicherheitsrat der Vereinten Nationen, aber Nein zum Internationalen Währungsfonds.

In China wird noch um künftigen Kurs gerungen

Die bestehenden multilateralen Institutionen sollen also entweder an chinesische Ordnungsvorstellungen angepasst werden, oder sie sollen durch alternative Organisationen wie die Asiatische Infrastrukturinvestmentbank oder die Shanghaier Organisation für Zusammenarbeit ersetzt werden. Bleiben die chinesischen Forderungen unerhört, kann Peking immer noch mit seinem Juniorpartner Russland einen eigenen geopolitischen Block bilden. In einer solchen illiberalen (Teil-)Weltordnung dürfte weiterhin multilateral und regelbasiert kooperiert werden; Demokratie und Menschenrechte spielen dagegen keine Rolle mehr.

Um das zu verhindern, könnte es sich lohnen, einen Ausgleich mit China zu suchen. Denn ein aggressives Russland wird man nicht einhegen können, wenn man es in Chinas Arme treibt. Im Gegenteil, ein Schlüssel für die Beendigung des Ukrainekrieges liegt in Peking. Dazu müssten allerdings viele im Westen eine Kehrtwende vollziehen. Denn nicht nur der gefeuerte deutsche Marinechef Schönbach wollte gemeinsam mit Russland in den Kalten Krieg gegen den Systemrivalen China ziehen.

Aber selbst wenn China und Amerika das Kalte Kriegsbeil fürs Erste begraben sollten, stellt eine post-liberale Weltordnung die westlichen Gesellschaften vor unmögliche Fragen. Ist der Preis des Friedens das Selbstbestimmungsrecht der Völker? Ist Kooperation zu Menschheitsfragen nur bei Verzicht auf die Universalität der Menschenrechte zu haben? Oder haben wir trotz allem eine Schutzverantwortung, wenn in den Einflusszonen der Rival*innen Verbrechen gegen die Menschlichkeit begangen werden? Diese Fragen gehen an das normative Selbstverständnis des Westens.

Demokratien in der Minderheit

Welches Ordnungsmodell sich letztendlich durchsetzt, wird in harten Machtkämpfen zwischen den Großmächten und ihren Verbündeten ausgefochten. Allerdings sind die Allianzen, die sich unter der Fahne der jeweiligen Ordnungsmodelle versammeln, sehr unterschiedlich. Unter dem Schlachtruf der Demokratie wird sich nur ein schmales Bündnis westlicher Staaten mit einer Handvoll indo-pazifischer Wertepartner*innen zusammenfinden. Verliert dieses westlich geführte Bündnis den Kampf um die liberale Weltordnung, könnte am Ende eine illiberale Weltordnung mit chinesischen Charakteristika stehen.

Dagegen ist die Verteidigung des Völkerrechts, insbesondere die Unverletzlichkeit der Grenzen, das Recht auf Selbstverteidigung sowie die multilaterale Kooperation innerhalb eines regelbasierten Rahmens mit der UN im Zentrum, im Interesse sowohl demokratischer als auch autoritärer Staaten. Eine Allianz für den Multilateralismus trifft also schon eher auf Unterstützung quer durch die ideologischen Lager. Denkbar ist auch die lose Zusammenarbeit auf der Basis gemeinsamer Interessen. Mit solchen hybriden Partner*innen könnte man beispielsweise beim Klimaschutz kooperieren, aber wirtschaftlich hart konkurrieren. Vieles spricht also dafür, den Systemgegensatz zwischen Demokratien und Autokratien nicht in den Mittelpunkt der Bündnispolitik zu stellen.

Deutschland braucht Europa und offene Märkte

Deutschland kann politisch nur im Rahmen eines vereinten Europas und wirtschaftlich nur auf freien Weltmärkten überleben. Für beides ist eine regelbasierte, multilaterale Weltordnung unerlässlich. Wer ein solches „VN light“-Szenario angesichts der neuen Systemrivalität für unwahrscheinlich hält, sollte sich daran erinnern, dass es auch zu Hochzeiten des Kalten Krieges durchaus möglich war, im Rahmen einer regelbasierten Ordnung auf der Basis gemeinsamer Interessen zu kooperieren.

Von den Rüstungskontrollverträgen über das Verbot des Ozonkillers FCKW bis zur KSZE-Schlussakte von Helsinki war die Bilanz dieses begrenzten Multilateralismus gar nicht mal schlecht. Mit Blick auf Menschheitsherausforderungen wie Klimaschutz, Migration oder Hungersnöte wäre das vielleicht die beste aller schlechteren Welten. Denn auf dem Spiel steht nicht weniger als die Sicherung der Grundlagen von Frieden, Freiheit und Wohlstand in Europa.

Dieser Artikel erschien zuerst im IPG-Journal am 14. Juli.

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Kommentare

ja, die offenen Märkte, sie sind

notwendig für unsere Art zu wirtschaften, da hat der Auto vollkommen recht. Aber:
Die offenen Märkte sind eine neue Form des Imperialismus, ermöglichen sie doch unsere Überschüsse abzusetzen, ungeachtet der Folgen für die Länder, in denen beispielsweise die Altkleider, die noch gar nicht so alt sind, oder die Geflügelflügel, die hier keiner mehr essen mag abgesetzt werden. Hier wird eine Abhängigkeit aufgebaut, die uns den Zugriff auf Rohstoffe sichert, und Fischereigründe ergründet, die bei uns so knapp sind. Andererseits fallen die Folgen auf uns zurück, denn neben den Rohstoffen exportieren diese Länder nun auch meist männlich Bevölkerung hierher, die dann wiederum Zahlungsflüsse öffnen, mit denen die vor Ort zurückbleibende Bevölkerung versorgt wird, was die Abhängigkeit weiter erhöht, aber letztendlich auch unseren , auf derartiger Basis tönernd fußenden Wohlstand vernichten wird.

Liberale Weltordnung

Schönes neues Schlagwort, aber die Knebelverträge mittels WTO, WWF, IWF etc. waren und sind alles andere als LIBERAL.
Ein westlicher Author von der FES sollte über UNO und Völkerrecht nachdenken, die im allgemeinen Sprachgebrauch durch "regelbasierte Ordnung" ersetzt wurden.
Patente auf Arzneimittel, Landgrabbing, Dumping Agrarexporte ....... die Menschen in den Landern des Südens wissen wer sie permanent ruiniert, wer in der Vergangenheit ihre Regierungen weggeputscht hat oder gar selbst interveniert hat, ja alles im Namen der Regelbasierten Ordnung.
Moderne Wirtschaftbeziehungen müssen endlich auf fairem Handel bestehen und nicht auf militäriscchen Drohungen, und da sollten "unsere" Politiker**** auch den Mut haben Partner, die die militärische Lösung bevorzugen, zurückzuhalten.

Liberale Weltordnung

Lieber Armin,
auch dieses mal wieder volle Zustimmung.
Alles Gute und viele Grüße
Peter

Danke

Ich vergaß zu erwähnen, daß die Länder des Südens sehr wohl wissen, daß weder das kaiserliche China noch das zaristische Russland ihnen das koloniale Joch aufgezwungen haben.

wozu auch, oder anders,

wozu in die Ferne schweifen, wo das Gute liegt so nah. In diesem Kontext ist das Gute Sibirien, Alaska, Tibet u.a.m.

gelöscht

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„Das Ende der ... amerikanisch dominierten Weltordnung“_1

Ob nun der Ukraine-Krieg das Ende der globalen US-Hegemonie beweist, ob „9/11“oder die Summierung von Afghanistan-, Syrien-, Irak- und Libyenkrieg (, die für die USA und damit den „Westen“ desaströs endeten – von den betroffenen Bevölkerungen will ich gar nicht reden ): Die US-dominierte Weltordnung ist am Ende. Biden versucht sie zwar noch zu retten, indem er das 21. Jahrhundert durch die „große Schlacht zwischen Demokratie und Autokratie“ zu prägen sucht – aber das wird nicht gelingen; und wir können nur hoffen, dass „der Rest der Welt wenig Interesse an einer neuen Blockkonfrontation“ hat. Denn von der neuen Jeanne d'Arc im Außenministerium ist keine Einsicht zu erwarten. Sie und ihre Follower in SPD, FDP, CDSU sowieso, setzen auf Konfrontation. Wenn die deutsche Außenministerin die Russische Föderation „ruinieren“ will, koste es den Rest der Welt, was es wolle, wenn sie (in Übereinstimmung mit der Nato) außer Russland schon China als nächste “größte Bedrohung“ ausgemacht hat, der sie mit der ihr eigenen Entschlossenheit begegnen will, dann ist der nächste Krieg (fast) schon vorprogrammiert (Tagesspiegel).

„Das Ende der ... amerikanisch dominierten Weltordnung"_2

Die Konsequenz aus „dem Aus der USA-Hegemonie“, sieht Marc Saxer in einem neuen „Ordnungsmodell, ... das in harten Machtkämpfen zwischen den Großmächten und ihren Verbündeten ausgefochten“ werden muss, und das eventuell „die Anerkennung exklusiver Einflusszonen“ beinhaltet. Münkler kommt ohne Betonung der „harten Machtkämpfe“ aus, wenn er von den Großmächten fordert: „Sie haben ihre eigenen Werte und Normen, begrenzen (sie aber) ... auf den eigenen Macht- und Einflussbereich“. Das scheint die einzige Lösung für die Zukunft zu sein. Jetzt müssen die USA, der Westen, wir es noch einsehen. Beim Aufbau dieses Ordnungsmodells könnten wir auf Absprachen statt auf „Machtkämpfe“ setzen – und niemand hätte etwas dagegen, wenn eine (neue) „Zivilmacht Europa“ immer mit am Verhandlungstisch sitzen würde.

„Das Ende ...“ und der Ukrainekrieg

Bei der Einschätzung des Ukrainekonflikts verlässt Marc Saxer seine Argumentationslinie und führt den Putin-Krieg allein auf den „Neoimperialismus ... eines aggressiven Russlands“ zurück, blendet also völlig aus, dass er auch die Folge davon ist, dass die USA (und ihre Verbündeten) mit der Nato-/EU-Osterweiterung „unsere“ Weltordnung gegen eine (atomare) Weltmacht durchsetzen wollten. Die hatte aber schon 2008 im Falle Georgien gezeigt, dass sie sich einer neuerlichen Osterweiterung militärisch widersetzen würde.
Gegen seinen Willen kann man „ein aggressives Russland nicht einhegen“, auch wenn Marc Saxer das meint, sondern wir müssen einen gemeinsamen Weg finden. Gegen Russland gibt es auch keine neue europäische Friedensordnung, auch wenn alle unsere Wortgewaltigen in Politik, Presse und Fernsehen – und es gibt fast keine anderen Stimmen – genau das behaupten und anstreben. Wie aber eine Atommacht gezwungen oder gar besiegt werden könnte, vermag keiner von ihnen zu erklären. Für eine Befriedung des Putin-Krieges wäre aber die Klärung dieser Frage elementar.