Bundeskabinett

Haushalt 2021: Warum Olaf Scholz auf den Sozialstaat setzt

Lars Haferkamp23. September 2020
Olaf Scholz in der Bundespressekonferenz
Olaf Scholz in der Bundespressekonferenz: „Wir werden nicht gegen die Krise ansparen“, stellte er klar, sondern „gegen die Krise aktiv kämpfen“.
Selbstbewusst und optimistisch präsentierte Olaf Scholz den Bundeshaushalt für das kommende Jahr. Dabei zeigte er sich nicht nur als souveräner Finanzminister, sondern auch als kämpferischer SPD-Kanzlerkandidat. Ein kleiner Vorgeschmack auf den Wahlkampf 2021

Es war eine Premiere: Zum ersten Mal präsentierte Bundesfinanzminister und Vizekanzler Olaf Scholz den Bundeshaushalt als SPD-Kanzlerkandidat. In der Berliner Bundespressekonferenz stellte er daher nicht nur Zahlen vor. Denn die Journalist*innen wollten auch wissen, wie das Land unter einem sozialdemokratischen Kanzler aussehen würde und wie Scholz die SPD wieder nach vorne bringen möchte.

Scholz: Impulse für Wachstum und Beschäftigung

Die Hauptstadt-Presse erlebte einen entspannten und optimistischen Finanzminister. Für das Jahr 2022 rechnet Scholz damit, dass Deutschland die Corona-Pandemie hinter sich gelassen hat und wirtschaftlich wieder das Vorkrisenniveau erreicht. Damit es dazu kommt, sei es wichtig, den eingeschlagenen Weg entschlossen fortzuführen und „Impulse für Wachstum und Beschäftigung“ zu setzen, so Scholz. „Wir werden nicht gegen die Krise ansparen“, stellte er klar, sondern „gegen die Krise aktiv kämpfen“.

Ein Schlüssel dafür ist für den Finanzminister die „sehr sehr hohe Investitionsquote“ von 55 Milliarden Euro. Sie werde genutzt für Zukunftsinvestitionen in Künstliche Intelligenz, Quantentechnologie, 5G und 6G, zukunftssichere Fahrzeugherstellung, den klimafreundlichen Umbau der Wirtschaft und die Wasserstoff-Technologie. Zugleich werde kräftig in den Sozialstaat investiert. Scholz nannte hier den Kita-Ausbau, den Krankenhaus-Zukunftsfonds, den Gesundheitsfonds und den Schuldenabbau bei der Bundesagentur für Arbeit.

Ab 2023 wird zurückgezahlt

Das alles koste, aber die 95 Milliarden neue Schulden für den Haushalt 2021 seien „genau richtig“ investiert. Dafür wird die Schuldenbremse erneut ein Jahr ausgesetzt. 2022 werde man dann „alle Regeln der Schuldenbremse wieder einhalten“, so Scholz. 2023 beginne die Rückzahlung der Schulden.

„Ich finde, dass was uns durch diese Krise führt, das leistungsfähige Gemeinwesen und unser guter Sozialstaat, müssen danach erhalten bleiben“, erklärte der Finanzminister. „Sie müssen von uns weiterentwickelt werden und nicht in Frage gestellt werden. Und wer das tun wird, wird sicherlich in mir einen ganz entschiedenen Gegner haben.“ Scholz betonte die sozialdemokratischen Lösungsansätze in der Corona-Pandemie: „Mein Konzept ist: Man kommt durch eine Krise mit einem fairen und gerechten Land. Und man kommt auch hinterher besser weiter, wenn es fair und gerecht zugeht.“

Bundestagswahl entscheidet über Sozialstaat

Für den SPD-Kanzlerkandidaten ist klar: „Wir müssen das, was wir jetzt haben, erhalten: das leistungsfähige Gemeinwesen, den guten Sozialstaat.“ Das werde nur gehen mit einem leistungsgerechten und fairen Steuersystem. „Das ist die Auffassung, die wir als Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten haben und vermutlich eine der Fragen, die bei der nächsten Bundestagswahl mit zur Debatte steht“, so Scholz. „Und dann werden wir ja sehen, wie die Bürgerinnen und Bürger sich entscheiden. Ich bin ganz zuversichtlich, was diese Frage betrifft.“

Angesprochen auf die aktuellen Umfragewerte der SPD sagte Scholz, die Partei habe „es geschafft, dass sie nach sehr schwierigen Jahren als geschlossen“ wahrgenommen werde. „Das halte ich für einen ganz ganz großen Erfolg.“ Das sei auch ein Ergebnis „der sehr gelungenen Zusammenarbeit zwischen den Parteivorsitzenden, dem Fraktionsvorsitzenden und mir, zwischen all denen, die in der SPD Verantwortung haben.“ Scholz kündigte an: „Wir haben uns vorgenommen, die Bürgerinnen und Bürger mit unserer Geschlossenheit über das ganze Jahr hinweg bis zur Bundestagswahl zu überraschen und auch weiter danach daran festzuhalten, wenn wir das Land regieren.“

Scholz: „Ich möchte der nächste Kanzler werden“

Scholz verwies auf „gute Kompetenzwerte für die sozialdemokratischen Ministerinnen und Minister“. Deshalb sei es nun die Aufgabe, dafür zu sorgen, dass das auch mit der SPD unmittelbar verbunden werde. „Weil wir das wollen und weil das unser gemeinsames Anliegen ist, haben wir uns entschlossen, sehr früh den Bürgerinnen und Bürgern zu sagen, woran sie mit uns sind, und nun hat die SPD als erste Partei in Deutschland gesagt, wer ihr Kanzlerkandidat ist.

Scholz zeigte sich entschlossen: „Ich möchte der nächste Kanzler der Bundesrepublik Deutschland werden.“ Diese rechtzeitige Festlegung führe dazu, dass die SPD sich jetzt auf das Notwendige konzenztrieren könne, damit „es am Ende ein starkes Mandat der Bürgerinnen und Bürger für einen sozialdemokratischen Kanzler gibt.“

Soziale und ökologische Reformen

Schließlich wurde der Finanzminister gefragt, wodurch sich der Haushalt eines Bundeskanzlers Olaf Scholz auszeichnen würde. Der Kanzlerkandidate nannte hier, „was mir für die Zukunft dieses Landes wichtig ist“: Dazu gehöre zum Beispiel „eine Weiterentwicklung unseres Sozialstaates“ sowie „eine Weiterentwicklung unserer Bildungs- und Forschungsinfrastruktur“.

Einen deutlichen Schwerpunkt setzte Scholz bei der Ökologie. Ihm gehe es darum, „dass wir alles auf den Weg bringen, was notwendig ist, um den menschengemachten Klimawandel aufzuhalten und das nicht nur als rhetorische Aufgabe verstehen, sondern als eine die, das ganze nächste Jahrzehnt bestimmen wird“. Sein Ziel sei, „moderne zukunftsfähige Arbeitsplätze mit guten Löhnen“ zu schaffen und gleichzeitig dafür zu sorgen, dass der CO2-Verbrauch reduziert werde. Unter seiner Kanzlerschaft werde es „selbstverständlich auch zu Mehreinnahmen kommen, weil wir zum Beispiel Steuervermeidungsstrategien noch erfolgreicher bekämpfen, als es in dem jetzigen Rahmen möglich ist“.

Bis es soweit ist, regiert Olaf Scholz weiter als Bundesfinanzminister. Und dessen nächste Pläne sehen so aus: Nach dem Kabinettsbeschluss beraten in der kommenden Woche Bundestag und Bundesrat die Haushaltspläne. Am Jahresende sollen sie dann endgültig beschlossen werden.

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Kommentare

Wirtschaft zentrales Thema

Wirtschaftswachstum, Arbeitsplätze und das dramatische Haushaltsdefizit werden die zentralen Themen des kommenden Wahlkampfes. Wir sehen dies gerade in den USA, wo Präsident Trump in den Umfragen aufholt, weil ihm mehr Kompetenz im Bereich Wirtschaft bescheinigt wird.

"Zurückzahlen" ist allerdings ein Euphemismus dafür, dass ab 2022 harte Sparprogramme auf allen staatlichen Ebenen nötig sein werden. Die Schuldenbremse im GG wird die Politik in den kommenden Jahren mehr als alles andere befassen. Durch diese Notwendigkeit zu sparen steigt aber die Gefahr einer langanhaltenden Rezession.

Letztlich stehen wir gerade vor den Scherben der Ära Merkel: Schuldenbremse, undurchdachte Föderalismusreform von 2006, keine Investitionen in Umwelt, Infrastruktur und Digitalisierung, soziale Ungleichheit und löchriger Sozialstaat.

Man kein ein Land über 16 Jahre lang eben nicht nur verwalten, man muss es Gestalten. Wenn einem dafür aber Wille, Kreativität und ein klarer Wertekompass fehlen, kann das nicht funktionieren. Die Versäumnisse von Frau Merkel werden uns noch sehr lange beschäftigen.

Man kein ein Land über 16 Jahre lang eben nicht nur verwalten,

um der Wahrheit die Ehre zu geben sei erwähnt, dass die SPD daran nicht unschuldig war...

Olaf Scholz ist der amtierende Finanzminister !

Solange Olaf Scholz nicht die Finanztransaktionssteuer umfassend und ohne eingebaute Schlupflöcher umsetzt, den versprochenen Mindestlohn (Versprechen läuft schon so lange das 12 EUR/h inzwischen längst überholt ist!), die Vermögenssteuer und höhere Einkommensteuer nur warme Worte bleiben, enorme leistungslose Bodenwertsteigerungen als Spekulationsgewinn abgesahnt werden etc., kurz: solange nicht umverteilt wird,kann mir das Scholz´sche Gerede vom Sozialstaat gestohlen bleiben, weil es wie Hohn klingt.
Solange noch Menschen im sogenannten "Wohlfahrsstaat" in lähmender Angst leben müssen ob ihrer prekären Lebensumstände, wird wenig menchliche Energie gewonnen werden, nach den in immer kürzeren Abständen laufenden "menschgemachten" Krisen, diesen Staat mit Engagement wieder aufzubauen !!!